Krimis sind in Deutschland kein selten bespieltes Genre. Was hat Sie am Drehbuch von Axel Melzener und Julia Nika Neviandt zu "Dunkelstadt" gereizt?

Zunächst hat mich gereizt, dass "Dunkelstadt" dem Noir Genre untergeordnet wird und damit etwas anders ist, als die meisten anderen Krimis. Der Serientitel sagt es bereits: Schön ist hier in erster Linie nichts. Außerdem war ich begeistert von der Protagonistin Doro, die gerne rebelliert und keine Angst hat, ihren Mund aufzumachen. Darin habe ich Raum für künstlerische und cineastische Inszenierungen gesehen. Und ich konnte meinen Stammkameramann Emre Erkmen mitnehmen, weshalb ich all die Stilmittel einsetzen konnte, die mir wichtig waren.

Was lag Ihnen als Kinofilmmacherin für ihre erste Serie besonders am Herzen?

Mir war wichtig, einen eigenen Zugang zum Film Noir und zu seiner besonderen Visualität zu finden. Beispiel: Emre und ich haben für jede Folge eine bestimmte 'Farbe' ausgewählt. Kostüm und Ausstattung sind dann diesem Farbkonzept gefolgt. Deshalb habe ich unter anderem Blue Jeans vom Set verbannt. Die sind bei mir generell verboten, weil Blue Jeans überall zu sehen sind. So einfach will ich es mir nicht machen. Mit dem Farbkonzept wollten wir der Serie einen zusätzlichen Touch und jeder Folge ein eigenes Gefühl geben. Natürlich waren auch die Drehorte sehr wichtig dafür. In Antwerpen haben wir sehr interessante Locations gefunden, wo ich unbedingt drehen wollte. Es war mir außerdem wichtig, immer wieder neue Orte zu integrieren, damit sich das Auge nicht satt sieht. Die erste Folge spielt so beispielsweise in einer Art Lusthaus, der Rest der Serie dann aber nicht mehr. Solche Ambitionen machen das Ganze natürlich durchaus komplex – vor allem, wenn man eine ganze Staffel in 51 Tagen abgedreht haben muss.

Sie legen also großen Wert auf Details.

Genau. Ich glaube, Filme leben davon.

Wie wichtig war es Ihnen, dass eine Frau die Hauptrolle spielt?

Natürlich sollte niemand einen Job bekommen, weil man eine Frau oder weil man ein Mann ist. Sondern, weil man gut ist. Fakt ist aber nun mal auch, dass es, bevor diese große Diskussion ins Rollen gebracht wurde, deutlich weniger Regisseurinnen und Schauspielerinnen in Hauptrollen gab, als männliche Kollegen. Die Quoten haben sich dank der Präsenz des Themas schon deutlich verbessert. Wir sind jedoch noch nicht am Ende dieser Diskussion angekommen, weshalb ich gerne eine Frau in das Zentrum dieser Geschichte gestellt habe, damit es ein weiteres Beispiel dafür gibt, dass auch Darstellerinnen starke Hauptrollen ausfüllen können.

Welche deutsche "Dunkelstadt" wird in der Serie eigentlich thematisiert?

Unsere Erzählung spielt in einer rein fiktiven Stadt. Deshalb war es mir auch so wichtig, dass wir in Belgien gedreht haben, da so kein Vergleich zu einer existenten Stadt in Deutschland aufkommen kann. Es war tatsächlich nicht meine Absicht, Berlin oder Frankfurt als "Dunkelstadt" zu inszenieren.

Dunkelstadt

Asli Özges "Dunkelstadt"-Protagonistin Doro (Alina Levshin) hat es selbst in der ersten Folge nicht leicht

Wenn Sie nicht gerade in Deutschland drehen, arbeiten sie viel in der Türkei. Was unterscheidet die beiden Länder als Produktionsstandorte?

Ich komme aus Istanbul, aber wohne seit 20 Jahren in Berlin. Ich habe meine ersten zwei Filme in der Türkei gedreht, aber seit 2013 arbeite ich in Deutschland. Nach meinem deutschen Kinofilm "Auf Einmal" habe ich Dunkelstadt gedreht und mein nächster Kinofilm "Black Box" wird auch ein deutscher Film sein. Meine türkische Arbeitszeit ist mir aber natürlich noch sehr präsent. Am besten wäre eine Kombination aus beiden Systemen. Klar, es gibt Voreile und Nachteile in beiden Ländern. In der Türkei kann ich flexibler arbeiten als hier. Damit meine ich nicht die Arbeitszeiten, sondern folgende Situationen: Wenn draußen plötzlich Nebel aufkommt, das Team aber eigentlich drinnen dreht, sind die Leute in der Türkei spontaner bereit, von der einen Sekunde die Arbeit nach draußen zu verlagern. In Deutschland habe ich die Erfahrung gemacht, dass so etwas nur schwer möglich ist. Da wird dann gesagt: "Nein, das geht so nicht, das haben wir so nicht geplant!" Auf der anderen Seite bereiten sich deutsche Kollegen dementsprechend besser auf einen Dreh vor. Sie halten gerne an ihrem Plan fest, gerade weil er so gut ausgetüftelt ist. Ein anderes Thema sind die Arbeitsstunden. Einerseits finde ich es schön, dass die Arbeitsstunden in Deutschland begrenzt sind, weil irgendwann auch einfach mal Schluss sein muss. In der Türkei wird einfach länger gearbeitet. Aber ab und zu länger drehen zu dürfen ist auch nicht immer verkehrt.

Der Kameramann Emre Erkmen arbeitet in jedem ihrer Projekte mit Ihnen zusammen. Warum?

Ich kenne Emre seit unzähligen Jahren, weshalb er meine filmischen Visionen perfekt antizipieren kann. Außerdem gefällt mir sein Verständnis von Ästhetik. Egal wo und wie, er kann sich schnell und gut an die verschiedenen Situationen anpassen. Einer der Hauptgründe, warum ich ihn so schätze, ist, dass er die Schönheit des jeweiligen Shots nicht vor den Kern der Story setzt. Die Schönheit muss immer mit dem jeweiligen Sinn der Szene funktionieren. Das ist etwas, was man nur schwer von einem Kameramann verlangen kann – bei ihm klappt es jedoch super. Davon profitieren meine Projekte sehr.

Hätten Sie "Dunkelstadt" inszeniert, wenn Sie mit einem anderen Kameramann hätten zusammenarbeiten müssen?

Nein. Gerade bei einer Serienproduktion, die länger anhält als eine Kinoproduktion, möchte ich jemanden an meiner Seite haben, auf den ich mich auf jeden Fall verlassen kann.

Liebe Asli Özge, vielen Dank für das Gespräch.

"Dunkelstadt" läuft mittwochs um 21:45 Uhr bei ZDFneo.