Es dauert noch ein halbes Jahr, bis HBO Max überhaupt an den Start geht. Und doch hat WarnerMedia-CEO John Stankey schon heute ein relativ klares Bild vor Augen, wie sich seine neue Streaming-Plattform in der zweiten und dritten Ausbaustufe verändern wird. Weniger Netflix, mehr Aggregator für die Inhalte verschiedenster Anbieter, lautet die Vision des Konzernchefs.

Bekanntlich ist ab Mai 2020 zunächst ein lupenreines SVoD-Angebot geplant, das sich allein aus Abos finanzieren soll (DWDL.de berichtete). Mittelfristig bekommt HBO Max allerdings auch eine werbefinanzierte AVoD-Komponente zur Seite gestellt. Er hoffe, dass dort dann sowohl Content als auch Werbeinventar von Dritten Platz finden werde, sagte Stankey kürzlich auf der "Code Media"-Konferenz in Los Angeles – und unterstrich den offenen Plattform-Gedanken, indem er ausdrücklich Konkurrenten wie Comcast NBCUniversal einschloss.

"Im Grunde entflechten wir momentan, um dann wieder neu zu bündeln", gab der AT&T- und WarnerMedia-Manager seine Sichtweise der derzeitigen 'Streaming Wars' zu Protokoll. "Irgendwann wird es Plattformen geben, die vor allem wieder Inhalte aggregieren. Wir möchten HBO Max letztlich zu einem solchen Ort der Re-Aggregation machen." Das wäre mittel- bis langfristig also die Gegenrichtung zur momentanen Entwicklung, in der Warner, Disney, Apple oder Comcast als Antwort auf Netflix jeweils eigene Streaming-Angebote mit eigenen Inhalten aufbauen.

Diese Fragmentierung führt Stankey zufolge früher oder später zur Frustration der Konsumenten. Überhaupt lässt es tief blicken, wie Stankey die wirtschaftliche Tragfähigkeit des SVoD-Modells einschätzt. AT&T investiert rund vier Milliarden US-Dollar in den Aufbau von HBO Max, bietet das Abo für 15 Dollar monatlich an und prognostiziert offiziell 50 Millionen Abonnenten sowie das Erreichen der Gewinnschwelle für 2025. Laut Stankey ist das zusätzliche werbefinanzierte Angebot dennoch zwingend erforderlich, "um den enormen Programmbedarf der Zuschauer dauerhaft befriedigen zu können". 

Auf der "Code Media"-Bühne erläuterte der Warner-Boss das anhand seines hauseigenen Programmschatzes "Friends": "Wenn die Leute zum 19. Mal 'Friends' geguckt haben und es dann irgendwann leid sind, gibt es nicht mehr so viele neuere Serien mit 300 Episoden. Das Prinzip SVoD verbrennt in kurzer Zeit Programmvorräte, die sich über Jahrzehnte werbefinanzierter TV-Serien angesammelt haben. Um die Tiefe der Library zu erhalten und auszubauen und um vielfältige Inhalte zu einem angemessenen Preis anbieten zu können, werden wir um eine teilweise Werbefinanzierung nicht herumkommen."

"Wenn die Leute zum 19. Mal 'Friends' geguckt haben und es dann irgendwann leid sind, gibt es nicht mehr so viele neuere Serien mit 300 Episoden"

John Stankey, CEO von WarnerMedia und COO von AT&T

Dass die gigantischen Investitionen der Streaming-Wettbewerber in Serien und Filme auf absehbare Zeit sinken könnten, steht nicht zu erwarten. Laut Medienanalyst Michael Nathanson von der Research-Agentur MoffettNathanson wird Disney bis 2023 rund 24,3 Milliarden Dollar in Content investieren, AT&T 16,3 Milliarden und Netflix 15,7 Milliarden. "Bis zu einem gewissen Grad werden wir uns sicherlich einander angleichen", sagte Kevin Mayer, Chairman Direct-to-Consumer & International der Walt Disney Company, mit Blick auf das Rennen zwischen Netflix auf der einen sowie seinen eigenen Streaming-Diensten Disney+ und Hulu auf der anderen Seite. Während zuletzt rund um den US-Launch mehr öffentliches Augenmerk auf Disney+ lag, steht Hulu ab März 2020 eine wesentliche programmliche Bereicherung durch den Kabelsender FX ins Haus, den Disney von Fox übernommen hatte (DWDL.de berichtete).

Dann wird nicht nur die komplette FX-Library mit Serien wie "American Horror Story", "Fargo" oder "Pose" zum Bestandteil eines neuen "FX on Hulu"-Channels, sondern jede neue FX-Serie wird dort ab dem Tag nach der TV-Premiere gestreamt. Zusätzlich liefert FX neue Originals exklusiv für Hulu, darunter die Serien "Mrs. America" mit Cate Blanchett, "A Teacher" mit Kate Mara oder "The Old Man" mit Jeff Bridges. Zum mittelfristig geplanten internationalen Rollout von Hulu sagte Mayer in Los Angeles, dass man dazu "hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft etwas sagen" könne. In jedem Fall wird es aber länger dauern als bei Disney+, dessen Deutschland-Start für den 31. März angesetzt ist. "International ist Hulu als Marke nicht so populär wie Disney, und im General Entertainment sind die Lizenzrechte komplexer sowie die Geschmäcker je nach Land unterschiedlich", erklärte Mayer den weitaus höheren Aufwand.

Titelverteidiger Netflix sieht sich derweil schon auf dem Weg zum "All-Original Streaming-Service". Während gegenwärtig noch ein gehöriger Teil der Nutzung auf lizenzierte Programminhalte entfällt, werde man langfristig wohl ausschließlich Originals auf der Plattform haben, sagte Netflix-Programmchef Ted Sarandos auf einer Konferenz des Paley Center for Media in New York. Folgt man den Zahlen von Analyst Nathanson, bleibt Netflix auch gar nicht viel anderes übrig: Elf der 20 erfolgreichsten Serien im dritten Quartal verlassen demnach entweder die Plattform, weil sie von ihren Lizenzgebern zurückgezogen werden, oder laufen schlicht und ergreifend aus – allen voran "Orange is the New Black", "The Office" und "Friends".

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