Fällt man sein Urteil auf Basis der Hardware, dann muss es der TV-Industrie prächtig gehen. Beim Rundgang durch die schier endlosen Messehallen von Las Vegas fallen die ebenso riesigen wie hauchdünnen Fernsehgeräte ins Auge. Diese Smart-TVs werden von ihren Herstellern als hochauflösender und intelligenter denn je angepriesen. 8K heißt der neue Top-Standard, der 16-mal so viele Pixel wie Full-HD und die vierfache Auflösung verspricht. Inhalte gibt es dafür noch nicht, wenn man von einem laufenden Testbetrieb des japanischen Fernsehens NHK absieht. Deshalb soll die eingebaute künstliche Intelligenz herkömmliches Bildmaterial je nach dessen Beschaffenheit aufhübschen und hochrechnen. Gerade mal 430.000 solcher Geräte oder 0,02 Prozent aller Verkäufe weltweit dürften 2019 laut IHS Markit in den Wohnzimmern landen.

Wesentlich größere Auswirkungen auf die Praxis haben neue Schnittstellen und Partnerschaften, die erstmals herstellerübergreifend zum guten Ton gehören. Ob Samsung, LG oder Panasonic: Wer bei seinen 4K-Ultra-HD-Geräten bislang nur einen digitalen Sprachassistenten an Bord hatte, lässt seinen Kunden künftig zumindest die Wahl zwischen Amazon Alexa und Google Assistant. Auch für Apple AirPlay ist die neue Smart-TV-Generation zum ersten Mal kompatibel. "Der entscheidende Mehrwert liegt heutzutage nicht mehr in der einzelnen funkelnden Produkteinführung, sondern in der möglichst weitreichenden Konnektivität", sagt Strategieberater und CES-Veteran Shelly Palmer.

Deutlich komplexer fallen die Antworten aus, wenn man auf der CES nach den künftigen Geschäftsmodellen derjenigen fragt, die ihr Geld mit der Produktion und Distribution von Inhalten für die eindrucksvollen Bildschirme verdienen. Von einer "content exhaustion" – also Erschöpfung aufgrund des Überangebots – spricht Ted Schilowitz, Futurist in Residence beim Hollywood-Studio Paramount Pictures, angesichts von rund 500 US-Serien pro Jahr. Früher oder später werde es zu einer Konsolidierung des Markts kommen. Auch Laura Martin, Analystin der US-Investmentbank Needham & Company, rechnet mit Insolvenzen und damit, dass "mittelfristig eine Handvoll globaler Content-Anbieter übrig bleiben, die dann die Preise bestimmen können". Spannend werde es in der zweiten Jahreshälfte, wenn mit Disney und WarnerMedia die "größten Direct-to-Consumer-Marketer der Welt" in den SVoD-Markt einsteigen, den Netflix mit "enormen Investitionen, aber beschissenem Marketing" für seine einzelnen Inhalte dominiere.

Als Produzent für Dritte könne man vom OTT-Boom durchaus profitieren, bekräftigte Viacom-CEO Bob Bakish beim "Variety Entertainment Summit" in Las Vegas. Als Beispiele nannte er "Jack Ryan" für Amazon Prime, "Maniac" und "To All the Boys I've Loved Before" für Netflix – allesamt von Paramount Television produziert, das seinen Output im laufenden Geschäftsjahr von neun auf 16 Serien und seinen Umsatz um 50 Prozent steigern werde.

"Gleichzeitig müssen auch wir mit unseren eigenen Sendermarken neue Wege gehen", so Bakish. "Wundern Sie sich also nicht, wenn MTV und Comedy Central in immer mehr internationalen OTT-Paketen auftauchen." Als Referenz diene der Streaming-Dienst Paramount+, der in Skandinavien in Kooperation mit mehreren Telko-Anbietern exklusive Pay-TV-Fenster der neuesten Filme des Studios mit 800 Folgen populärer MTV- und Comedy-Central-Programme kombiniere.

CES 2019 / Alex KurtzmanEinen großen Druck habe er verspürt, mit seiner Serie "Star Trek: Discovery" die OTT-Plattform CBS All Access anschieben zu müssen, berichtete Showrunner Alex Kurtzman: "Wenn man irgendwas mit 'Star Trek' macht, muss man immer die Furcht haben, dass langjährige Fans das ablehnen könnten. Erst recht aber, wenn man fünf bis zehn Dollar im Monat zahlen muss, nachdem alle vorherigen 'Star Trek'-Serien im Free-TV liefen." Der Erfolg der ersten Staffel sorgte nicht nur dafür, dass "Discovery" am 17. Januar in den USA, einen Tag später weltweit bei Netflix, in die nächste Runde geht. Kurtzman bereitet auch vier weitere neue Serien aus dem "Star Trek"-Universum vor, darunter die Animations-Comedy "Star Trek: Lower Decks" von "Rick and Morty"-Macher Mike McMahan und eine noch unbetitelte Captain-Picard-Erzählung, für die er Patrick Stewart zur Rückkehr in die ikonische Rolle überreden konnte.

Größtes Hype-Thema der diesjährigen CES neben AI (Künstliche Intelligenz) ist der neue Mobilfunkstandard 5G, der ungekannte Bandbreiten von bis zu 20 Gigabit pro Sekunde sowie eine Latenz nahe Null verspricht. Konsumenten sollen damit etwa in der Lage sein, Videoinhalte quasi ohne Verzögerung zu streamen. Dauert der Download eines zweistündigen HD-Films über 4G LTE noch fünf bis sieben Minuten, so braucht er künftig ganze drei bis vier Sekunden. Die ersten 5G-Smartphones sollen in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Für Inhalteanbieter werde dies einen "Sprung in frische Märkte" ermöglichen, so Michael Kassan, CEO der Strategieberatung MediaLink. Sein Kollege Shelly Palmer, CEO der Palmer Group, sieht dank 5G schon ein neues Geschäftsmodell fürs Fernsehen der Zukunft am Horizont: "Mobilfunkprovider könnten ihren Kunden den Datentarif inklusive TV-Paket fürs heimische Wohnzimmer verkaufen, quasi TV as a Service (TVaaS)." Auf Kabel, Satellit oder DSL, so Palmer, könne man dann getrost verzichten.