*** Achtung: Es folgen Spoiler zur letzten Staffel und zur finalen Folge von "Game of Thrones" ***

Contra: Wie die beste Serie der Welt verhunzt wurde

von Kevin Hennings

Kevin Hennings© DWDL.de

Trennungen gehen selten schön aus. Die eine Person liebt zum Ende weitaus mehr, als diejenige, die Schluss macht. Bei Fernsehserien, sollte zumindest gemeint werden, möchte sich aber doch jeder noch einmal innig umarmen, ehe die gemeinsame Geschichte der Vergangenheit angehört. David Benioff und D.B. Weiss verhielten sich ungeachtet dessen wie der genervte Partner, der er es kaum erwarten konnte, dass das 17-jährige Kind endlich volljährig wird, damit es das Haus verlässt und man sich endlich von seiner einstig geliebten Eheserie trennen kann. Mit "Game of Thrones" wurde auf ganz traurige Weise per WhatsApp Schluss gemacht, ohne Emojis und Zeichensetzung.

Mit anständigem Writing hatten es Benioff und Weiss einfach nicht mehr. All das, was sie seit 2011 zusammen auf die Beine gestellt haben, wurde von Champions League-Niveau auf grobschlächtigen Kreisligakick reduziert, einfach weil sie keine Lust mehr hatten. HBO wollte offenkundig weiter machen, auch Schöpfer George R.R. Martin meinte, dass es locker in eine zweistellige Staffelanzahl hätte gehen können. Benioff und Weiss aber wollten ihr Leben wieder und mit dem Projekt abschließen, das ihren gesamten Alltag einnahm. Außerdem müssen sie sich nun auf den nächsten "Star Wars"-Film konzentrieren, für den sie hinter der Kamera stehen werden. Zufall? 

Ist doch scheißegal. Wie auch immer der Grund für die Entscheidung eines übereilten Endes aussieht: David Benioff und D.B. Weiss, danke und schämt euch. Danke für die ersten sechs Staffeln, in denen ihr Herzblut und Detailliebe bewiesen habt. Doch auch ganz viele böse Blicke dafür, dass ihr euer Baby so abweisend beerdigt habt, anstatt es in bessere Hände zu geben. Es hätte sicherlich eine Menge fähiger Filmemacher gegeben, die "Game of Thrones" würdig und geduldig fortgeführt hätten.

Ihr Egoismus hat jedoch dafür gesorgt, dass die "Lange Nacht" kürzer wirkte, als bei einer typischen Winterzeitumstellung in Deutschland. Apropos Winter: Ist er gekommen? Wie viel weniger Schneeflocken hatte Winterfell denn vorher? Eine Farce, die nur in der Mythenzerstörung des Night Kings gesteigert wurde. Da wird etliche Staffeln lang eine Bombast von Geschichte und Lore aufgebaut, nur um dann alles in lauwarmen Drachenfeuer in Luft aufgehen zu lassen. Bran Starks nebulöser Blick sagt alles.

Natürlich stellt sich die Frage, ob "Game of Thrones" überhaupt ein würdiges Finale hätte liefern können, bei all dem Druck. Absolut, ja. Die Antwort darauf ist gar nicht schwierig, da die letzten zwei "Game of Thrones"-Staffeln ein Exempel dafür statuiert haben, wie es aussieht, wenn wirklich alles passt, nur das Drehbuch nicht. Aus einer perfiden roten Hochzeit, die durch und durch Sinn machte und sich dennoch verstörend ins Gehirn brannte, wurde ein Jaime Lannister, dessen gesamte sieben Staffeln Charakterentwicklung vor die Hunde geht, weil er urplötzlich doch wieder horny auf Cersei ist. War Brienne wirklich so mies im Bett? Es war ihr erstes Mal, gottverdammt.

Es ist Frust, der sich in einem jeden Fan breit macht, der jahrelang die wildesten Theorien gelesen und studiert hat. Es ist ganz viel Hass im Bauch, weil ausgerechnet die Showrunner das Feuer verloren haben, welches Daenerys über Kings Landing regnen lies. Dabei spielt es auch nur eine untergeordnete Rolle, dass sich die finale Folge noch einmal ordentlich zusammenreißt. Ja, "Game of Thrones" durfte genau so enden. Der Abgang des eisernen Thrones war poetisch und bittersüß zugleich. Und zur Hölle, Jon hat endlich Ghost gestreichelt. Da der Weg jedoch stets auch das Ziel ist, wurden die Fehler längst vorher begangen. Was sagen wir zum Gott der Perfektion? Not today.

Pro: Ein würdiges Finale, die Kritik ist übertrieben

von Timo Niemeier

Timo Niemeier© DWDL.de
Heute Nacht habe ich einen echten Marathon beendet. Wenn ich in den zurückliegenden vier Wochen Serien geschaut habe, dann lief meist "Game of Thrones". Ich habe erst Mitte April mit Staffel eins angefangen und war schnell fasziniert von den Intrigen und Machtkämpfen rund um den eisernen Thron. Was andere Leute also über mehrere Jahre hinweg gesehen haben, schaute ich innerhalb eines Monats. Auch mir ist dabei aufgefallen, dass es gerade in den letzten beiden Staffeln oft sehr schnell voran ging und die Geschichten regelrecht nach vorne gepeitscht wurden, die ablehnende Kritik vieler Fans halte ich dennoch für übertrieben. Seinen wahren Kern hat "Game of Thrones" nämlich nie verloren.  

Ehrlich gesagt bin ich froh, dass sich die Macher dagegen entschieden haben, die Serie ewig in die Länge zu ziehen. "Game of Thrones" ist nie zu einer Art "The Walking Dead" geworden, wo man mitunter ja das Gefühl hat, die Verantwortlichen würden eine längst gemolkene Kuh immer weiter melken wollen. "Game of Thrones" war nie vorhersehbar und ich bin froh, dass das auch in der finalen Staffel nicht so war. Auch die angeblich fehlende Charakterentwicklung, die viele Kritiker entzürnt, kann ich nicht so recht nachvollziehen. Nehmen wir das Beispiel Daenerys: Sie wurde scheinbar von der netten Eroberin zur wilden Furie, die auch nicht davor zurückschreckt, Unschuldige zu töten. Dabei konnte man schon früher oft genug sehen, wie eiskalt und berechnend sie manchmal sein kann. Dass sie im Finale von Jon getötet wurde, war daher nur eine folgerichtige Entscheidung der Macher, die so noch einmal für einen epischen Moment ganz zum Schluss gesorgt haben. Es war ein würdiges Finale, das auch für einige zu schnell abgehandelte Momente in den vergangenen zwei Staffeln entschädigte. 

Auch der Abgang von Cersei Lannister in der vorletzten Folge hat mir gefallen. Ich dachte bis zum Schluss, sie würde noch irgendeine Geheimwaffe in der Hinterhand haben. Hatte sie dann nicht. Über acht Staffeln hinweg hat sie sich in Dinge verrannt und bis zum Schluss hat sie geglaubt, sie würde gewinnen, nur weil sie die Königin ist. Die Macher haben eine so verzweifelte Figur gezeichnet, die am Ende an ihrem eigenen Wahn gescheitert ist - ein starkes Ende. Auch dass ihr Bruder im letzten Moment bei ihr ist, weil er sie immer über alles geliebt habt, fand ich nach der Entwicklung der Figur Jaime logisch. Und noch einmal kurz zum Finale: Bran am Ende der König, ein freier Norden und Jon findet vermutlich sein Glück mit dem freien Volk jenseits der Mauer. Dieses Finale hatte alles, was ich mir gewünscht habe - und noch mehr. 

Die Verantwortlichen von "Game of Thrones" sind zum Schluss einfach nur Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. So oder so wäre es unmöglich gewesen ein Finale zu schaffen, mit dem alle Fans zufrieden gewesen wären. Die Erwartungen, die man in den vergangenen Jahren aufgebaut hat, waren einfach zu groß, um sie vollumfassend zu erfüllen. Überhaupt muss man die Kritik ja relativieren. Wenn Journalisten heute schreiben, "die Fans" würden die letzte Staffel hassen und ihren Artikel dann mit ein paar Tweets untermauern, ist das vielleicht eine schnell geschriebene Geschichte, viel auseinandersetzen muss man sich mit der Serie und ihren Fans dafür aber nicht. 

Letztendlich hat die letzte Staffel von "Game of Thrones" noch einmal Top-Quoten geholt, in Deutschland wie in den USA. Und auch die vielen Diskussionen zeigen, dass die Macher vieles richtig gemacht haben. Wenn sich niemand aufregt, wäre es auch keine Serie, die in die Geschichte eingehen würde. Ich denke, das Finale wird viele Fans für die aus ihrer Sicht schwachen letzten beiden Staffeln entschädigen. Die Diskussionen zeigen: Die Fans lieben "Game of Thrones" und diskutieren leidenschaftlich gerne über diese großartige Serie. Und wahrscheinlich haben auch viele schlicht die Angst, dass jetzt erst einmal nichts mehr nachkommt, was auch nur annähernd mit "GoT" mithalten kann. Das macht die Serie so einzigartig - auch über das Finale hinaus. Und seien wir ehrlich: So verschroben wie bei "Lost" war es bei "Game of Thrones" nie.