Das Leben ist sehr ungerecht. Dem einen gibt es, dem anderen nimmt es, und keiner weiß, warum das so ist. Im Fernsehen, der großen Lupe des Lebens, potenziert sich diese Ungerechtigkeit noch einmal. Da gibt es sehr nette Menschen, mit denen man gerne mal ein Bier zu sich nähme, die aber vom großen Erfolgsausschütter und Quotenverteiler immer wieder übersehen werden. Daneben gibt es Typen, mit denen man privat nicht länger als 30 Sekunden gemeinsam in einem Wartezimmer sitzen möchte, die aber eine Mörderkohle abräumen und sich jeden Tag mit Faktor 50 einreiben müssen, weil sie sonst von der Quotensonne verbrannt werden. Einem bestimmten inneren System folgt das nicht.

Fragt man mich, ob ich gerne nett und erfolglos oder doch lieber ein Arsch mit Quotenglück wäre, fällt die Entscheidung leicht. Ich wäre lieber nett und erfolglos. Würde ich behaupten. Allerdings gäbe es bestimmt Skeptiker, die das bezweifeln würden. Sie würden verweisen auf die Kategorie der sozial erwünschten Antworten. In der landet man, wenn die persönliche Stellungnahme vor allem zur Ehre gereichen soll, wenn man sich selbst zur Mutter Theresa stilisiert. Ob man dabei wirklich aus dem Herzen spricht, wissen nur der Behaupter und der liebe Gott.

Selbst wenn ich für den Erfolg meine Seele an Mephisto verpfänden würde, käme mir das zugehörige Geständnis niemals über die Lippen. Nein, ich will ein Netter sein, mit dem man gerne ein Bier trinken würde. Ich will kein oft operierter Schnösel werden, der den Schmerz über seine innerliche Verkümmerung mit großen Sprüchen und dem täglichen Blick auf den Kontostand lindern muss.

Ich wäre lieber Steven Gätjen. Ich glaube, dass Steven Gätjen ein wirklich netter Kerl ist. Ich kenne ihn nicht persönlich. Ich bin ihm nie begegnet. Aber einige aus der Branche haben mir das bestätigt, und da ich einigen aus der Branche tatsächlich gelegentlich glaube, nehme auch ich nun ganz fest an, dass Steven Gätjen ein überaus netter, umgänglicher Kerl ist, der die meiste Zeit auch noch seine Jobs ganz ordentlich erledigt.

Andererseits kommen mir abends manchmal Zweifel, ob ich wirklich gerne Steven Gätjen wäre. Nett sein hin, nett sein her. Meist tauchen die Zweifel auf, wenn ich ZDF schaue und dort Steven Gätjen erblicke. Steven Gätjen macht ja viel im ZDF, und ich kann die Macher vom Lerchenberg gut verstehen, dass sie sich früh seiner Dienste verpflichtet haben. So einen im Vergleich zur Zielgruppe extrem jungen Typen mit internationalem Auftreten und einem feschen Hipsterbärtchen wollen wir auch, haben sie gesagt. So einer darf nicht im ProSieben-Kosmos verglühen. Den holen wir nach Mainz, haben sie gesagt.

Leider hat das mit dem Zusammenwirken von ZDF und Steven Gätjen bislang allenfalls mittelgut funktioniert. Man muss da nur mal auf den jüngst erzielten Vollflop der Versteckte-Kamera-Sause „Sorry für alles“ denken oder an die televisionäre Seniorenaufhellungssendung „Mit 80 Jahren um die Welt“. Bei beiden Formaten ist Steven Gätjen als Master Of Ceremonies vermerkt, und beide Formate haben weder von der gelieferten Programmqualität noch von den erzielten Quoten her allgemeine Zufriedenheit ausgelöst.

Das steht in fast schon schöner Tradition, denn auch die Sendungen, die Steven Gätjen vorher beim ZDF moderiert hat, waren in der Mehrheit nicht dazu angetan, die Ruhmesgalerie der großen Fernsehmomente zu schmücken. Irgendwie ist da der Wurm drin in der Kombination von Steven Gätjen und dem ZDF.

Es gibt ja die Sage vom König Midas. Der hatte sich gewünscht, dass alles, was er berühre, zu Gold werde. Der Wunsch wurde ihm erfüllt, was allerdings zur misslichen Lage führte, dass auch die Lebensmittel, die Midas zu sich nehmen wollte, zu Gold und damit ungenießbar wurden. Das Franck-Ribery-Goldsteak war damals wohl noch nicht erfunden.

Die Hollies, eine erfolgreiche Popband der 60er Jahre, haben die Sage dann für ihren Hit „King Midas in Reverse“ einfach mal umgedreht. Da ist von einem verfluchten Typen die Rede, der alles, was er berührt, zu Staub werden lässt.

Ich weiß nicht, woher es kommt, aber jedes Mal, wenn Steven Gätjen im ZDF auftaucht, poppt in meinem schrumpeligen Hirnlappen dieser Song auf. Ich schaue dann und singe „He's King Midas with a curse / He's King Midas in reverse.“ Ich weiß dabei allerding nie, wer in dem Bild nun der verfluchte König Midas ist, das ZDF oder eher doch Steven Gätjen?

Möglicherweise hat das ganze Dilemma aber auch eine simple chemische Ursache. Es gibt ja Flüssigkeiten, die wollen sich einfach nicht dauerhaft vermengen lassen. Wenn man etwa flüssigen Honig, Speiseöl und kaltes Wasser in einen Behälter gibt und kräftig schüttelt, dann entsteht kurz ein Gebräu. Dreht man sich aber eine Weile um und schaut dann wieder hin, dann sieht man, dass sich alles wieder getrennt hat. Der Honig hat sich unter dem Wasser gesammelt, und das Speiseöl darüber.

Vielleicht sollten das ZDF und Steven Gätjen mal darüber nachdenken und herausfinden, wer König Midas und wer in der Kombi Honig, Wasser oder Öl ist. Danach wäre dann möglicherweise eine Trennung angesagt, und beide würden sich bessere Partner suchen. Sie könnten ja Freunde bleiben. Und wenn einer von beiden traurig ist: Mit mir kann man immer ein Bier trinken gehen.