Würde die Zeitumstellung nicht ohnehin abgeschafft, hätte ich noch ein gutes Argument gegen sie, denn in der Nacht zum Sonntag hat sie mir eine komplette Folge von "Medical Detectives" geklaut. In der Folge liefen im Vox-Nachtprogramm zwischen 0.15 Uhr und 5.10 Uhr nur fünf Episoden von "Medical Detectives", normal sind für mich am Wochenende doch eher sechs. Das verhagelt natürlich die Siebentagesbilanz von "Medical Detectives", denn in der am Samstag gestarteten Programmwoche kommt die Reihe nur auf 37 Einsätze im Vox-Programm.

Natürlich weiß der Sender um die Not, die er zu bewirtschaften hat und versucht ihrer Herr zu werden durch den Einsatz von sieben Folgen "Medical Detectives" in der Nacht zum Montag. Trotzdem bleibt die Bilanz bescheiden. Lediglich 37 Folgen. Wie soll ich damit leben? In der Vorwoche waren es bei Vox noch 39 gewesen, die fünf Prime-Time-Einsätze bei Nitro gar nicht mitgerechnet.

Für mich sind Nächte mit weniger als fünf Wiederholungen von "Medical Detectives" quasi ungültig. Ich brauche diese wunderbaren Geschichten von geheimnisvollen Morden, die ungelöst geblieben wären, hätten sich nicht tapfere Forensiker in die Wissenslücke geworfen und die bösen Mörder durch das Auffinden eines winzigen Drahts oder einer im Schutt versteckten DNA überführt. Lebenslange Strafen sind die Regel am Ende der "Medical Detectives"-Folgen. Fast immer siegt die Gerechtigkeit, weil der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke herausgefunden hat, dass das Entwicklungsstadium der auf der Leiche gefundenen Schmeißfliegen und Maden auf einen Todeszeitpunkt am Dienstag zwischen 3.45 Uhr und 3.47 Uhr hinweist.

Natürlich hat nicht Mark Benecke das herausgefunden. Es waren irgendwelche Kriminalwissenschaftler in Amerika, die da zur Aufdeckung der Missetaten beigetragen haben. Aber Mark Benecke erklärt es dann noch einmal für die deutschen Zuschauer.

Wie überhaupt bei "Medical Detectives" sehr viel erklärt wird. Immer wieder wird nach einer winzigen Pause rekapituliert, worum es geht, worum es gerade ging, was natürlich dem Umstand geschuldet ist, dass die Folgen in den USA alle Naselang von Werbung unterbrochen werden und danach der Faden neu aufgenommen werden muss.

Doch die verzwickten Fälle sind nicht einmal das Großartigste an den "Medical Detectives"-Folgen. Es ist vielmehr dieser unglaubliche Flow, der sich ergibt, wenn man einmal in eine Folge hineingeraten ist. Da nimmt man sich vor, schnell wegzuzappen, wenn der Fall aufgelöst ist. Aber wenn der dann aufgelöst ist, hakt sich schon der nächste Fall ein und dann der übernächste und dann der überübernächste. So lange, bis es draußen wieder hell wird oder die letzte der nächtlichen Folgen vom Sender geht.

Das ist echter Flow, wenn man nicht mehr merkt, wann eine Sendung zu Ende geht und die nächste anfängt, wenn eine supersonore Stimme sich als Schleppnetz in die Ohren legt und alle Aufmerksamkeit an sich bindet, wenn die Werbung geschickt so gesetzt wird, dass man wie bei einem guten Quiz dranbleibt, um die Antwort auf die just in diesem Moment eminent wichtigen Fragen zu erfahren. Wenn man wissen will, was Fernsehen zwingend macht, dann schaue man mal eine Nacht "Medical Detectives".

Wer braucht Abwechslung, wenn er immer das Gleiche haben kann. Wer braucht "The Big Bang Theory" in Dauerschleife, wenn er "Medical Detectives" haben kann, die nächtliche Geisterbahn mit garantierter Erlösung am Schluss. Die ist nicht nur in Sachen Ausstrahlungsfrequenz ein Knaller.

Gut, wenn man "Das Familiengericht" mag, wird man bei RTLplus noch besser bedient. 56 Ausgaben in der vergangenen Programmwoche sind schon eine Marke. Auch 42 mal "Das Jugendgericht" ist ein Knaller. Da können selbst die "Medical Detectives" mit ihrer hohen Frequenz nicht mithalten. Obgleich ich mir nicht wirklich vorstellen will, dass irgendjemand "Das Familiengericht" oder "Das Jugendgericht" mag. Und wenn es solche Menschen gibt, dann will ich sie niemals kennenlernen.

Das Schöne an "Medical Detectives" ist aber nicht allein das Quiz und der Flow, das Schöne ist auch der Look der späten 90er Jahre und des beginnenden Jahrtausends. Wie jung und vergleichsweise schwach tätowiert Mark Benecke damals aussah. Und dann die Frisuren der Opfer, die in der Regel ja aus der Zeit vor der Aufzeichnung stammen, manchmal aus den 80ern, jenem furchtbaren Jahrzehnt, in dem Frauen und Männer ihr Langhaar so drapierten, dass es aussah, als sei auf ihrem Kopf gerade ein Vulkan explodiert.

Dazu kommen die Polizisten, die alle echt sind, ebenso wie die Verbrecher, die wirklich im Bild zu sehen sind, weil man es in Amerika mit dem Datenschutz von Verdächtigen und Verurteilten nicht so hat. Die würden alle in jeder "Fargo"-Folge ein prima Personal abgeben und an den optischen Grusel jener schlimmen Tage erinnern.

All das bietet "Medical Detectives", die Lieblingsserie aller Schlafwandler, die nachts die Unruhe packt. "Medical Detectives" ist ein prima Sedativum und ein echter Aufputscher zugleich. Man kann sich quasi aussuchen, welche Wirkung man aus dieser Reihe destillieren möchte.

Um es kurz zu sagen: Ein Leben ohne "Medical Detectives" ist vorstellbar, erscheint aber letztlich als wenig sinnvoll. Danke Vox.