Vorab möchte ich all jenen Kollegen mein Beileid aussprechen, die durch die so genannten Restrukturierungsmaßnahmen der Funke Mediengruppe ihren Job verlieren. Es werden, folgt man der in der vergangenen Woche rausgegangenen Pressemitteilung, so einige sein. Diese Menschen tun mir nicht nur deshalb leid, weil sie ihr Leben neu strukturieren müssen. Ihnen wird gleichzeitig auch noch von der Geschäftsleitung attestiert, dass sie in Wahrheit eine schwere Last waren, weil ohne sie nun alles besser wird. So macht man das im deutschen Verlagswesen. Man wirft Menschen raus und schleudert ihnen dann noch Dreck hinterher.

Natürlich sagt niemand, dass man jene, die nun gehen müssen, für überflüssige Minderleister hält. Nein, ganz so blöd sind die Chefs auf der Geschäftsführer-Etage im gerade eingeweihten Essener Protzbau entgegen naheliegender Vermutungen dann doch nicht. Sie schwurbeln lieber. "Wir schaffen ein Umfeld, in dem unabhängiger und professioneller Regional- und Lokaljournalismus gedeihen kann", heißt es. In dem Umfeld sind allerdings einige nicht mehr erwünscht.

Das erinnert fatal an frühere Pressemitteilungen aus Essen, als die damals noch WAZ genannte Mediengruppe deutlich machte, dass sie quasi das Ei des Kolumbus für sich entdeckt hatte und fortan viel, viel besseren Journalismus mit viel, viel weniger Leuten machen würde.

Der Zynismus hinter den Leerformeln war schon damals unüberlesbar. In jenen Tagen wurde der so genannte Content Desk eingeführt und das Online-Portal "Der Westen" als Ultima Ratio der digitalen Zukunft gefeiert. Schaut man heute mal auf die einst hochgelobte Seite, wähnt man sich sofort in der Klickpuffhölle, wo verlorene Seelen Meldungen generieren, die andere verlorene Seelen zum Weiterklicken animieren sollen. Tun sie das, finden sie in der Regel einen Informationsgehalt vor, der sich gefährlich dem Nullwert nähert - man weiß halt oft nur nicht von welcher Seite.

Das muss man im Hinterkopf haben, wenn man den neuen Essener Großsprech hört. Dort gibt es jetzt eine "Stabsstelle Digitale Transformation". Die soll, wieder mal, Wunder bewirken. "Hier geschieht nicht weniger als eine Kulturrevolution: Die Standorte entscheiden und priorisieren gemeinsam, was wann wie geschieht, und liefern dann schnell Resultate. Das ist eine Blaupause für uns: 2022 soll die gesamte Mediengruppe agil 'ticken'", sagt Ove Saffe, der für das Zeitungsgeschäft zuständige Geschäftsführer.

Wer schreibt dem so etwas in die Pressemitteilung? Solch einen gequirlten Hühnerbrei. Wie soll irgendjemand, der diesen Dünnpfiff liest, annehmen, dass die Manager, die so etwas durchgewinkt haben, zu mehr fähig seien als den Hof zu fegen? Und was denken die armen Funke-Menschen, die beim Konzern verbleiben, wenn sie demnächst auf der Straße darauf angesprochen werden, wie agil sie ticken? Agil tickt gut, oder was?

Zum agilen Ticken gehört auch, dass die Berliner Zentralredaktion künftig ohne die Service-Ressorts auskommen muss. Die werden ausgelagert und dürfen separat agil ticken. "Allerdings werden wir von Berlin aus künftig straffer und standardisierter die Regionaltitel beliefern", sagt Saffe dann noch. Für einen agilen Ticker wie mich hört sich das nach noch mehr Gleichmacherei an. Es wird also weiterhin viele Zeitungstitel geben, allerdings steht dann in allen dasselbe.

So wie in den Pressemitteilungen, die sich gefährlich ähneln. Es ist noch keine zwei Wochen her, da vermeldete der Handelsblatt-Verlag, dass man durch das Engagement einer neuen Personalentwicklerin einen Kulturwandel forcieren will. Auf den Kulturwandel folgt dann wie logisch eine Woche später die Kulturrevolution bei Funke. Das zeigt mir einmal mehr, wie gestrig mein agiles Zentrum tickt, denn bei Kulturrevolution muss ich immer an den Massenmörder Mao Zedong denken. Kleines Dummerchen, ich.

Es mag ja sein, dass es in der Zeitungsbranche scharfe Einschnitte geben muss, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Das ist wie mit den Geschäften. Eins macht auf, eins macht zu, und dann macht wieder eins auf. Wandel halt.

Ich frage mich nur, ob man solche Erkenntnis nicht auch ein bisschen ehrlicher kommunizieren könnte und nicht stattdessen eine Sprache gebraucht, aus der man ebenso gut auch Nebelbomben hätte fertigen können. Ständig ist von Verbesserung die Rede, wo eigentlich Kürzung gemeint ist. Laufend redet irgendwer von Fokussierung, wo es in Wahrheit um Stellenstreichung geht. Der größte Hohn klingt dann noch durch, wenn man sich bei Menschen, die man feuert, blumig bedankt und ihnen ein segensreiches Weiterwirken woanders wünscht oder wahrheitswidrig betont, sie stünden dem Verlag künftig beratend zur Seite.

Ich habe kürzlich bei der Besprechung der SWR-Verleger-Serie "Labaule und Erben" bemängelt, dass dort mit dem Wording der Branche pausenlos Buzzword-Tennis gespielt und an einem Stück breiig geschwafelt wird. Ich fand das in der Serie alles sehr stark übertrieben.

Wie naiv ich doch war. Lese ich nun den Funke-Schwall oder die Handelsblatt-Ausdünstungen, muss ich Abbitte bei der Serie und ihren Machern leisten. Es tickt alles noch viel schlimmer, viel verderbter, viel agiler. Sorry, SWR.