Mit "The Boys" startet Amazon heute die neueste Superheldenproduktion, in der die eigentlichen Helden jedoch das wahre Problem darstellen. In der Welt von "The Boys" missbrauchen sie ihre Kräfte selbstsüchtig und sind Teil eines kommerzialisierten Geschäfts, in dem mit ihren Namen dickes Geld verdient wird. Die "Boys" haben genug davon und wollen die sogenannten 'The Seven', ein Superheldentrupp ähnlich der Avengers, und Vought, einen milliardenschweren Konzern, der die Helden vermarktet, zur Strecke bringen. Der Clou: Sie selbst besitzen keinerlei Superkräfte, gleichwohl allerhand Schlagkraft. 

Als Schöpfer hinter dieser Geschichte steht Garth Ennis, der eine beeindruckende Vita vorzuweisen hat: "Preacher", "Judge Dredd", "Hellblazer", "Punisher" und "Hitman" sind nur einige der Comics, die durch ihn entstanden sind oder stark geformt wurden. "The Boys" ist seine umstrittenste Arbeit, von der sich sein Ursprungsverlag DC nach nur kurzer Zeit trennte - weil die Geschichten um die kaputte Superheldenwelt für sie deutlich zu düster und brutal waren. Eine neue Heimat wurde bei Dynamite Entertainment gefunden. Ennis hierzu: "Lieber teile ich mir den Profit mit einem unabhängigen Publisher wie Dynamite, als mit einem Großunternehmen wie DC." DWDL.de hat sich mit ihm über die Adaption unterhalten.

Mr. Ennis, angesichts der Unzahl an Comicpublikationen können nicht alle wissen, was sie sich unter "The Boys" vorzustellen haben. Was unterscheidet ihr Projekt von anderen Superheldenformaten und wieso sollte man einschalten?

"The Boys" sind ein von der CIA unterstütztes Team, welches die Aufgabe hat, Superhelden zu überwachen, zu erpressen und gelegentlich zu ermorden. In der Welt von "The Boys" sind Superhelden ein Haufen Bastarde. Manchmal brauchen sie eine Ohrfeige und die Jungs werden sie liefern.

Garth Ennis© Wikipedia
In "The Boys" geht es extrem gewalttätig und äußerst freizügig zu – welche Kompromisse mussten für Amazon eingegangen werden?

In der Serie wird eine Entwicklung zu sehen sein. Es werden also nicht direkt alle Regeln gebrochen, um den Zuschauer erst einmal an die Marterie heranzuführen. Es gibt aber immer noch viele Situationen, die wir einfach nicht mit voller Härte im Fernsehen zeigen können. Die kreative Freiheit ist hier schlicht limitiert, während diese in Comics, meinem Ursprungsmedium, normalerweise endlos ist.

Welche Genugtuung verspüren Sie darüber, dass Amazon diesen Deal mit Ihnen gemacht hat, nachdem der "The Boys" Comic für DC 'too much' wurde?

Eines der besten Dinge, die dieser Comic-Reihe passieren konnte, war die Entscheidung von DC. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Idee, die ich mit "The Boys" ausdrücken möchte, keine langfristige Überlebenschance bei DC gehabt hätte. Dafür habe ich nun, zunächst bei unserem neuen Publisher Dynamite und nun mit der Verfilmung bei Amazon, einen guten Vergleich. 

Wieso kam es eigentlich zu keiner Zusammenarbeit bei der Netflix-Serie "The Punisher" – eine Figur, die Sie stark geprägt haben?

Mir gehört der Punisher nicht, also hatte bei Marvel oder der TV-Show niemand die Verpflichtung, mich deswegen kontaktieren zu müssen. Wer die Sendung kennt, weiß, dass die Umsetzung von Netflix nicht viel mit meinen Visionen zu tun hat. Offensichtlich brauchte man meine Meinung also nicht. 

Und wie groß war ihr Mitspracherecht bei der Umsetzung von "The Boys“?

Ich wurde anfangs um Anmerkungen gebeten, habe dann aber eigenständig lieber auf der Rückbank Platz genommen. Wirklich, ich möchte die Show sich selbst entwicken lassen, so wie sich der Comic selbst entwickelt hat. Die Geschichte, so wie ich sie erzählen wollte, wurde bereits erzählt. 

Welche Schwierigkeiten gab es bei der Verfilmung und was ist besser gelungen, als Sie es sich am Anfang gedacht haben?

Die größte Schwierigkeit blieb, dass die Einzigartigkeit der Gewalt und Sexualität in "The Boys" noch nicht zu 100 Prozent auf das Publikum losgelassen werden kann und hier Stellschrauben gedreht werden mussten. Was mir am besten gefällt, ist der Cast. Er hätte nicht besser besetzt werden können.

Der Comic  war offensichtlich schwer zu verfilmen: Warum fiel die Entscheidung von Amazon überhaupt auf dieses Projekt und nicht auf einen ihrer anderen Comics?

Die Frage habe ich Amazon noch nicht gestellt. Ich bin aber der Meinung, dass Hollywood stets auf der Suche nach guten Produkten ist und schon mehrere meiner Projekte in Konferenzräumen besprochen wurden - vielleicht kommt da ja noch was. 

In "The Boys" geht es ihren Helden wie gesagt an den Kragen. Wenn Sie die freie Wahl hätten: Welchen Superhelden würden Sie gerne mal in einem Comic zugrunde richten?

Um ehrlich zu sein, finde ich Superhelden heutzutage unsäglich langweilig und denke kaum noch über sie nach. Ich würde also keinem diese Ehre erweisen. 

Mr. Ennis, vielen Dank für das Gespräch!