Mit Schlabberlook und Bierflasche auf dem Sofa liegen und über Tore jubeln und den Schiedsrichter schimpfen. Für viele Fußball-Fans sieht so ein ziemlich perfekter Fußball-Nachmittag aus. Und nicht wenige von ihnen dürfte in den vergangenen Monaten etwas gefehlt haben, als die Bundesliga wegen der Corona-Pandemie eine Zwangspause einlegte. Nach einigen Kontroversen rollt inzwischen wieder der Ball, was vielerorts noch immer kritisch gesehen wird, die Liga aber gleichzeitig zum weltweiten Vorreiter macht. 

Weil jedoch keine Fans in die Stadien dürfen, ist vielerorts anstelle johlender Anhänger das Gezwitscher von Vögeln zu hören, was Millionen Zuschauer, die vor dem Fernseher sitzen, kaum zu stören scheint. Der Pay-TV-Sender Sky zeigt sich in diesen Tagen besonders kreativ und hat eine zweite Tonspur eingeführt, über die Fangesänge vom Band die Stille übertünchen soll. Daneben lässt Sky das wöchentliche Topspiel am Samstagabend zusätzlich von Florian Schmidt-Sommerfeld kommentieren – unterstützt von jeweils einem Fan der sich duellierenden Vereine.

Womit wir wieder bei Bier, Schlabberlook und Sofa wären. Erstaunlich gemütlich räkelt sich ein Gladbach-Fan im heimischen Wohnzimmer, während er gerade mit Schmidt-Sommerfeld über die gleich beginnende Partie philosophiert. "Couchkurve" hat der Sender das Format getauft, das in seinen besseren Momenten ein wenig anarchisch daherkommt und damit ein Gegenentwurf ist zu den politisch korrekten Kommentatoren, wie sie bei Fußball-Übertragungen üblich sind. Da kommt sogar "Schmiso", wie der Kommentator auch genannt wird, mal ein beherztes "Leck mich am Arsch" über die Lippen, wenn der Ball im Kasten landet.

"Als Kommentator versuchst du, das Geschehen möglichst neutral abzubilden. Da kann dir aber schon mal ein Gedanke durchgehen, den ein Fan möglicherweise hat", sagt Florian Schmidt-Sommerfeld im Gespräch mit DWDL.de. Mit den beiden zugeschalteten Fans wolle man dies zumindest ein Stück weit kompensieren. "Natürlich kann auch ein Kommentator Vorlieben haben. Bei ihm darf die Laune aber nie davon abhängen, wie ein Verein spielt." Echte Fans hingegen gäben ihre Laune für 90 Minuten komplett in die Hände des Vereins. "Das hat etwas Befreiendes", findet der Sky-Kommentator.

Couchkurve

Aus seiner Sicht hat das Experiment bei den ersten Versuchen schon ganz gut funktioniert. "Die Fans verhalten sich vor der Kamera höchst unterschiedlich. Manch einer ist plötzlich gehemmt, wenn das Rotlicht angeht. Bei den Fans während der ersten Topspiele hatte ich allerdings nicht das Gefühl, dass sie sich zurückhalten", sagt Schmidt-Sommerfeld. Hilfreich war sicher auch das Ergebnis: Vier Toren fielen im ersten Spiel, eine Woche später gab's sogar gleich sieben Buden. "Je besser das Spiel ist, desto mehr kann man das Geisterspiel aus dem Kopf kriegen und genießen. Bei einer taktisch geprägten Partie mit einem 0:0 ist das schon schwieriger", räumt der 30-Jährige gegenüber DWDL.de ein. 

Auf einen Torrausch hofft Schmidt-Sommerfeld auch, wenn Sky die "Couchkurve" an diesem Dienstag außerplanmäßig auch zum Liga-Kracher zwischen Bayern und Dortmund senden wird. Doch die Frage bleibt, an wen sich die "Couchkurve" eigentlich richtet. Schmidt-Sommerfeld muss kurz überlegen. "Wir machen die Sendung für alle Zuschauer, die eine Alternative zu dem ausgewogenen, journalistischen Kommentar haben wollen", sagt er dann. "Die vielleicht auch mal einen flapsigen Kommentar oder echte Fans hören wollen, die während des Spiels richtig mitgehen. Oder auch diejenigen, die während eines Spiels umfangreich diskutieren. All das ist ja derzeit nicht so möglich wie vor Corona, als man noch mit zehn Freunden in der Kneipe sitzen konnte."

Wann er selbst wieder im Stadion sein wird, um ein Fußballspiel zu kommentieren, weiß Schmiso noch nicht. "Ich wäre echt gerne wieder bei der legendären Neuner-Konferenz dabei, die für mich zum Saison-Abschluss das absolut Größte ist." Die kommt allerdings aus dem Sky-Studio in Unterföhring. "Deshalb werde ich mich mit dem nächsten Stadion-Einsatz vermutlich noch ein wenig gedulden müssen. Aber die Vorfreude ist dadurch umso größer." Die Stadion-Atmosphäre, das ist klar, kann auch die "Couchkurve" mit ihrem Schlabberlook nicht ersetzen.