In der kanadischen Dramaserie "Pure" aus dem Hause CBC Television wird die Geschichte von Noah Funk erzählt, der frisch zum Priester einer Mennoniten-Gemeinschaft gewählt wurde. Ihm war bereits vorher klar, dass der Job Verantwortung mit sich bringen wird - dass innerhalb seiner eigenen Reihen mit Drogen gehandelt wird, hatte er jedoch nicht kommen sehen. Vor allem, weil Mennoniten normalerweise, ähnlich wie die Amisch, friedliebende, zurückgezogene Menschen sind. Wir haben uns mit Hauptdarsteller Ryan Robbins über die "wahre Geschichte" unterhalten.

Mennoniten leben gänzlich ohne Technologie. Kamen Sie während ihrer Vertiefung in die Rolle auf den Gedanken, ebenfalls solch ein Leben führen zu wollen?

Dieser Lebensstil hat auf jeden Fall etwas ansprechendes. Es hat etwas befreiendes, einfach mal das Internet auszumachen und sich von allem zu lösen. Die Romantik dahinter hat mich wohl am meisten fasziniert: Menschen kommen sich ohne technologische Errungenschaften wieder emotional näher. Doch obwohl es eine romantische Vorstellung ist, so zu leben, wäre es heutzutage natürlich eine riesige Herausforderung, sein gewohntes Leben in ein solches umzuwandeln. 

Ab welchem Punkt wurde es für Sie schwierig, solch einen Charakter zu imitieren?

Das generelle Mennoniten-Leben in mich aufzunehmen und zu verstehen, fiel mir nicht sonderlich schwer. Der Mensch kommt ursprünglich aus dieser Abgeschottenheit und sehnt sich auch heute gewissermaßen danach. Was mir schwer fiel, war diesen extremen Glauben zu verinnerlichen. Noah Funk ist zutiefst von Gott überzeugt. Wenn man nicht auf diese Art aufgezogen wurde, fällt es einem schwer, das sofort nachzuvollziehen. Mit der Zeit konnte ich die Mennoniten jedoch immer besser verstehen. Es ist schon schön, wenn man derart fest an etwas glaubt und das Leben dementsprechend sinnig findet. 

"Pure" wird in Europa oft  als das "kanadische Breaking Bad" vermarktet. Wie passend ist dieser Vergleich wirklich?

"Breaking Bad" ist eine meine absoluten Lieblingsserien und natürlich ist das ein Vergleich, der im ersten Moment etwas hinkt. Wir haben unsere ganz eigene Story, nichts wurde kopiert. Doch im Grunde geht es in beiden Serien um zwiegespaltene Familien, die unvorbereitet ins Drogengeschäft abrutschen. Außerdem sehen Brian Cranston und ich so aus, als ob wir verwandt sein könnten. Das kann dem Vergleich also ebenfalls zugesprochen werden (lacht).

Haben Sie von einem "Breaking Bad"-Kreativen gehört, was er von "Pure" hält?

Ein Autor und Produzent von "Breaking Bad" hatte "Pure" in Amerika über Hulu entdeckt und mich daraufhin angerufen, um mir zu sagen, wie sehr es ihm gefällt. Außerdem hat er mich dann für eine andere Serie gecastet - er hat sich also nicht nur aus Höflichkeit gemeldet. 

Kanada wirkt stets wie eines der sympathischsten Länder der Welt samt den nettesten Einwohnern. Macht es einen Unterschied, solch eine brutale Serie in Kanada zu drehen, statt in Amerika?

Verrückterweise sprechen wir hier über eine Serie mit einem wahren Hintergrund. Dementsprechend bin ich froh drum, dass wir diese dunkle Geschichte auch dort gedreht haben, wo sie entstanden ist. Es stimmt zwar, was Sie über die Kanadier sagen - aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir fiktionale Bilder nicht genauso gut umsetzen können, wie unser Nachbarland, in dem Verbrechen eine etwas größere Rolle spielen. Außerdem sind die Landschaften, die wir in Kanada einfangen konnten, ein absoluter Mehrgewinn für das Endprodukt. Ich bin sehr stolz auf die Bildsprache, die uns gelungen ist. 

Bei welcher Szene haben Sie sich gedacht, dass das einfach keine wahre Geschichte sein kann, weil es derart absurd wird?

Mennoniten schmuggeln Drogen von Mexiko nach Kanada. Das ganze Szenario ist so absurd, dass ich keinen einzelnen Moment herausziehen kann. 

Immer mehr „wahre Begebenheiten“ finden ihren Weg auf den Bildschirm. Haben Autoren keine spannenden Ideen für fiktive Scripte, oder wodurch kommt diese Trendentwicklung?

Die Welt war möglicherweise nie so verrückt, wie heutzutage. Dementsprechend wundert es mich gar nicht so sehr, dass immer mehr Menschen Gefallen daran finden - unsere Realität ist derzeit schlicht spannender als jede Fiktion, vor allem was Politik angeht. Hätte ein Autor vor zehn Jahren ein Drehbuch darüber geschrieben, was heute alles passieren würde, wäre er damals als verrückt abgestempelt worden. Außerdem bin ich der Meinung, dass sich echte Geschichten einfach wichtiger anfühlen. Reelle Menschenleben haben das durchgemacht, was im Fernsehen aufgearbeitet wird - das fühlt sich beklemmend und spannend an. 

Was halten Sie von der Gefahr, dass die Zuschauerschaft alles glauben könnte, was sie gezeigt bekommt?

Das habe ich mich erst letztens im Falle von "When They See Us" auch gefragt. Eine bewegende Geschichte, keine Frage, jedoch fällt einem bei der Nachrecherche doch einiges auf, was in der Dokumentation nicht aufgegriffen wurde. Deswegen kann ich nur an alle appellieren, die sich „echte Geschichten“ anschauen: Nehmt euch ein wenig Zeit zum googlen. Jedoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass das eh getan wird, wenn der Film oder die Serie ansprechend ist. 

Welche eine Sache haben Sie von den Mennoniten gelernt, die Sie auf die gesamte Gesellschaft übertragen würden?

Dass wir alle unser gemeinschaftliches Zusammenleben fördern sollten. Wir müssen mehr auf uns achten, auf uns aufpassen und intensiver miteinander kommunizieren. Zu viele Menschen versuchen andere unten zu halten, anstatt ihnen nach oben zu helfen. 

Danke für das Gespräch, Mr. Robbins!

Die erste Staffel von "Pure" ist ab sofort bei Sony AXN zu sehen.