Zur Top 3 der Privatsender beim Gesamtpublikum gehöre Vox schon, nun wolle man das auch in der jüngeren Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen erreichen - das sagte Vox-Chef Sascha Schwingel zu seinem Amtsantritt bei den "Screenforce Days" im vergangenen Jahr. Konkret hieß das Ziel also, Sat.1 zu überholen. Tatsächlich kam Vox dem Konkurrenten aus Unterföhring insbesondere im Herbst einige Male ziemlich nahe, im November trennten die beiden Sender nur noch 0,3 Prozentpunkte. Doch die stärkste Phase erlebte Vox eben auch im Herbst mit bis zu 7,6 Prozent, zuletzt pendelte der Marktanteil nur noch um die 7-Prozent-Marke und lag damit im Frühjahr sogar leicht unter dem Vorjahresniveau. Dass Vox Sat.1 in der Saison-Endabrechnung tatsächlich ein wenig näher kam, liegt also weniger an der Stärke von Vox als an der Schwäche von Sat.1.

Vorhandene Hits sollten länger ausgekostet werden

Denn die Suche nach einem neuen Leuchtturm im Programm blieb für Vox auch in der Saison 2019/20 erfolglos - dabei wird dieses Anliegen langsam dringlicher, wie schon allein ein Blick aufs Alter der aktuellen Leistungsträger zeigt: "Die Höhle der Löwen", "Kitchen Impossible" und "Sing meinen Song" haben ihre Ursprung allesamt noch im Jahr 2014, "Grill den Henssler" sogar 2013. Mit Abstrichen beim zuletzt etwas schwächelnden "Grill den Henssler" blieben sie zwar auch diesmal eine Bank - doch der Versuch, ihren Erfolg noch weiter zu strecken ging nicht so recht auf. Dass beispielsweise im Dezember urplötzlich einige Erstausstrahlungen von "Kitchen Impossible" über das Weihnachtsspecial hinaus zu sehen waren, wurde nicht goutiert, die Quoten waren deutlich schlechter als während der üblichen Frühjahrs-Staffel. Der inzwischen viele Wiederholungen des Formats gewohnte Vox-Zuschauer hat wohl schlicht gar nicht damit gerechnet, dass es sich hier um neue Folgen handeln könnte.

Und der doppelte Einsatz der "Höhle der Löwen" stand schon aufgrund der Konkurrenz-Situation unter keinem guten Stern: Die erstmalige Frühjahrs-Staffel wurde stur gegen die zweite Staffel des ProSieben-Hits "The Masked Singer" ins Rennen geschickt. Vox zog hier eindeutig den Kürzeren, im Schnitt reichte es nur für weniger als 11,5 statt etwas mehr als 17 Prozent Marktanteil, wie er noch im Herbst erzielt worden war. Auch wenn sich dieser Absturz mit der harten Konkurrenz erklären lässt: Lebensverlängernd wirkt eine solche Erhöhung der Schlagzahl für ein Format nie. Und nun steht man auch noch vor dem Problem, dass sich die Konkurrenz zu "The Masked Singer" auf dem gewohnten Dienstags-Sendeplatz auch im Herbst ergeben würde - denn auch ProSieben setzt nun auf zwei Staffeln pro Saison. Man darf also gespannt sein, ob Vox erneut dagegen halten will mit der Gefahr, seinem bislang größten Quotenhit auch hier spürbar zu schaden.

Mit "Survivor" und "Rampensau" floppten die ambitioniertesten Neustarts

Doch das ist eine Frage für die Zukunft, blicken wir aber erst noch einmal zurück auf das, was Vox abgesehen von solchen Maßnahmen an Neuem auf den Schirm brachte. In allzu viele Groß-Abenteuer stürzte sich der Sender nicht, der ambitionierteste Neustart war der Versuch, die erfolgreichste Abenteuershow der Welt nun doch endlich in Deutschland zu etablieren. Doch wie bei den vorherigen Adaptionen scheiterte auch Vox daran, "Survivor" dem deutschen Publikum nahezubringen. Dass man nach nur zwei Wochen aufgab und die Sendung in den späteren Abend verschob, zeugte auch nur bedingt vom Glauben an die Stärke des Formats.

Ebenfalls nicht zum erhofften Erfolg wurde der neueste Versuch, auf dem Feld der fiktionalen Eigenproduktionen zu punkten. "Rampensau" fuhr zwar einige schöne Kritiken ein, doch wie auch bei den anderen Serien seit dem Ende des so erfolgreichen Erstlings "Club der roten Bänder" sanken die Quoten nach einem guten Beginn schnell in den roten Bereich ab. Vox wollte trotzdem sogar mit der Serie weiter machen, zog mit Blick auf die Corona-Krise dann aber doch noch den Stecker. Dabei bräuchte Vox gerade im fikionalen einen Erfolg dringender denn je - denn das komplette Arsenal an Lizenz-Serien ist eine Enttäuschung.

War die erste Staffel von "The Good Doctor" da zunächst noch ein Lichtblick, so fiel die zweite Staffel nun ebenfalls unter den Senderschnitt, "Magnum, P.I." krebst trotz des bekannten Namens bei Werten um die 5-Prozent-Marke herum, "New Amsterdam" lief noch schlechter - und Serien wie "Perfect Life" oder "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" floppten schon zum Einstand so massiv, dass sie beide jeweils schon nach dem ersten Abend aus dem Programm gekickt wurden. "Law & Order: SVU" gab spätestens die völlig wirre Ausstrahlungs-Taktik den Rest: Die eigentlich jahrelang freitags beheimatete Serie lief zwischenzeitlich sowohl zu wechselnden Anfangszeiten am späten Samstag wie auch am späten Mittwochabend in Erstausstrahlungen. Nur, um etwas später, als nur noch Wiederholungen zur Verfügung standen, mittwochs sogar wieder um 20:15 Uhr auf Sendung zu gehen. Nachvollziehen kann das außerhalb der Vox-Programmplanung vermutlich niemand.

Freitags versuchte es Vox stattdessen mit einem anderen Neustart: "Ready to beef". Dafür nahm man einfach den schon einmal am späteren Abend gezeigten "Knife Fight Club", schliff Ecken und Kanten ab und hievte es in die Primetime. Erfolgreich war das nicht, inzwischen setzt man dort wieder auf Serienwiederholungen und überlasst die zweite Staffel einfach TV Now. Auch dienstags floppte ein Show-Versuch: Nachdem Vox recht ordentliche Erfahrungen mit einigen Dokuformaten im Kinderbereich gemacht hatte, schickte man Mirja Boes mit "Herrlich ehrlich - Kennst du dein Kind?" ins Rennen. Die Quoten waren allerdings enttäuschend. Und dann erlebte man in der Corona-Krise wie viele andere Sender auch, dass kurzfristig ins Programm gehievte Shows kaum einer sehen wollte - Stichwort "Live aus der Forster Straße".

Dating funktioniert in der Primetime, Vorabend wieder in der Spur

Sucht man nach den Erfolgen unter den Primetime-Neustarts in der zurückliegenden Saison, stößt man unweigerlich auf Roland Trettl. Im Herbst gab's das lange aufgeschobene Comedy-Format "True Story", das er gemeinsam mit Michael Mittermeier präsentierte, zu sehen. Dass die sechs Folgen im Schnitt über 9 Prozent Marktanteil holten, lag aber wohl vor allem am überaus starken Vorlauf durch die "Höhle der Löwen", weniger am reichlich spröden Format selbst. Wirklich zufrieden sein kann Vox aber damit, das Genre Dating über einen Ableger des am Vorabend inzwischen recht gut etablierten "First Dates" erfolgreich in die Primetime verlängert zu haben. "First Dates Hotel" erzielte dort in diesem Frühjahr im Schnitt knapp 8 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe. Und "Prince Charming" lief im Schlepptau zumindest solide, wenn man bedenkt, dass das Gay-Dating-Format längst bei TV Now zu sehen war. Dass es dafür sogar den Grimme-Preis gab, könnte Vox ja vielleicht etwas mehr Mut für eine prominentere Platzierung im nächsten Jahr geben.

Apropos "First Dates": Der Vorabend ist inzwischen - neben dem schon immer starken Wochenende - auch unter der Woche wieder in der Spur, weil neben der Datingshow auch "Das perfekte Dinner" wieder zulegen konnte. Vor der Corona-Krise lag der Marktanteil im Monatsschnitt seit August wieder durchgehend über der 7-Prozent-Marke, nachdem man in der Vergangenheit auch schonmal bei weit weniger als 6 Prozent lag. Weil man sich zugleich der quotenschwachen "Prominent"-Ausgabe am Vorabend entledigte, steht die gesamte Access-Prime nun wieder besser da - allerdings brachten die Corona-Wochen sinkende Werte. Hier bleibt abzuwarten, wie die Entwicklung im Herbst weiter geht. Spannend wird's auch am Nachmittag, wo das einst durchgehend so starke Line-Up langsam Abnutzungserscheinungen zeigt. Hier hat man schon etwas experimentiert, vor allem, weil derzeit Hochzeits-Dokusoaps ein eher schwieriges Unterfangen sind. Die neuen Formate wie "Salonfähig" oder "Let's glow" taten sich aber schwer.