Früher war die TV-Welt noch ganz einfach. Im September starteten alle Networks gemeinsam in die neue TV-Saison, im Mai war sie dann auch fast zeitgleich wieder beendet und im Sommer dazwischen behalf man sich mit Wiederholungen und Non-Fiktionalem. Aus dieser Zeit stammt auch der zeitliche Emmy-Fahrplan, der bis heute gilt: Verliehen wird dieser wichtigste TV-Preis immer am Wochenende vor dem "offiziellen" Season-Start bei den Networks. Und der Zeitraum, in dem die Serien im US-Fernsehen gelaufen sein müssen, endet am 31. Mai, alles was ab dem 1. Juni startet, kann sich also erst für die Emmys im darauffolgenden Jahr qualifizieren.

Nun ist die TV-Welt inzwischen aber bekanntlich deutlich komplexer geworden. Die Pay-TV- und Kabelsender nutzten vor allem in der Anfangszeit bevorzugt auch die Sommermonate, wenn sie von den Networks weniger Konkurrenz zu fürchten hatten, um ihre Flaggschiff-Serien zu zeigen. Und die Streaming-Dienste halten sich gleich gar nicht mehr an solche Gepflogenheiten und müssen schon aufgrund ihres Geschäftsmodells mit monatlicher Kündbarkeit darauf achten, regelmäßig Neues zu starten, ohne Rücksicht auf irgendwelche Seasons.

Das führt zu fürs Publikum teils etwas verwirrenden Situationen bei den Emmys. Wenn Serien stets im Sommer laufen, dann ist es häufig so, dass gar nicht die gerade gezeigte Staffel bewertet wird, sondern die bereits über ein Jahr zurückliegende. Oder Serien sind gar nicht nominierbar, obwohl gerade neue Folgen zu sehen waren. Die ganze Komplexität zeigt sich in diesem Jahr am Beispiel "The Handmaid's Tale".

In den USA war zwischen dem 5. Juni und 24. August die dritte Staffel der Serie bei Hulu zu sehen - zu spät also für die diesjährigen Emmys. Weil die zweite Staffel im vergangenen Jahr aber schon am 26. April 2018 startete, ist auch diese nicht nominierbar, obwohl fast die Hälfte der Episoden in den diesjährigen Emmy-Zeitraum fielen. Doch maßgeblich ist hier das Ausstrahlungsdatum des Staffel-Auftakts. Aus diesem Grund kann "The Handmaid's Tale" in diesem Jahr "Game of Thrones" in der Kategorie "Beste Drama-Serie" schonmal genausowenig die Tour vermasseln wie in den Haupt- und Nebendarsteller-Kategorien.

So weit, so einleuchtend - doch blickt man nun auf die Liste der meistnominierten Drama-Serien, dann folgt hinter dem 32-fach nominierten "Game of Thrones" auf Platz 2 erstaunlicherweise trotzdem "The Handmaid's Tale" mit elf Nominierungen noch vor "Better Call Saul", "Klling Eve", "Ozark", oder "This is us", die jeweils neun Nominierungen auf sich vereinen konnten. Hier ist nun entscheidend, dass in den meisten Handwerkskategorien die Preise nicht anhand ganzer Staffeln vergeben werden, sondern einzelne Episoden betrachtet werden - was dem geschuldet ist, dass es nicht unüblich ist, dass Autoren, Regie, Kamera etc. nicht bei jeder Folge gleich besetzt sind. Auch Gastauftritte sind so einzeln nominierbar. Über diese "Hintertür" war es im Falle von "The Handmaid's Tale" jedenfalls möglich, dass die Macher der letzten drei Episoden der zweiten Staffel für die Emmys eingereicht werden konnten, was zu ebendiesen erstaunlichen zwölf Nominierungen führte, obwohl die Serie an sich gar nicht nominierbar war.

Eigentlich will man solche Phänomene weitgehend vermeiden und hat dafür vor Jahren schon die "Hanging Episodes"-Regel eingeführt. Sie sorgt vereinfacht gesagt dafür, dass die Grenze 31. Mai aufgeweicht werden kann, wenn eine Serie über diesen Zeitraum hinaus läuft. Startet eine Staffel in einem Emmy-Zeitraum, dann werden auch alle Episoden, die nach dem 1. Juni und vor dem 1. Juli zu sehen sind, noch zum alten Zeitraum hinzugerechnet. Sofern sie erst nach dem Start des Votingprozesses Mitte Juni zu sehen sind, müssen sie dafür eigens für die Academy-Mitglieder hochgeladen werden. Da die letzten Folgen von "The Handmaid's Tale" aber erst im Juli liefen, fiel der Staffel-Abschluss nicht mehr unter diese Regel. Nun spricht man nicht mehr von "Hanging", sondern von "Dangling Episodes", die nun in diesem Jahr zu den Nominierungen führten.