Wenn HBO ins Emmy-Rennen geht, dann mit den höchsten Ambitionen. Das ist so gesetzt wie die Ambitionen des FC Bayern München in der Bundesliga. Im vergangenen Jahr konnte sich der Premiumsender einmal mehr den ersten Platz sichern, indem insgesamt 29 goldene Trophäen gewonnen wurden. Netflix und NBC mussten sich mit Platz zwei und drei zufrieden geben. HBOs Auftritt war vor allem deswegen imposant, weil das große Ass im Ärmel, "Game of Thrones", im Emmy-Rennen 2017 gar nicht erst auf dem Platz stand.

Newcomer "Westworld", der zwar mit den meisten Nominierungen ins Rennen ging, konnte kaum etwas zum Gesamtsieg beitragen. Es waren stattdessen die Comedy "Veep" aber insbesondere die Miniserien "Big Little Lies" und "The Night of", die die entscheidenden Tore geschossen haben, aber naturgemäß dieses Jahr nicht mehr dabei sind. Nach Nominierungen war "Westworld" hinter "Game of Thrones" als der große Favorit aus der Bekanntgabe der Nominierungen hervor gegangen, doch schon die Creative Arts Emmys am vergangenen Wochenende zeigten: Die SciFi-Serie erhält nicht viel Liebe von den Mitgliedern der Academy.

Dabei konnte HBO, was die Zahlen anging, vor den Creative Arts Emmys, die die ersten zwei der insgesamt drei Emmy-Abende bilden, noch gleichermaßen stolz auf seine High-End-Produktionen sein. Doch nach den ersten beiden Emmy-Verleihungen ist "Game of Thrones" mit sieben Emmy-Statuen souverän an der Spitze der schon mit Preisen bedachten Produktionen. Westworld konnte nur drei von 16 möglichen Preisen bei den Creative Arts Emmys einheimsen.

Aus zwei Gründen stellt dies bereits jetzt eine vernichtende Niederlage für "Westworld" und HBO dar, und das, obwohl die Primetime Emmys erst noch anstehen. Der erste Grund: Was bei der Cinematography, dem Sound-Design und all den kleinen Details von "Game of Thrones" beobachtet werden kann, kann auch bei "Westworld" gesehen werden. Dieses Sci-Fi-Spektakel entführt in eine hochspannende "Jurassic Park"-Welt, die mit Androiden funktioniert und lässt den Zuschauer davon träumen, gerade erst den Beginn einer unvergesslichen Reise zu erleben. Man könnte meinen, das "H" in HBO steht für Handwerk, so fein gearbeitet wurde an der Gesamtpräsentation. "Westworld" ist das iPhone X unter den Serien.

Nun wurden von den 16 Creative Arts Nominierungen jedoch gerade mal drei gewonnen. Ausgerechnet in den Kategorien, die einen Goldregen für die enorme Feinarbeit im Detail hätten bescheren müssen, damit "Westworld" sich nicht peinlich berührt bis zum nächsten Emmy-Rennen verabschieden muss. Letztes Jahr konnten hier immerhin fünf Titel gewonnen werden, auch wenn dies immer noch nicht genug für HBOs Standard ist. Das zweite Problem: Die Primetime Emmys.

So sehr "Westworld" dafür gelobt werden muss, auf welch hohem Level es designt und umgesetzt wurde, so sehr schüttelt es vor allem diejenigen, die die aktuelle zweite Staffel verfolgen. War die erste Staffel schon relativ komplex und aufmerksamkeitsverschlingend, stoßen die neuen Folgen in die nächste Sphäre des Durcheinanders vor. Das Problem ist, dass das "Lost"-Gefühl abrupt ins Stocken geraten ist. Sie wissen schon, damals als in online in Foren leidenschaftlich Theorien diskutiert wurden, weil die wöchentliche Ausstrahlung sich endlos lang angefühlt hat. Doch anstatt freudig auf die nächsten Szenarien zu wetten, kommen nun vor allem verzweifelte Ausdrücke des Unverständnis zum Vorschein. "Westworld" stolpert mehrfach über die eigenen Beine und taumelt nach dem Aufstehen in die falsche Richtung.

Da der Text ohne Spoiler auskommen soll, damit Sie sich gegebenenfalls noch selbst eine Meinung bilden können, halte ich es von hier an vage. "Westworld" verfeuert eine Idee nach der anderen, eine intensiver und meta-ebenen-lastiger, als die andere. Twist folgt auf Twist folgt auf Twist. So falsch es ist, zu wenig Kreativität in einer Folge verschießen zu wollen, so ärgerlich ist auch das andere Extrem. Ähnlich wie bei den letzten "Sherlock"-Episoden spielt sich "Westworld" zu sehr auf und möchte immer wieder beweisen, wie clever es doch ist. Dabei geht es schlussendlich weniger um die Charaktere und den eigentlichen Plot, als um den Beweis, immer und immer wieder einen Haken schlagen zu können.

Damit geht das Problem einher, dass vieles einfach keinen Sinn macht, beziehungsweise noch keinen Sinn macht. Was auch "Lost" angekreidet wurde, wird ebenfalls "Westworld" zum Verhängnis. Es werden zu viele Fragen aufgeworfen, genauso wie unlogische Sequenzen, bei denen darauf gehofft werden muss, dass sie irgendwann noch einmal aufgegriffen werden. Das war einst der Genickbruch für das Vermächtnis von "Lost" – denn sie wurden nicht mehr aufgegriffen. Dadurch mündet der Versuch, smart zu wirken, eher im Gegenteil. Ein Beispiel: Der Mann in Schwarz macht noch immer keinen Sinn. Es war absolut korrekt ihn in der ersten Staffel derartig mysteriös einzuführen, aber spätestens zum Ende der zweiten Staffel sollte es dann doch ein paar mehr Hinweise auf seine Person geben.

Für die dritte Staffel bleibt nicht nur zu hoffen, dass noch genug Menschen zuschauen, sondern auch, dass sich die Showrunner Jonathan Nolan und Lisa Joy auf ihre Stärken besinnen. Diese lagen in der ersten Staffel vor allem darin, die richtigen Dinge ins Scheinwerferlicht zu rücken. Anthony Hopkins zum Beispiel, der letztes Jahr den Emmy als bester Hauptdarsteller mehr als verdient gehabt hätte. In den aktuellen Folgen kommt er kaum zum Zug, wodurch der Zuschauer ein Exempel dafür statuiert bekommt, wie sehr ein Schauspieler ein Projekt tragen kann. "Westworld" hat außerdem angekündigt, dass neue Bereiche des Parks erschlossen werden. Dies war mit der Shogun World zwar auch der Fall. Von diesem stilistischen Meisterbruch, der auch für die meisten Nominierungen bei den Creative Arts Emmys gesorgt hat, kam jedoch viel zu wenig.

Und so bleibt am Ende die Gewissheit, dass "Westworld" dieses Jahr eigentlich nicht als bestes Drama ausgezeichnet werden darf. Damit bleiben noch drei mögliche Preise in Schauspielkategorien, da die Television Academy bereits eine richtige Entscheidung getroffen hat, und den HBO-Epos nicht für das beste Drehbuch oder die beste Regie nominierte. Doch ob nun Ed Harris oder Jeffrey Wright als bester Hauptdarsteller gewinnt, oder ob es mit Evan Rachel Wood oder Thandie Newton eine Dame wird. Am Ende wird "Westworld" zu Recht gedemütigt nach Hause gehen und sich selbst gründlich überdenken müssen.