Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd kommen die USA nicht zur Ruhe. In zahlreichen Städten des Landes dauern die Proteste gegen Polizeigewalt seit Tagen an – und mit einer Beruhigung durch den amerikanischen Präsidenten ist kaum zu rechnen. Das Thema ist inzwischen so groß, dass viele Medien es aufgreifen und das Coronavirus damit ein Stück weit in den Hintergrund rückt. Markus Lanz widmete den Vorfällen am Dienstag eine ganze Sendung. Als Gäste begrüßte der ZDF-Talker die Finanzexpertin Sandra Navidi, den Politikwissenschaftler Christian Hacke und den "Spiegel"-Journalisten Markus Feldenkirchen. Daneben waren die beiden USA-Korrespondenten Elmar Theveßen und Johannes Hano zugeschaltet.

Die Sendung war interessant, doch es diskutierten eben weit mehr als eine Stunde lang sechs Weiße über Rassismus – ein fatales Signal, verstärkt es doch den Eindruck, dass schwarze Leben zählen, wie derzeit in unzähligen Hashtags artikuliert wird, ihre Stimmen aber eben nicht gehört werden. Auch Sandra Maischberger bekommt die Verärgerung über die Gäste-Besetzung in ihrer Sendung derzeit zu spüren. Als Das Erste am Dienstag ankündigte, das Rassismus-Problem in der Talkshow "Maischberger. Die Woche" ausschließlich mit weißen Menschen thematisieren zu wollen, handelte sich die Redaktion in den sozialen Netzwerken prompt den Unmut vieler Nutzer ein. 

Neben Bundesaußenminister Heiko Maas hatte man noch den ZDF-Moderator Dirk Steffens, die Börsenexpertin Anja Kohl und den streitbaren "Focus"-Kolumnistin Jan Fleischhauer eingeladen. Mehr noch als die Auswahl der Gäste überraschte später allerdings die Rechtfertigung der "Maischberger"-Redaktion. Es habe "leider ein bisschen Verwirrung" gegeben, twitterten die Macher der Sendung und stellten klar, wie jeden Mittwoch "die wichtigsten Themen der Woche diskutieren zu wollen". Die Unruhen in den USA beherrschten "natürlich" die Schlagzeilen. Daneben wolle man sich aber noch der Corona-Krise, den Reisewarnungen und dem Konjunkturpaket widmen.

Und abschließend hieß es in einem Tweet: "Lasst uns doch alle erst mal die Sendung anschauen und anschließend gerne weiterdiskutieren. Machen wir das so?" Dass man auch mit Schwarzen über die wichtigsten Themen der Woche diskutieren könnte – darauf scheint man nicht gekommen zu sein. Zumal sich die Frage stellte, welch neue Diskussionsgrundlage sich nach Ausstrahlung der Sendung angesichts der angekündigten Gesprächspartner hätte ergeben sollen. Erwartungsgemäß ließen sich die Kritiker durch diese verunglückten Stellungnahme nicht besänftigen. Generell fällt auf, dass Maischbergers Experten-Riege in aller Regel weiß ist. Während Jan Fleischhauer am Mittwoch schon zu seinem zweiten Auftritt in diesem Jahr kommt, war ein Schwarzer bislang nicht darunter.

Tatsächlich scheint die Aufregung jedoch geholfen zu haben, denn inzwischen hat der WDR doch noch einen weiteren Gast benannt. Eine afro-amerikanische Germanistikprofessorin aus North Carolina habe zugesagt, teilte der Sender mit und betonte, dass die Redaktion schon "seit Sonntag im Kontakt mit mehreren möglichen, auch schwarzen, Gesprächspartner*innen zum Thema Rassismus in den USA" stand. Weshalb man das nicht schon am Tag zuvor klarstellte, bleibt das Geheimnis der Redaktion. Auch die Redaktion von "Markus Lanz" bemühte sich nach DWDL.de-Informationen darum, auch "People of Color" einzuladen – in den nächsten Ausgaben will man offenbar diesbezüglich besser werden.

Und dann war da noch eine Art Nebenkriegsschauplatz, der sich am Dienstag im Zuge der Aufregung um die Maischberger-Gäste auf Twitter abspielte. Der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu hatte sich nämlich wegen des Maischberger-Statements lautstark empört. "Lernt endlich, mit Betroffenen zu reden, statt über sie", schrieb er – und wunderte sich wenig später, dass er von dem Twitter-Account des Ersten geblockt wurde. "Da muss man mit vielen weiteren Menschen seit Jahren Hass und Hetze im Netz ertragen und erdulden, und dann wird man von @daserste blockiert", so Multu, dessen Verwunderung von vielen geteilt wurde.

Allerdings hat die inzwischen aufgehobene Blockierung offenbar gar nichts mit seiner Unmutsäußerung über die Gästepolitik der ARD zu tun. Vielmehr sei Mutlu schon vor zwei Jahren gesperrt worden, "weil er mit seinen Posts trotz Ermahnung fortlaufend gegen die Netiquette verstoßen hat", wie der Sender auf DWDL.de-Nachfrage erklärte. Gefallen seien Formulierungen wie "braune Scheiße" oder "Ihr Arschlöcher". "Offenkundig ist ihm das zwei Jahre lang nicht aufgefallen, sondern erst gestern, als er sich via Twitter über die Gästeauswahl der heutigen 'Maischberger'-Sendung beschweren wollte."

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