Krisenzeiten sind gute Zeiten für Nachrichtensender - das war schon immer so, und die Corona-Pandemie bildete da natürlich keine Ausnahme. Nachdem ntv und Welt noch einen eher schwierigen Herbst erlebt hatten, stellte Corona alles auf den Kopf. Weil durch die Ausgangsbeschränkungen jeder Einzelne ganz persönlich betroffen war, stieg das Informationsbedürfnis enorm an - und damit auch die Einschaltquoten der Nachrichtensender. Dabei profitierte insbesondere ntv. Nachdem der Marktanteil beim Gesamtpublikum von August bis Januar stets unter dem Vorjahreswert gelegen hatte, ging's dann ab März rasant noch oben. Von zuvor Werten um 1 Prozent schoss der Marktanteil beim Gesamtpublikum im März auf 1,6 Prozent nach oben. Noch deutlicher war der Ausschlag bei den 14- bis 49-Jährigen, wo sich der Marktanteil im März auf über 2 Prozent mehr als verdoppelte. Seither geht's langsam wieder bergab, doch selbst im Juni lag der ntv-Marktanteil noch immer 0,4 Prozentpunkte über dem Vorjahr.

Beim Konkurrenten Welt aus dem Hause Axel Springer zeigt sich im wesentlichen eine ähnliche Entwicklung - einem unauffälligen Herbst, wo der Sender sich bei den 14- bis 49-Jährigen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit ntv lieferte, folgte der große Ausschlag im März und seither wieder langsam sinkende Quoten. Allerdings zeigte sich auch: Wenn's drauf ankommt, dann vertrauen die Zuschauer offenbar eher ntv als Welt, hier fiel der Quotenanstieg nämlich nicht ganz so deutlich aus. Bei Welt ging's im März auf 1,5 Prozent Marktanteil bei den 14- 49-Jährigen hinauf - 0,6 Prozentpunkte weniger als ntv in diesem Monat erzielte, auch beim Gesamtpublikum betrug der Rückstand 0,4 Prozentpunkte. Und bis zuletzt rangierte Welt noch immer knapp hinter ntv, gleichwohl aber noch immer komfortabel über den Vorjahreswerten.

Der Corona-Effekt zeigte sich auch bei den beiden öffentlich-rechtlichen Angeboten Phoenix und tagesschau24. Zunächst zu Phoenix: Der Sender hatte in diesem Fall den Nachteil, eben kein Nachrichtensender zu sein. Unter anderem mit Übertragungen von Pressekonferenzen, Talks und Einordnungen des Geschehens schlug sich das höhere Informationsbedürfnis im Frühjahr aber auch hier nieder. Im März führte das zum Saison-Bestwert von 1,2 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum, seither hält man sich bei 1,1 Prozent. Im Vorjahr kämpfte man noch mit der 1-Prozent-Marke. Auch bei den 14- bis 49-Jährigen steht man in diesem Frühjahr mit 0,8 bis 0,9 Prozent Marktanteil etwas besser da als im Frühjahr 2019, als man noch bei Werten um die 0,6 Prozent lag.

tagesschau24 führt unterdessen weiterhin eher ein Nischendasein - wer sich in der "Tagesschau" informieren will, wählt also weiterhin vorrangig Das Erste, eines der Dritten oder das Online-Angebot. Selbst im März, dem nachrichtenstärksten Monat also, kam tagesschau24 nicht über 0,4 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum und 0,5 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen hinaus. In den letzten Jahren lag der Senderschnitt noch jeweils um 0,3 Prozent. Der Corona-Effekt ist also sichtbar, aber nicht ganz so ausgeprägt wie bei der privaten Konkurrenz. Aber auch hier gilt: Noch im Juni lag der Marktanteil beim Gesamtpublikum mit 0,4 Prozent zumindest leicht über dem Normalniveau.

Dokusender: Die Audience-Flow-Könige

Die dezidierten Dokusender setzen zwar nicht auf aktuelle Information, gehören aber trotzdem zu den Gewinnern der letzten Saison. Dass sich ZDFinfo gerade in diesem Frühjahr sehr gut entwickelt hat, haben wir bereits in diesem Artikel beleuchtet, doch auch der Welt-Ableger N24 Doku schlägt sich mit zuletzt immerhin 0,5 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum ziemlich gut. Kabel Eins Doku steigerte sich zuletzt auf den Rekordwert von 1,2 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen. In keinem einzigen der letzten zwölf Monate verzeichnete der Sender einen Marktanteil unter dem Vorjahresvergleichswert, in acht Monaten ging's nach oben. Es sieht damit nun ganz so aus als könnte Kabel Eins Doku die 1-Prozent-Marke in diesem Jahr nachhaltig und dauerhaft überspringen.

Wie auch ZDFinfo ist es insbesondere auch bei Kabel Eins Doku die Strategie, über viele Stunden hinweg Dokus ähnlicher Ausrichtung zu zeigen. Wer erst einmal beim Durchzappen eingefangen wurde, wird dann gerne teils über viele Stunden bei dem Sender gefallen - kaum eine andere Sendergattung hat das Prinzip des Audience Flows so perfektioniert wie die Dokusender, die so ihre Marktanteile zuletzt immer deutlicher ausbauen konnten, selbst wenn sich die Inhalte teils häufig wiederholen.

Sport1 kann die Zwangspause etwas besser verkraften als Eurosport1

Wo es große Gewinner gibt, muss es natürlich auch Verlierer geben - und hier sind fraglos die Sportsender zu nennen. Die haben es ohnehin schon nicht leicht, weil in Zeiten allgemein sinkender Linear-TV-Nutzung Sportrechte immer begehrter werden - was sie auch für große Sender immer attraktiver macht, worunter kleinere Anbieter leiden. Aber der eigentliche Einschnitt war dann natürlich die Corona-Pandemie, die auch die Sport-Welt zum Stillstand brachte. Damit brach in diesem Frühjahr quasi mit einem Mal das gesamte Kern-Programm weg.

Während Sport1 ja schon immer auch andere Formate im Programm hat, die wenig mit Sport als mit der Kernzielgruppe Männer zu tun haben, hatte Eurosport1 mit seinem sonst so hohen Live-Anteil wenig entgegenzusetzen - und Wiederholungen alter Sport-Wettbewerbe sind nunmal kein sonderlich attraktives Programm. Nachdem in der ersten März-Hälfte mit teils über 600.000 Zuschauern für Übertragungen vom Skispringen noch die höchsten Reichweiten der ganzen Saison erzielt worden waren, brach der Eurosport-Marktanteil im April und Mai auf kaum noch messbare 0,1 Prozent, sowohl beim Gesamtpublikum als auch bei den 14- bis 49-Jährigen ein. In den Monaten vor Corona hatte man sich ohnehin schon bei eher mageren Werten um 0,5 Prozent beim Gesamtpublikum und 0,3 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen bewegt.

Die meistgesehenen Sendungen bei Eurosport 1

  Reichweite gesamt (Mio.)
Tennis: Australian Open - Finale (02.02.)
0,63
Skispringen WC Trondheim - Qualifying (11.03.)
0,62
Skispringen WC Lillehammer - Qualifying (09.03.)
0,60

Quelle: DWDL.de-Recherche (01.08.2019-31.07.2020)

Sport1 konnte den weltweit nahezu kompletten Stillstand der Sportwelt wie erwähnt etwas besser abfangen, hier war der Tiefpunkt im April und Mai mit jeweils nur noch 0,4 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum sowie auch bei den 14- bis 49-Jährigen erreicht. Das waren im Mai 0,6 bzw. 0,7 Prozentpunkte weniger als noch ein Jahr zuvor. Doch auch vor Corona hatte Sport1 schon leicht sinkende Quoten im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Wie Eurosport kann aber auch Sport1 im Herbst noch auf einen Aufholeffekt hoffen, sofern die Corona-Lage sich nicht wieder so stark verschlechtert, dass die gerade wieder anlaufenden Sport-Wettbewerbe noch einmal gestoppt werden müssen. Durch die Zwangspause ballen sich in der zweiten Jahreshälfte nun jedenfalls ungewöhnlich viele Sport-Veranstaltungen - was für die Sender eher zu einem Luxusproblem durch Überschneidungen führt.

Die meistgesehenen Sendungen bei Sport1

  Reichweite gesamt (Mio.)
DFB-Pokal: Bochum - FC Bayern (29.10.)
2,58
DFB-Pokal: Uerdingen - Dortmund (09.08.)
1,83
DFB-Pokal: Eintracht Frankfurt - RB Leipzig (04.02.)
1,42

Quelle: DWDL.de-Recherche (01.08.2019-31.07.2020)

Sky Sport News HD als Sport-Nachrichtensender die Corona-Pause natürlich ebenfalls zu spüren, auch dort sank der Marktanteil zwischenzeitlich auf 0,1 Prozent bei Jung und Alt. Ein Sondereffekt führte aber im Mai zu einer deutlichen Erholung: Sky hatte sich entschieden, zwei Spieltage lang die Samstagskonferenz der Fußball-Bundesliga auch im unverschlüsselt auf seinem Free-TV-Sportnachrichtensender zu zeigen. Das sorgte für immerhin 0,3 Prozent Monatsmarktanteil beim Gesamtpublikum und 0,4 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen. Schon im Juni zeigte sich mit 0,1/0,2 Prozent aber, dass die Sport-Nachrichten noch immer ein schwieriges Geschäft sind.