Wann hat ein Film zuletzt Ihr Vorstellungsvermögen herausgefordert und Sie damit zum Nachdenken über fundamentale Fragen gezwungen? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie jetzt gerade an einen SciFi-Thriller von Alex Garland denken. An "Ex Machina" oder "Annihilation". Der britische Autor und Regisseur hat nicht nur ein Händchen für im wahrsten Sinne des Wortes unfassbare Momente, sondern auch für radikalphilosophische Überlegungen.

Eines seiner Lieblingsthemen ist der freie Wille des Menschen, oder besser gesagt dessen Hinterfragung durch deterministische Thesen: Sind alle unsere künftigen Entscheidungen – oder das, was wir dafür halten – in Wahrheit schon durch Vorbedingungen eindeutig festgelegt? Weil man darüber stundenlang diskutieren kann, ist es eine Bereicherung, dass Garland dies nun erstmals auch seriell tut.

"Devs" erzählt die Geschichte der furchtlosen Softwareingenieurin Lily (Sonoya Mizuno), die beim fiktiven Silicon-Valley-Giganten Amaya arbeitet und dort auf eigene Faust Nachforschungen anstellt, nachdem ihr Freund Sergei (Karl Glusman) auf mysteriöse Weise verschwindet und angeblich Selbstmord begangen haben soll. Der hochbegabte AI-Spezialist war zuletzt in der geheimen Spezialabteilung "Devs" tätig. Unter Aufsicht des ebenso schrulligen wie visionären Amaya-CEOs Forest (Nick Offerman) wird dort an einer Art Super-Algorithmus getüftelt, der Sergei beim ersten Blick auf die Codezeilen völlig aus der Bahn zu werfen scheint. Lily bekommt es in der Folge mit russischen Agenten, einem mörderischen Sicherheitschef und noch manch anderer Bedrohung von Leib und Verstand zu tun.

Garland, der auch hier wieder mit seinem angestammten Kameramann Rob Hardy zusammenarbeitet, fordert Sehgewohnheiten heraus, indem er zwar an unsere gängigen Vorstellungen von San Francisco und dem Valley andockt, sie jedoch mitunter ins Groteske verfremdet. Etwa mit der alles überragenden Statue eines kleinen Mädchens auf dem Tech-Campus oder mit futuristisch entrückten Stadtansichten, die Lily ihre Umgebung immer wieder wie im sprichwörtlichen falschen Film erscheinen lassen. Jede Kleinigkeit hat ihre Bedeutung, wovon man so manche erst nach der achten Folge versteht und dann eigentlich nochmal von vorn schauen müsste. Kein Wunder, dass Kamera, Visual Effects und Sounddesign vierfach Emmy-nominiert sind.

Devs© FX Networks
Zu lachen gibt es in "Devs" so gut wie nichts, und wer der Serie nicht stetige Konzentration entgegenbringt, wird sie kaum genießen können. Natürlich lässt sie sich als kritische Abrechnung mit den Exzessen von 'Big Tech' und den Allmachtsfantasien seiner Gründer lesen. Wenn Forest als Grünzeug futternde Messiasfigur gezeigt wird, die mit Lehren aus dem eigenen Schicksal die Welt beglücken will und dabei bedingungslose Unterstützung von ergebenen Jüngern erfährt, dann hat man die knallhart-beißende Gegenseite zur locker-leichten Satire der "Silicon Valley"-Dödel vor sich. Andererseits nimmt Garland sich Zeit, seine Figuren im Verlauf der Staffel von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten, ihre Motivationen und Verletzungen vom Klischee freizuschaufeln. Vor allem mit Mizuno, Offerman und Alison Pill als skrupellos-undurchsichtiger Projektleiterin Katie hat er dafür brillante Schauspieler versammelt.

Die tiefere Fragestellung der Serie reicht weiter: Forest, so viel sei verraten, teilt die deterministische Weltsicht, die auch im realen Silicon Valley überdurchschnittlich oft vertreten ist. Im Kern seiner Top-Secret-Entwicklung steht das Streben nach einer durch und durch berechenbaren Zukunft. Der uralte Konflikt zwischen freiem Willen und Vorbestimmung erreicht hier einen neuen dramatischen Höhepunkt, auch weil Garland es uns als Zuschauern mit all den widersprüchlichen Bildern und Informationen verdammt schwer macht, Position zu beziehen. Es ist schließlich kein Zufall, dass "Devs" nicht nur die Kurzform von "Developers" ist, sondern auch die historische lateinische Schreibweise von "Gott".

"Devs" läuft mittwochs um 21 Uhr bei Fox und ist on demand bei Sky Ticket und Magenta TV verfügbar.