Was hätte das für eine tolle Serie werden können. Eine über Journalismus in der Krise, über mittelgroße Verlagshäuser mit Großmannssucht, über durchgeknalltes Management mit Buzzword-Durchfall, über den galoppierenden Unsinn von Journalistenpreisen und über durchgeknallte Provinzgrößen, die sich jedem Kontakt mit der Realwelt verweigern; eine Serie mit subtilen Anspielungen, mit feinen aktuellen Bezügen und einer sich über die Details wölbenden Bedeutung fürs Große und fürs Ganze.

Was ist es geworden? Ein sechsteiliges Boulevardbauerntheater, bei dem man sehr, sehr lange braucht, bis man drin ist, bis man sich nicht mehr aufregt über die Art und Weise, wie hier reichlich vorhandenes Gedankengut verschleudert wird, wie aus so vielen guten Zutaten kein exzellentes Menü entsteht, sondern eine zähe Süßsauersoße, angerührt mit jeder Menge Glutamat, auf dass man schon nach dem ersten Löffel am liebsten eine Klinik für betreutes Erbrechen aufsuchen möchte. Was hätte das für eine tolle Serie werden können.

Als der große Verleger Labaule und sein Sohn bei einem Segway-Unfall ums Leben kommen, muss der Schöngeist aus der Familie ran. Wolfram Labaule dümpelt aber am liebsten auf einer Luftmatratze im Familienpool und hat vom Verlagsgeschäft so viel Ahnung wie Pietro Lombardi von Kant. Trotzdem fühlt er sich berufen, es als Verleger zu versuchen und in die Fußstapfen seines auch posthum immer noch übermächtigen Vaters zu treten. Dass dabei natürlich nicht nur manches, sondern fast alles schief geht, versteht sich von selbst. Deutsches Fernsehen halt. Nur keine Andeutungen, her mit dem Dampfhammer. Sonst versteht das der Zuschauer nachher nicht.

Harald Schmidt hatte die Idee zu dieser Serie und sie auf ein paar Din-A-4-Seiten skizziert. Angeblich hallte bei der Eingebung ein Treffen mit Alfred Neven DuMont nach, dem inzwischen verstorbenen Kölner Medienmogul, dessen Unternehmen ja vor einigen Jahren so seine Schwierigkeiten hatte mit einem aus der Art geratenen Verlegersohn, der im Internet irrlichterte und irgendwann generös abgefunden wurde.

Das Drehbuch zur Serie haben dann aber andere als Schmidt geschrieben. Ein fünfköpfiges Autorenteam hat quasi die Ideen des einstigen Late-Night-Großmeisters eingeatmet und dann versucht, etwas zu gebären, das dem Geist des Schöpfers gerecht werden könnte. Man muss das so formulieren, weil vieles im Film so riecht, als sei es geschrieben worden, um Schmidt zu befriedigen, um sein Lob einzuheimsen, um im Schatten seiner verblichenen Größe etwas Farbe abzubekommen.

Da wird munter durchdekliniert, was dem Meister einst als Standup-Material für zwei Jahre getaugt hätte, und wenn man der Produktion etwas Positives bescheinigen möchte, dann ist das auf jeden Fall ein enormer Fleiß. Es wimmelt von Pointen und seherischen Momenten. Gerade mit Blick auf den Relotius-Fall beim Spiegel muss man dieser Serie nachgerade prophetische Fähigkeiten attestieren. Wüsste man nicht, dass sie schon lange abgedreht war, als der Texterfinder aufflog, hätte man sie ohne weiteres als Reaktion auf eben diesen Skandal verstehen können.

Man kann „Labaule & Erben“ ohne weiteres auch als Sittenbild der Branche, als treffende Diagnose der wirtschaftlichen Verhältnisse im Verlagsgeschäft verstehen. „Der Journalismus ist so tot wie dein Vater und dein Bruder“, sagt Wolframs Mutter in der ersten Folge zu ihm. Sie will den Laden verramschen, er nicht. In der Folge wird dann ein Intrigenstadl veranstaltet, der Shakespeare-artige Ausmaße annimmt. Da versucht die Mutter den Sohn auszutricksen, indem sie dessen Filius als nützlichen Idioten und Firmenkiller vorschickt, und in seiner Hilflosigkeit ruft der hilflose Wolfram immer mal wieder beim verstorbenen Papa an, landet aber stets auf der Mailbox, die er dann vollquatscht. Das ist derart gewollt, dass es schmerzt.

Labaule & Erben© SWR/Violet Pictures/Maor Waisburd

Irm Hermann als Mutter ist in exaltiertem Theatersprech eine pure Karikatur ihrer selbst, was sich fügt, weil in der Erzählung ohnehin ständig ein Klischee übers nächste stolpert. Uwe Ochsenknecht spielt den weltfremden Wolfram als Depp vom Dienst, kann aber zu keiner Sekunden plausibel machen, warum seine Figur so gar nichts rafft.

Natürlich liegt das an dem untauglichen Versuch, Fallhöhe zu schaffen, ihn anfangs als möglichst doof hinzustellen, damit er später, wenn er wenigstens ein bisschen was kapiert, schön tief fallen kann.

Verzweifelt hechelt die Serie alles durch, was das Wording der Branche gerade hergibt, vom Influencer-Flachsinn bis zu Sponsored Content. Da wird pausenlos Buzzword-Tennis gespielt und an einem Stück breiig geschwafelt. Immerzu gilt offenbar das Motto, dass viel viel hilft. Das ermüdet besonders in den ersten drei Folgen nachhaltig, weil kaum etwas wirklich witzig ist, sondern immer nur gewollt wirkt. So wird aus all den feinen Details, die sich die Autoren zusammengesucht haben, sehr bald eine klebrige Masse, die als unverdaubare Soße besser gleich in die Keramik entsorgt würde.

Man spürt förmlich, wie wenig die Macher ihrem Material vertraut haben. Das hätte in seiner Fülle ohne Probleme für drei Staffeln gereicht, wenn man es fein und gezielt eingesetzt hätte, aber nein, es musste alles in den ersten sechs Folgen verbraten werden und inkludiert dabei im Nebenstrang gleich auch noch Schmidts innige Hassliebe zum verkommenen Stadttheaterbetrieb, der beinahe anderthalb Folgen geopfert werden.

Irgendwann gegen Ende der vierten Folge setzt schließlich so etwas wie Gewöhnung ein, wobei man nicht gleich weiß, ob man das Ganze nun trotz all seiner Schwächen doch noch liebgewonnen hat oder ob es sich schlicht um Geschmacksabstumpfung angesichts des ständigen Übermaßes handelt.

Auf einmal fällt auf, dass Regisseur Boris Kunz ganz ordentliche Arbeit geleistet hat, nur eben die Kunst des gekonnten Weglassens nicht beherrscht. Man findet dann auch, dass Uwe Ochsenknecht nicht schlecht spielt, dass ihm die Vorlage aber schlichtweg zu wenig Raum gelassen hat. Und der Soundtrack mit seinen vielen Sechziger-Jahre-Oldies ist auch auf besondere Art besonders.

Trotzdem fühlt sich die Serie ein bisschen an wie eine aus dem Ruder gelaufene Harald-Martenstein-Kolumne, weil sie halt sehr viel von der Realität weiß, diese aber immer wieder bewusst entstellt, um ein paar Pointenpunkte zu machen. Das soll komisch sein, gerät aber zu oft an den Rand der Peinlichkeit.

In der Bilanz stehen deshalb 1000 vergebene Punkte, 10 000 vergebene Chancen. Was hätte das für eine tolle Serie werden können.

Das SWR Fernsehen zeigt "Laubaule und Erben" donnerstags um 22:00 Uhr. In der ARD-Mediathek steht die erste Staffel bereits komplett zum Abruf bereit.