Er hört einfach nicht auf zu schreiben. Stephen King hatte 1974 mit "Carrie" seine Karriere begründet und erst im vergangenen Jahr mit "Das Institut" seinen bislang letzten Roman veröffentlicht. Im Gespräch mit "Game of Thrones"-Schöpfer George R.R. Martin verriet er einst, dass es für ihn Pflicht ist, jeden Tag zur gleichen Zeit an seinen Werken weiterzuarbeiten. Doch kann diese ehrwürdige Disziplin mit dem außergewöhnlichen Qualitätsanspruch mithalten, den jeder Fan in sich trägt, wenn er sich auf eine neue Stephen King-Verfilmung einlässt? Mit dem übernatürlichen Krimi "The Outsider", der 2018 in die Regale kam, darf diese Frage einmal mehr gestellt werden. Die Antwort darauf überrascht, ist "The Outsider" doch deutlich besser gelungen, als zu befürchten stand.

 

Wie von King gewohnt, wird von Lesern und Zuschauern einmal mehr gefordert, jegliche Logik fallen zu lassen, um an die absurdesten Möglichkeiten zu denken, mit denen ein Mord in der Kleinstadt Flint City eingeleitet wird. Ein elfjähriger Junge namens Franke Perterson wird zerfleischt im Stadtpark gefunden und löst damit eine groteske Schauerwelle in der ganzen Gemeinde aus. Der Fall scheint jedoch schnell gelöst zu sein, als Augenzeugenberichte und Tatortspuren gleichermaßen darauf hinweisen, dass Terry Maitland (Jason Bateman, "Ozark") hinter der Tat stecken muss. Das überrascht nicht nur, weil er als beliebter Englischlehrer bekannt und als Coach der Jugendmannschaft tätigt ist. Der verheiratete Mann mit zwei kleinen Töchtern hat außerdem ein dichtes Alibi, mit dem er die Ermittler verwirrt.

Mit dieser Prämisse liefert King eine Geschichte, die so simpel wie genial die Balance zwischen True-Crime und Hokus-Pokus hält. Richard Price, der den Roman fürs Fernsehen adaptiert hat, ergänzt Kings Vorlage zudem mit allerhand Verfeinerungen, die der Autor nach langjährigen Arbeiten an Drama-Projekten wie "The Wire", "The Night Of" und "The Deuce" nur zu gut umgesetzt hat. Price hat tatsächlich mehr aus der Geschichte rausgeholt, als im Vorhinein gedacht. Der im Großen und Ganzen recht gewöhnlich wirkende Fall wird durch Kings übernatürliche Ader und Prices Bodenständigkeit zu einem Krimi, der an allen Ecken stabil einzementiert wurde, damit "The Outsider" nie in eine Richtung wegbricht. Damit gemeint ist, dass sowohl der Ermittlerpart mit höchstem Respekt angefasst wurde, als auch die typische King-Inszenierung aus Nacht und Nebel Bildern. 

In den vergangenen Jahren gab es einen regelrechten Stephen-King-Boom im TV: "Haven" erschien 2010, "Under the Dome" 2013, "11.22.63 – Der Anschlag" 2016, "Der Nebel" und "Mr. Mercedes" 2017, sowie "Castle Rock" im vergangenen Jahr. Kaum eine Produktion war es wert, sie mit Klassiker-Verfilmungen wie "Es" oder "Stand by me" auf eine Ebene zu stellen. Umso wichtiger ist es, King-Fans und denjenigen, die es noch werden wollen, "The Outsider" ans Herz zu legen. Die Macher, zu denen neben Price auch Bateman selbst und Ben Mendelsohn (spielt zudem die Hauptrolle des Ermittlers Ralph Anderson) als Produzenten gehören, haben Kings Worte genauso wiedergegeben, wie es der Großmeister bereits in seinem Roman tat.

Die philosophische Sinnfrage, an was die Protagonisten in dieser Geschichte glauben und wie weit sie gehen, um eine Antwort auf eine scheinbar unlösbare Frage zu finden, verknüpft sich außerdem mit modernen Problematiken. Denn der Fall um Frankie Perterson wird auch dadurch kompliziert, dass die Beweise um Maitlands Alibi durch alternative Fakten belegt sind. Wir leben in einer Zeit, in der diese auf den ersten Blick wahrhaftig wirken können, nur um sich am Ende als Fake herauszustellen. Durch Programme wie Deepfake werden selbst beweissichere Videos zur Problematik, was auch "The Outsider" nicht verschweigt. Ein Detail, das die Serie noch ein Stückchen einnehmender gestaltet. 

Die von HBO produzierte Serie gerät erst dann ins Wanken, wenn der Zuschauer vor der Entscheidung steht, welche Art Geschichte er sehen möchte. Sollte dieser keine Lust darauf haben, für zehn Episoden in einer dunklen Welt herumzutappen, in der positive Emotionen Fremdwörter sind, könnte es schwer werden. Denn so gut und konsequent "The Outsider" seinen Weg auch geht – mit der falschen Stimmungslage wird er für alle anderen steinig und schwer.

Die Miniserie "The Outsider" ist zunächst bei Sky auf Abruf zu sehen. Voraussichtlich im März erfolgt die Ausstrahlung dann auch wahlweise auf Deutsch bei Sky Atlantic HD.