Zahlreiche Personalquerelen, Spekulationen um Mediaset und andere neue Gesellschafter und letztlich der Abgang von CEO Max Conze haben die ersten Monate des Jahres bei ProSiebenSat.1 geprägt. Durch die Coronakrise sind zudem die Werbeeinnahmen unter Druck gekommen - die Hauptversammlung des Konzerns, die aufgrund der Coronakrise erstmals online stattfand, dürfte für viele Aktionäre also durchaus spannend gewesen sein. Und tatsächlich haben Vorstandssprecher Rainer Beaujean und seine Kollegen einige interessante Einblicke in das Unternehmen gewährt. 

So musste Beaujean einräumen, dass die Krise den Konzern auch im Mai voll erwischt hat. Nach einem Minus der Werbeeinnahmen im April in Höhe von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat habe man im fünften Monat des Jahres einen Rückgang in etwa der gleichen Höhe erlebt. "Auch im Juni sehen wir noch keine Verbesserungen", so der Vorstandssprecher, der gleichzeitig darauf verweist, dass vor allem die Monate September bis Dezember wichtig seien. Hier erwirtschaftet ProSiebenSat.1 einen Großteil seiner Werbeeinnahmen. Nun hofft man, dass die Werbekunden spätestens ab dann wieder verstärkt investieren. 

ProSiebenSat.1 Online-HVDie Online-Hauptversammlung fand im "Galileo"-Studio statt.

Beaujean sprach von einer "paradoxen Situation", weil die Reichweiten im Fernsehen in der Krise stark steigen, die Werbebuchungen allerdings drastisch zurückgehen. Aber es gebe auch gute Nachrichten, so hätten einige Großkunden ihre Jahresprognose auf Vorjahresniveau bestätigt. Gleichzeitig hat ProSiebenSat.1 nun selbst angekündigt, eigene Marketingmaßnahmen zurückzuschrauben. Um die Liquidität des Konzerns zu sichern, wird zudem keine Dividende ausgeschüttet - das sorgte naturgemäß bei vielen (Klein-)Aktionären für Unmut. Im Vorfeld der Hauptversammlung waren einige Gegenanträge zur Tagesordnung eingegangen, damit die Dividende doch ausgeschüttet wird. Die konnten aufgrund der Art der Hauptversammlung als Online-Veranstaltung nicht zur Abstimmung gestellt werden. Letztendlich stimmten die Aktionäre dem einmaligen Verzicht auf Ausschüttung der Dividende mit mehr als 97 Prozent zu. Auf lange Sicht, das wurde auf der Online-Hauptversammlung mehrfach betont, wolle man nicht mehr um jeden Preis wachsen, es gehe um "langfristige Profitabilität". 


Bereits vor einigen Monaten hatte ProSiebenSat.1 ja angekündigt, sich künftig wieder verstärkt auf das eigentliche Kerngeschäft, das Entertainment, fokussieren zu wollen. Schaffen will man das auch mit verstärkten Synergien zwischen den Sendern und den konzerneigenen Produktionsfirmen. RedSeven Entertainment produzierte etwa im vergangenen Jahr 18 Prozent der eigenproduzierten Inhalte auf den verschiedenen Sendern der Gruppe. Das seien vier Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor gewesen. Und künftig soll die Zahl noch steigen. Zwar ist es keine Neuigkeit, dass ProSiebenSat.1 seine eigene Produktionstochter stärken will, doch unabhängige Produzenten dürften die Entwicklung mit Sorge betrachten. 

Mehr als 1200 Mitarbeiter in Kurzarbeit

Auf der Hauptversammlung wurde auch bekannt, dass zum 1. Juni konzernweit 1244 Mitarbeiter in Kurzarbeit waren. Je nach Einkommensstufen stockt ProSiebenSat.1 die Gehälter der Mitarbeiter dann noch weiter auf. Apropos Einkommensstufen: Auf Nachfrage eines Aktionärs machte ProSiebenSat.1 auch öffentlich, dass Ende 2019 insgesamt 271 Mitarbeiter in allen Kernunternehmen der Gruppe in Deutschland bei einem Brutto-Jahresgehalt von mehr als 120.000 lagen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang um 25 Personen. Durch Telefon-Gewinnspiele nahm ProSiebenSat.1 2019 übrigens rund 14 Millionen Euro ein. 

Abfindungen für Ex-Vorstände

Max Conze© ProSiebenSat.1
Und natürlich war auch der Abgang von CEO Max Conze und die Neuaufstellung des Vorstands ein Thema auf der Hauptversammlung. Aufsichtsratschef Werner Brandt erklärte in diesem Punkt, der Erfolg eines Medienunternehmens basiere auf einer starken Teamorientierung. "Wir brauchen eine Kultur des Miteinanders und Respekts." Bei der Neuaufstellung des Vorstands habe der Teamgedanke eine "besondere Rolle" gespielt. Das klang die meiste Zeit wie unverhohlene Kritik an Max Conze. Rainer Beaujean bringe alles mit, um ProSiebenSat.1 langfristig zu führen, so der Aufsichtsratschef, der in der Vergangenheit ebenfalls in der Kritik stand. Versüßt wurde Conze der frühzeitige Abgang übrigens mit einer Abfindung in Höhe von 3,9 Millionen Euro. Conrad Albert, der ja ebenfalls vorzeitig das Unternehmen verlassen hatte, weil er sich mit Conze verkrachte, erhielt 3,0 Millionen Euro. 

Brandt jedenfalls sprach dem Vorstand, dem neben Beaujean auch Wolfang Link (Entertainment) und Christine Scheffler (Personal) angehören, sein Vertrauen aus. Man suche nicht nach einem neuen Vorstandsvorsitzenden, Beaujean ist Vorstandssprecher. Über Mediaset, dessen Finanzchef sich vor wenigen Tagen kritisch über die Strategie von ProSiebenSat.1 äußerte, wollte Rainer Beaujean nicht viel sagen, insbesondere nicht über die Aussagen des Finanzchefs. Derzeit gebe es jedenfalls keine strategischen Gespräche mit Mediaset. Grundsätzlich wertet man die Investitionen, neben Mediaset sind ja auch KKR und die Czech Media Invest beteiligt und haben zuletzt aufgestockt, als Vertrauensbeweis in die eigene Arbeit. 

Im Anschluss an die Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung beantworteten Vorstand und Aufsichtsrat zahlreiche Fragen von Aktionären. Das nimmt, wie so oft bei Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften, oft auch kuriose Züge an. Neben zahlreichen Dopplungen fragen Aktionäre den Vorstand dann unter anderem, ob die Aktie von ProSiebenSat.1 überhaupt als Altersvorsorge taugt (was dieser nicht beantworten will, weil man den Aktionären keine Ratschläge zur persönlichen Altersversorgung gibt) oder ob man nicht auch mal was im Bereich Influencer Marketing machen könnte, was ProSiebenSat.1 mit Studio71 ja schon seit vielen Jahren macht.