65 Jahre ist es her, dass Hans-Joachim Kulenkampff mit "Wer gegen wen?" die erste Quizshow im deutschen Fernsehen präsentierte. Wie viele Fragen er und seine Nachfolger seither vor laufender Kamera stellten, ist nicht überliefert, doch alleine auf Günther Jauch und Jörg Pilawa dürften mehrere Zehntausend davon entfallen. So gesehen ist es nur konsequent, dass die beiden beliebtesten Quiz-Onkels des Landes nun in einer Quizshow am Samstagabend gemeinsame Sache machen: Pilawa als Moderator, Jauch als Experte – und Produzent.

"Ich weiß alles!" nennt sich die neue Sendung und wer jetzt bereits stöhnend auf die Vielzahl an bestehenden Quiz-Formaten verweist, dem sei gesagt, dass es auch ein seit Jahrzehnten erprobtes Genre noch schaffen kann, mit frischen Ideen aufzufallen. "Gefragt – gejagt" ist ein gutes Beispiel dafür, wie es gelingen kann, ein eigentlich recht klassisches Quiz völlig neu aufzuladen. Insofern muss sich die ARD im Falle von "Ich weiß alles!" daher zunächst die Frage gefallen lassen, ob es gelungen ist, einen eigenen Ansatz zu finden, durch den sich der Neustart von den übrigen Formaten abgrenzt.

Nach der ersten Ausgabe lautet die Antwort: Jein. Da wäre etwa die erste Runde, in denen es Pilawas Kandidaten mit prominenten Gegenspielern zu tun bekommen – darunter Thomas Gottschalk, der mit seinem Wissen über die Beatles brilliert, oder Ben Becker, dessen Goethe-Expertise es zu überwinden gilt. Ähnlich wie bei beim "Quiz-Champion", den Pilawa einst im ZDF suchte, bevor ihn Johannes B. Kerner ablöste, werden hierzu im direkten Duell drei Fragen gestellt, für deren Beantwortung sieben Sekunden verbleiben, nachdem sich einer der beiden Kontrahenten auf eine Antwort festgelegt hat. Innovativ ist dieser Ansatz also nicht.

Dass das ZDF seine Show als "härtestes Quiz Deutschlands" anpreist, die ARD wegen des Eurovisions-Faktors aber sogar das "härteste Quiz Europas" aufzufahren glaubt, ist angesichts der dramaturgischen Nähe eine amüsante Randnotiz. Glücklicherweise geht "Ich weiß alles!" dann aber noch eigene Wege: In der zweiten Runde treten Pilawas Kandidaten gegen die 1000 Zuschauer im Publikum und damit gewissermaßen gegen die Weisheit der Vielen an. Gelungen ist dabei vor allem der Kniff, dass sich die Kandidaten darauf festlegen müssen, ob sie eher den jüngeren Semestern oder doch den erfahrenen Haudegen eine mehrheitlich falsche Antwort zutrauen.

Ich weiß alles!© NDR/ARD/Max Kohr

Erst wer auch das Publikum überwindet, trifft schließlich auf die "Giganten", zu denen neben Günther Jauch auch zwei langjährige Quiz-Moderatoren aus Österreich und der Schweiz gehören. Die dürfen sich bei ihren Antworten beraten und schafften es zumindest bei der Premiere, sämtliche Kontrahenten vorzeitig aus dem Spiel zu nehmen. Zum eigentlichen Finale um den Hauptpreis in Höhe von 100.000 Euro ist es deshalb gar nicht erst gekommen. Und weil viele auch schon am Duell mit dem Studio-Publikum scheiterten, bekamen die Zuschauer die um Jauch versammelte "Giganten"-Riege erstaunlich selten zu Gesicht.

Das gilt im Übrigen auch für die vier Promi-Experten, deren Einsatz in der ersten Runde durch einen Zufallsgenerator ermittelt wird. Thomas Gottschalk mutmaßte nach längerer Schweigezeit gar, einen persönlichen Rekord gebrochen zu haben. "Ich habe zum ersten Mal ohne zu schlafen eine halbe Stunde nichts gesagt", gab der TV-Star zu Protokoll. Was im Spaß gemeint war, offenbart das wohl größte Dilemma von "Ich weiß alles": Da fährt man schon eine derart große Star-Riege auf – und trotzdem sind Gottschalk, Jauch und wie sie alle heißen viel zu oft nur zum Zuschauen verdammt.

Dennoch hat die ARD zusammen mit i&u TV eine über weite Strecken unterhaltsame Drei-Stunden-Show hinbekommen, die zwar viele bekannte Quiz-Elemente aufgreift, aber zumindest weit weniger beliebig daherkommt als die bislang von Pilawa präsentierte Samstagabend-Rateshow "Spiel für dein Land". Ganz nebenbei macht "Ich weiß alles" auch optisch etwas her, weil sich auf der Bühne ständig etwas bewegt und die prominenten Herausforderer in schöner Regelmäßigkeit wie in einem Rummel-Fahrgeschäft durch die Kulisse geschoben werden.

Pilawa selbst gibt derweil den routinierten Fragensteller und kann im Zusammenspiel mit seinen prominenten Mitstreitern glänzen, auch wenn das starre Korsett dazu führt, dass das Potenzial der A-Prominenz längst nicht ausgeschöpft werden kann. Positiv ist der anspruchsvolle Schwierigkeitsgrad der Quizfragen – ob das am Ende tatsächlich für den Titel der härtesten Quizshow Europas reicht, sei mal dahingestellt. Sicher ist wohl nur, dass dem Fernsehen auch 65 Jahre nach Kulenkampffs erstem Quiz die Fragen so schnell nicht ausgehen werden.