Die Nachricht platzte mitten in die Corona-Krise herein: 300 Millionen Euro will der NDR in den kommenden vier Jahren sparen und damit noch einmal 60 Millionen Euro mehr als bisher geplant. Alleine der Personalaufwand soll bis 2028 um zehn Prozent gekürzt werden - und auch das Programm wird an zahlreichen Stellen betroffen sein. Dabei geht es nicht zuletzt um populäre Formate wie Unterhaltungsshows und den "Tatort", dessen Schlagzahl der NDR reduzieren will. Gleichzeitig soll aber auch in der Nische der Rotstift angesetzt werden.

In besonderem Maße betreffen die Sparmaßnahmen etwa die Redaktion "Die Box", die vor einigen Jahren als eine Art Entwicklungslabor für dokumentarisches Erzählen gegründet wurde. Hier entstanden ungewöhnliche Formate wie die Reportage-Reihe "7 Tage", von der sich der NDR bereits getrennt hat. "Die Redaktion arbeitet seither mit dem gleichen Etat an verschiedenen dokumentarischen Neuentwicklungen", hieß es noch im Februar von Seiten des NDR. Nun ist klar: Zum Jahresende wird "Die Box" komplett aufgelöst.

Entsprechende DWDL.de-Informationen bestätigte der NDR auf Nachfrage. "Es ist korrekt, dass der Etat der bisherigen Redaktion 'Die Box' eingespart werden muss", erklärte ein NDR-Sprecher. "'Die Box' ist allerdings nicht nur Geld, sondern auch Know-how für neue Produktionsformen und Formate. Diese Expertise wird selbstverständlich auch weiter in der Abteilung Dokumentation eingesetzt, nur eben nicht mehr in einer eigenen Redaktion."

Von der jüngst für den Grimme-Preis nominierten Reihe "Die Geschichte eines Abends", die ebenso wie das Reportage-Format "dreihundertsechzig", in der "Box" entstand, gibt es im Zuge der Sparmaßnahmen noch keine Bestandsgarantie. Zwar ist nach Angaben des Senders für dieses Jahr eine weitere Ausgabe geplant. Darüber hinaus prüfe man jedoch, "ob und wie wir das trotz gekürzter Mittel auch in Zukunft fortführen können". Ein Ende der Sendung wäre ein bitterer Verlust. 

"Verfall des journalistischen Profils"

Besonders kritisch werden die angekündigten Maßnahmen von den hunderten freien Mitarbeitern gesehen. "Viele von ihnen lässt der NDR jetzt im Stich", heißt es jetzt in einer gemeinsamen Erklärung von ver.di, DJV und der Initiative "Freie im NDR", die DWDL.de vorliegt. "Im NDR wird das Programm von den Freien gemacht, sie werden jetzt am härtesten getroffen", erklärte Björn Siebke von connexx.av, dem ver.di-Netzwerk für Medienschaffende. "Auftragsausfälle bis hin zum vollständigen Einkommensverlust sind für viele die Folge", so die Befürchtung.

Kritisiert wird etwa die aus ihrer Sicht fehlende Transparenz - etwa mit Blick auf die Details der Sparmaßnahmen, die nach ihrer Auffassung ein erkennbares Konzept vermissen lassen. Stattdessen drohe der "Verfall des journalistischen Profils", heißt es in der Stellungnahme. Als Beispiel wird etwa das "Kulturjournal" genannt, das ebenso wie das Medienmagazin "Zapp" zunehmend ins Netz verlagert werden soll. Gleichzeitig habe die Redaktion "Die Box" ein junges Publikum angesprochen und sei Innovationsmotor gewesen. "Wie will der NDR kreativ sein, wenn er ausgerechnet eine seiner kreativsten Redaktionen streicht?", fragen ver.di, DJV und die Freien.

Zugleich appellieren sie an die soziale Verantwortung. Nachdem der NDR ankündigte, mindestens 200 Planstellen über alle Bereiche hinweg nicht nachbesetzen zu wollen, werde es die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohl noch schlimmer treffen, obwohl diese einen Großteil des Programms machen. Viele von ihnen stünden nun vor dem Abgrund und würden ihre Arbeit verlieren, so die Befürchtung. Deshalb fordern verd.di, DJV und die Freien vom NDR Angebote für all jene, die durch die Einsparungen Honorareinbüßen hinnehmen müssen oder gar ihren Job verlieren werden. 

"Im Schatten der Corona-Krise nutzt Herr Knuth die Gelegenheit, um die Kürzungen im NDR, die jetzt das Herz der systemrelevanten Informationsprogramme erreichen, fortzusetzen", sagte der Hamburger ver.di-Gewerkschaftssekretär Lars Stubbe. "Jetzt muss gegen die Desinformation rechter Gruppierungen angegangen werden. Die politische Blockade gegen eine auskömmliche und zukunftsorientierte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss aufgebrochen werden."

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