Rund fünf Millionen Bundesbürger haben in ihrem ganzen Leben noch nie Urlaub im Ausland gemacht. kabel eins will diese Bevölkerungsgruppe in den kommenden Wochen ein kleines bisschen verkleinern und schickt in dem neuen Format "Urlaub für Anfänger" Deutsche in den Urlaub, die dafür bislang entweder keine Zeit, kein Geld oder beides hatten. 24 Urlaubs-Newcomer werden in vier Folgen von Kameras begleitet, wenn sie nach Barcelona, Marrakesch, Nizza, Stockholm oder Venedig fliegen.

Das Konzept der Sendung, die auf einem niederländischen Original basiert, ist durchaus charmant und die Tatsache, dass während den einzelnen Folgen immer zwischen den Paaren hin und her gewechselt wird und auch immer neue Urlauber hinzukommen, sorgt für viel Abwechslung. Doch leider konnte man sich bei der Produktionsfirma UFA Show & Factual ganz offensichtlich nicht entscheiden, was man genau will. Soll "Urlaub für Anfänger" ein Feelgood-Format sein, das die ehrliche Freude der Teilnehmer zeigt? Davon gibt es nämlich durchaus einige Szenen. Oder will man, dass die Zuschauer herzhaft über die Urlaubs-Paare lachen?

Einige Teile der am Donnerstag gezeigten Auftaktsendung sprechen für zweiteres. Bevor die Teilnehmer erfahren, wo es hingeht, bekommen sie noch ein paar Sätze in fremder Sprache präsentiert, die sie anschließend übersetzen müssen. Das geht natürlich selten gut und dürfte bei den Zuschauern für Schenkelklopfer sorgen. Manchmal sind es aber auch schlicht die Teilnehmer selbst, die sich derart seltsam verhalten, dass man nur noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann. Als das erste Paar im Hotel in Marrakesch ankommt, freut sich die Frau so sehr über den Pool, dass sie sich spontan die Schuhe auszieht und mit Hose und Oberteil ins Wasser springt. Daneben steht die Rezeptionistin und muss alles mit ansehen. Hier versucht der Off-Sprecher noch zu erklären: Bianka sei so glücklich, man möge ihr die Aktion bitte verzeihen.

Warum deutsche Urlauber im Ausland nicht immer den besten Ruf genießen, zeigt die Sendung auch an einigen anderen Stellen. So kann fast niemand in der Auftaktfolge von "Urlaub für Anfänger" die jeweilige Landessprache sprechen. Auch die Englischkenntnisse der Urlauber sind überschaubar. Das führt dazu, dass sie fast alle ausnahmslos Deutsch sprechen - ob mit Kellnern im Restaurant, Zug-Begleitern oder ganz normalen Menschen, bei denen sie sich nach dem Weg erkundigen. "Hier steht ja nichts auf deutsch", wundert sich das Ehepaar, das gerade in Marrakesch gelandet ist. Später freuen sie sich im Hotel (nach dem Ausflug in den Pool) über einen reich gedeckten Frühstückstisch - und nehmen sich Sachen davon als Proviant für den Tag mit. Als Mutter und Tochter endlich im Zug Richtung Edinburgh-Innenstadt sitzen, fasst die eine die schwierige Kommunikation so zusammen: "Mit Freundlichkeit komme ich hier vorwärts. Ich spreche viel Deutsch, das werden nicht alle verstehen, so wie ich das mitbekommen habe." In Venedig ist ein Paar der Meinung, es sei eine gute Idee, Tauben zu füttern.

Ein Thema bei fast allen Urlaubern: Höhen- bzw. Flugangst. Da gibt es dann tränenreiche Bilder aus den Flugzeugen und strahlende Gesichter bei der Ankunft. Auch das Geld wird immer wieder angesprochen. Die Urlauber erhalten 600 Euro und müssen damit eine Woche lang auskommen. Das ist nicht nur wegen der Kommunikationsprobleme kompliziert, hier macht sich auch die fehlende Vorbereitung bemerkbar. Die Teilnehmer erfahren schließlich erst am Flughafen, wohin die Reise geht. Und so werden schon einmal 60 Euro für ein Wassertaxi in Venedig oder 13 Euro für ein Gürtel und danach noch einmal 30 Euro für einen Schal auf einem Markt in Marrakesch ausgegeben (O-Ton: "In Köln bezahlste mehr."). Egal ob Sprachkenntnisse oder Geld: Die Teilnehmer sind recht einseitig gecastet.

Keine Frage: "Urlaub für Anfänger" ist ein emotionales Format. Es ist toll mit anzusehen, wie sich die Kandidaten aufgrund ihres ersten Urlaubs ehrlich freuen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob UFA Show & Factual und kabel eins keine Kandidaten finden wollten oder konnten, die auch Englisch sprechen können und nicht völlig verloren sind, wenn man sie in einem fremden Land aussetzt. Auch das hätte man ja durchaus charmant inszenieren können. Aber wer weiß, vielleicht folgen solche Protagonisten im Verlaufe der nächsten drei Folgen ja noch. In der ersten Ausgabe will "Urlaub für Anfänger" seine Teilnehmer zwar nicht auf Teufel komm raus vorführen. Aber die Macher nehmen willentlich hin, dass das oft ganz automatisch passiert.

Eine "Yougov"-Umfrage hat zuletzt ergeben, dass sich 81 Prozent der Deutschen für ihre Landsleute im Urlaub schämen. Ähnlich hoch könnte der Schäm-Faktor auch unter den Zuschauern von "Urlaub für Anfänger" sein. Das ist schade, denn eigentlich ist Urlaub ja was schönes. Da will man sich nicht schämen - auch nicht auf dem Sofa vorm Fernseher. 

"Urlaub für Anfänger" läuft donnerstags um 20:15 Uhr bei kabel eins.