Herr Rotstein, vor einem Monat haben Sie Ihren Sender A&E durch Crime + Investigation (CI) ersetzt. Wie schwer fällt es, sich von einer Sendermarke zu trennen?

Der Switch von A&E zu Crime + Investigation war eine logische Schlussfolgerung und ein weicher Übergang. Wir hatten bereits vor einiger Zeit bei A&E die Crime-Slots verstärkt, weil wir merkten, dass diese Formate bei unseren Zuschauern sehr gut ankommen. Diese Entwicklung, aber auch das Wissen, Zugang zu vielen hochwertigen True-Crime-Formaten zu haben, haben uns in dem Schritt bestärkt. Daher stand für uns mit der Zeit fest, dass wir dem Sender auch den passenderen Namen geben wollen.

Muss man den Kollegen im amerikanischen Mutterhaus Rechenschaft ablegen, wenn man gesteht, dass die Marke A&E in Deutschland verschwinden soll?

Das war gar nicht schwierig. Die amerikanischen Kollegen kennen die verschiedenen internationalen Märkte sehr gut und wissen, dass ihre Sendermarken nicht überall auf der Welt exakt gleich positioniert sind. Die Erwartungshaltung ist daher nicht so sehr darauf angelegt, eine Marke unbedingt in jedes Land zu bringen. Es geht in erster Linie darum, den produzierten Content möglichst gut zu den Zuschauern zu bringen. Daher wurden wir bei unserem Vorhaben, den Sender in Crime + Investigation umzubenennen, sehr bestärkt.

Nun ist es allerdings so, dass die Programmfarbe True Crime auch im deutschen Free-TV breiten Raum einnimmt. Wie soll CI da seine Nische finden?

Unser Vorteil sind die Erstausstrahlungen und die Exklusivität. Das liegt einerseits an der Programm-Pipeline von A+ENetworks, aber auch an tausenden Stunden exklusiver Inhalte, die wir mit allen digitalen Rechten ausgestattet unseren Plattformpartnern zur Verfügung stellen können. Wenn es im Free-TV auch True-Crime-Inseln gibt: Auf keinem Sender läuft rund um die Uhr True Crime. Wir haben hier mit CI eine Lücke geschlossen und stärken den USP des Pay-TV: Fans des Genres True Crime werden bei uns zu jeder Zeit fündig. Außerdem wollen wir die Schätze heben, die andere Sender noch nicht gefunden haben. Dafür arbeiten wir eng mit unseren Kollegen in England und anderen Ländern zusammen und sind früh bei Koproduktionen und Pre-Sales dabei. Jeder, der etwas Spannendes entdeckt hat, informiert die anderen Kollegen. Dadurch können wir schnell auf dem Markt agieren und uns die eine oder andere Hit-Serie sichern.

Welche Produktion haben Sie zuletzt aufgespürt?

Ich bin auf einen Film über die Geschichte des Enkels von Charles Manson gestoßen, der mit seinem Großvater in Kontakt tritt und der Frage nachgeht, wie sehr das Schlechte im Menschen weitervererbt wird. Das ist der äußerst spannende Vierteiler "Charles Manson – Das dunkle Vermächtnis", der bei uns ab 21. November in Erstausstrahlung zu sehen ist. Programme wie "Zweite Chance für einen Mörder", "Ich werde nicht schweigen" oder "Long Island Serial Killer" lassen wir unter dem Label "CI selected" laufen. Hinzu kommen unsere exklusiven deutschen Eigenproduktionen. Dadurch können wir uns deutlich von anderen Anbietern unterscheiden.

Welchen Raum werden die Eigenproduktionen künftig einnehmen?

Wir wollen auch in Zukunft ähnlich viele Eigenproduktionen stemmen wie in den vergangenen zehn Jahren. Für uns handelt es sich dabei um Leuchtturm-Produktionen, mit denen wir unsere Sender History und CI lokalisieren wollen. Hier bündeln wir unseren Anspruch, relevant zu sein und Blickwinkel zu präsentieren, die in Deutschland und auch international noch nicht aufgegriffen worden sind. Aktuell arbeiten wir an dem Projekt "The Invisible Line – Die Geschichte der Welle", in der wir exklusiv Hintergründe des berühmten Sozialversuchs von Ron Jones beleuchten.

Ron Jones© PR/Crime + Investigation/Getty/Preiss
Ron Jones bei einem Presse-Event in München

Wie ist der Kontakt zu Jones entstanden?

Ich bin im vergangenen Jahr während unserer Dreharbeiten für die A&E-Dokumentation "Total Control – Im Bann der Seelenfänger" auf Ron Jones aufmerksam geworden. Damals ging es darum zu erklären, wieso Menschen totalitären Systemen verfallen, die Geschichte der „Welle“ war allerdings nur eine Randnotiz. Das Thema und auch die Person Ron Jones haben mich seither nicht mehr losgelassen, sodass wir uns dazu entschieden haben, uns noch einmal intensiv damit zu beschäftigen, wie das Experiment in den 60er Jahren wirklich abgelaufen ist. Jetzt fliegen wir noch einmal in die USA zur 50-jährigen School-Reunion der damaligen Abschlussklasse, um eine Reihe von Schülern zu treffen, die damals an dem Experiment beteiligt gewesen sind. Die Ausstrahlung des Films auf Crime + Investigation planen wir für das vierte Quartal.

Was ist darüber hinaus für CI geplant?

Wir freuen uns bereits auf die neuen Folgen von "Live PD", ein Format, das in den USA weiterhin sehr starke Quoten holt. Ich hatte anfangs meine Zweifel, ob das Format lange funktionieren kann, bin inzwischen aber mehr denn je davon überzeugt. Vor allem in den ruhigen Momenten finde ich es extrem spannend und menschlich, weil man den Beamten sehr nah kommt. Daher würde ich mich freuen, wenn aus den USA weitere Formate dieser Art nachkommen. Im August freuen wir uns bei CI außerdem auf "Divided States – Gegen den Hass" und die Werner-Herzog-Doku "Im Todestrakt", bevor im September "Hours to Kill – Zeitachse des Todes" und im November "Obsession – Dunkles Verlangen" folgt.

Wenn wir auf den deutschen Pay-TV-Markt blicken, dann fällt auf, dass in den vergangenen Jahren nicht mehr viele neue Sender gestartet wurden – wohl auch hinsichtlich der veränderten Partnersender-Strategie von Sky. Was ist heute anders als vor fünf Jahren, als Sie den Biography Channel durch A&E ersetzt haben?

Ich kann nicht sagen, dass die Situation schwerer oder leichter geworden ist. Wir bei A+E Networks Germany haben einen Vorteil gegenüber anderen Pay-TV-Sendern, nämlich die Qualität des Programms, mit dem wir aus den USA versorgt werden. A+E Networks ist ein Content-Haus, das uns in großer Menge mit exklusiven Inhalten für alle Ausspielwege versorgt. Auf eigenen Content zurückgreifen zu können, ist sehr wichtig. Wir sind hier für die Zukunft sehr gut aufgestellt.

Besitzt die lineare Ausstrahlung noch immer oberste Priorität?

Momentan ist die lineare Ausstrahlung für uns ganz sicher am wichtigsten, wir versorgen die Abonnenten der linearen Sender aber auch über die Plattformen mit einem großen Portfolio an non-linearem Content. Somit kann der Zuschauer selbst entscheiden, ob er unsere Programme linear oder non-linear schauen möchte. Ein Beispiel für den nichtlinearen Bereich: Kürzlich haben wir History Play bei Amazon gelauncht, wo Doku-Fans eine Auswahl unserer lokalen wie internationalen Eigenproduktionen finden. 

Ein ganz anderes Thema sind Ihre Räumlichkeiten, die Sie bis vor kurzem noch mit den Kollegen von NBC Universal teilten – sie sind nun allerdings zu Sky nach Unterföhring umgezogen.

Wir sehen das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir verabschieden mit Wehmut unsere NBC-Kollegen, mit denen wir sehr lange im Joint-Venture waren und noch ein bisschen länger in der Büro-Wohngemeinschaft. In ihrer neuen Heimat wünschen wir ihnen alles Gute. Wir selbst dürfen hier noch bis Ende des Jahres bleiben. 

Die Suche nach einer neuen Bleibe läuft bereits?

Ja,da sind wir guter Dinge, in den nächsten Wochen fündig zu werden.

Herr Rotstein, vielen Dank für das Gespräch.