Zehn Wochen vor der geplanten Fernsehmesse MIPCOM in Cannes versucht der Messeveranstalter Reed Midem immer noch zu retten, was (nicht mehr) zu retten ist und passt das Konzept der diesjährigen Herbst-Ausgabe des internationalen Branchenevents der Fernsehwirtschaft einmal mehr an. Man orientiert sich dabei an den Absagen einiger wichtiger Aussteller, die vergangene Woche bekannt geworden sind, und transformiere die Fernsehmesse in ein neues Format, teilte der Messeveranstalter vor dem Wochenende mit. MIPCOM Rendezvous Cannes, so der neue Name, soll den persönlichen Austausch zwischen Verkäufern und Käufern stärken und dabei unter Berücksichtigung aller gebotenen Hygiene- und Abstandsregeln mehr Fläche für den Dialog schaffen.

Laurine Garaude© Reed Midem
Und dann wird es konkret: "Neue Gesundheits- und Sicherheitsrichtlinien bedeuteten erhebliche Hindernisse und zusätzliche Kosten für die Aussteller und ihre Stände. Daher haben wir beschlossen, dass es bei der MIPCOM Rendezvous Cannes keine Messestände geben wird", erklärt Laurine Garaude (Foto), Leiterin der Fernsehabteilung von Reed Midem. Neu sind die Umstände allerdings nicht. Die nötigen Maßnahmen zur Corona-Prävention sind weitgehend unverändert zu den Wochen zuvor, in denen die MIPCOM noch mit Durchhalteparolen auf eine mehr oder weniger reguläre Ausgabe der TV-Messe hoffte, nachdem schon die Frühjahrs-Edition aufgrund der Corona-Pandemie entfallen musste.

Doch die Gegebenheiten vor Ort sind für internationale Aussteller und Messebesucher erst einmal zweitrangig, wie einige in den vergangenen Wochen im Gespräch mit DWDL.de erklären. Behördliche Reisebeschränkungen sowie aus versicherungstechnischen Gründen veranlasste Reiseverbote mehrere Entertainment-Konzerne machen eine Präsenz in Cannes ganz unabhängig von den Gegebenheiten vor Ort unmöglich. Noch unbefristet bestehende Einreiseverbote in die Europäische Union verhindern beispielsweise amerikanischen Branchenvertretern jede Planung einer Teilnahme komplett. Bei gleichzeitig schrumpfendem Angebot vor Ort und jetzt der Absage aller Ausstellungsflächen ist eine Absage einer Präsenzveranstaltung immer wahrscheinlicher.

Ohnehin soll die Herbstausgabe der Fernsehmesse durch einen schon länger geplanten, digitalen Teil - MIPCOM Online+ - ergänzt werden. Damit hatte man im Frühjahr als Ersatz für die MIPTV bereits Erfahrungen gesammelt. "Wir wollen der internationalen TV-Community helfen, wieder Geschäfte zu machen", sagt Laurine Garaude, Chefin von MIPTV und MIPCOM. Dass sie die Hoffnungen auf eine Präsenzveranstaltung im Oktober nicht aufgibt, es dürfte versicherungstechnische Gründe haben. Solange die MIPCOM nicht behördlich verboten ist, dürfte der Veranstalter bei einer Absage auf enormen Kosten sitzen bleiben.

Und so sparen sich immer mehr deutsche TV-Unternehmen die Planungen der sonst üblichen Reise nach Cannes. Als "grotesk" beschreibt ein TV-Produzent aus München die Vorstellung, im Oktober eine internationale Messe mit tausenden Besuchern durchführen zu wollen. Neben Bedenken gibt es auch pragmatische Probleme: Nicht einmal aus Deutschland seien bislang annähernd so viele Flugverbindungen verfügbar wie normal. Und auch in Köln plant man im Oktober ohne den sonst unumstößlichen Termin in Cannes. Nach Informationen des Medienmagazins DWDL.de hat die Mediengruppe RTL Deutschland alle Reisepläne zur MIPCOM diesen Oktober gestrichen. Eine erwartbare Entscheidung angesichts der Tatsache, dass man aus Vorsicht noch nicht einmal wieder alle Mitarbeiter zurück in den Sender geholt hat.

Auf DWDL-Nachfrage erklärt Unternehmenssprecher Christian Körner offiziell zurückhaltend: "Wir werden eher kurzfristig und nach aktueller Situation über eine Teilnahme an der MIP entscheiden. Wenn wir dabei sind, dann nicht im Umfang der vergangenen Jahre." Aber er ergänzt mit Blick auf die Local-Hero-Strategie des Hauses, dass die internationale Messe in Südfrankreich ohnehin einen anderen Stellenwert hat als früher: "Oberste Priorität hat für uns, gerade jetzt möglichst viel Zeit und Energie in die Zusammenarbeit mit unserem Netzwerk an kreativen Partnern in Deutschland zu investieren."

Mehr zum Thema