Vox will sich in den nächsten vier Wochen am späten Dienstagabend Tabuthemen widmen. Dazu hat man Reporterin Pia Osterhaus einige Monate lang recherchieren lassen. Herausgekommen sind Stücke zu den Themen Fremdgehen, Körperkult, Armut und Alkohol. Osterhaus kennt sich mit intensiven TV-Recherchen aus, hat sie doch auch schon für "Team Wallraff" gearbeitet. Ihr erstes eigenes Format ist solides Handwerk, bei dem man zum Auftakt auch das ein oder andere Mal unfreiwillig Schmunzeln muss. 

Etwa dann, wenn Osterhaus ihre Recherche zum Thema Fremdgehen auf einem Dating-Portal startet und dann ehrlich geschockt ist, was sie da so für Nachrichten bekommt. Osterhaus kündigte bereits im Vorfeld an, nicht nur mit anderen Menschen reden zu wollen, sondern Dinge auch selbst auszuprobieren. Natürlich nicht das Fremdgehen an sich. Aber die Reporterin schreibt mit verheirateten Männern und trifft auch zwei von ihnen. Der eine trägt den klangvollen Namen "Trockenrasur80".

Als Osterhaus sich auf dem Portal anmeldet und ihre erste Gehversuche dort macht, ist es etwas ungewöhnlich, dass ihr Kameramann immer mit ihr redet, ohne selbst im Bild zu sein. Das legt sich aber schnell, zumal auch er sich ein Profil machen muss, um zu schauen, wie Frauen sich im Internet geben. Gleiches Recht schließlich für alle. Tatsächlich trifft auch er eine verheiratete Frau. Diese Treffen sind aber meist recht unspektakulär und laufen nach dem gleichen Muster ab. Die Männer bzw. Frauen werden ausgefragt, wieso sie Sex außerhalb ihrer Beziehung suchen und alle geben an, dass durch den Alltag die Luft raus sei. 

"Pia - Aus nächster Nähe" ist aber vor allem deshalb sehr angenehm, weil mehrere Perspektiven beleuchtet werden. So arbeitet die Reporterin zwei Tage in einem Bordell als Kellnerin und kommt so mit Freiern und Prostituierten ins Gespräch. Außerdem trifft sie auch eine Frau, die von ihrem Mann betrogen wurde und sich danach fast das Leben genommen hätte. Als Osterhaus schließlich mit ihr zum Ort ihrer Therapie zurück reist, ist es einer der stärksten Momente der Auftaktfolge. 

Sendeplatz gut gewählt

Osterhaus schaut sich in Dresden auch noch sogenannte "Seitensprung-Zimmer" an und spricht mit Paartherapeuten. Es ist diese große Anzahl an Menschen und Experten, die die Sendung so abwechslungsreich macht. Die Erkenntnisse sind zwar nicht immer sehr tiefschürfend, die Gesprächspartner vermitteln aber einen guten Eindruck der Gesamtsituation. "Pia - Aus nächster Nähe" ist schließlich nicht angetreten, um den Status Quo zu verändern. Osterhaus will den aktuellen Zustand beschreiben. Dennoch ist es vielleicht nicht die beste Voraussetzung, wenn man am Ende mit den Therapeuten spricht und feststellt: "Ich habe mit so vielen Leuten gesprochen und die erzählen alle das gleiche." Aber das weiß man ja meist erst, wenn man die Recherche schon durchgeführt hat. 

Der Sendeplatz am späten Abend ist jedenfalls gut gewählt. Die Reportage-Reihe ist vermutlich nicht laut genug, um früher ein großes Publikum anzusprechen. Dafür nimmt man alle Protagonisten ernst und führt sie nicht vor, das war von einem Vox-Format aber ja ohnehin nicht zu erwarten. "Wir rücken an keiner Stelle irgendwen in ein komisches Licht. Im Gegenteil: Es ist ja mutig, damit mit persönlichen Themen ins Fernsehen zu gehen. Wir legen bei diesen Themen großen Wert auf eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit", erklärte Osterhaus vorab in einem Interview. 

Osterhaus hebt sich ab

Durch diese etwas ruhigere und ernstere Art hebt sich Pia Osterhaus auch erkennbar von anderen, vielleicht ähnlichen Formaten im Fernsehen ab. Jenke von Wilmsdorff etwa setzte in der Vergangenheit auf laute Selbstversuche, die teilweise für Empörung oder zumindest große Boulevard-Schlagzeilen gesorgt haben. Damit kann "Pia - Aus nächster Nähe" eher nicht aufwarten. Auch langjährige juristische Auseinandersetzungen wie bei "Team Wallraff" sind eher nicht zu erwarten.

Die Unterschiede zu diesen Formaten hat infoNetwork, das für alle drei Produktionen verantwortlich zeichnet, gut herausgearbeitet. Damit besitzt die neue Reportage-Reihe ein gewisses Alleinstellungsmerkmal und hat trotzdem eine starke Protagonistin. In jedem Fall steht Vox dieses Format mit einer jungen weiblichen Journalistin gut zu Gesicht. Osterhaus hat durchaus das Zeug dazu, sich mit ihrer lockeren und unverkrampften Art langfristig im Programm der Kölner zu etablieren. Gerne auch weiter mit verschiedensten Themen und Selbstversuchen und gerne dann auch eine Nummer leiser als einst Jenke von Wilmsdorff. 

Vox zeigt zunächst vier Ausgaben von "Pia - Aus nächster Nähe" immer dienstags ab 22:15 Uhr.