Schrecklich arrogant, egozentrisch und doch ein genialer Arzt. Die Rede ist nicht von Hugh Lauries Paraderolle "Dr. House", sondern vom kitschig klingenden "Heart Guy". Mit vollem Namen heißt der in Sydney praktizierende Herzchirurg Dr. Hugh Knight (Rodger Corser), der es nicht nur versteht, mit seinem Skalpell umzugehen, sondern auch mit Tequila-Shots. Einige Promille und falsche Entscheidungen später, muss er daher mit dem größten Skandal seiner Karriere zurechtkommen. Die Lösung: Ein Deal, der ihn für ein freiwilliges Jahr in seinen alten Heimatort Whyhope bringt, wo er als Landarzt zurück zu seinen moralischen Wurzeln finden soll. Wenn dort in den nächsten 365 Tagen alles rund läuft, darf er in der Metropole erneut als Hochglanzdoc arbeiten.

Dafür muss er nach seiner Zwangsversetzung erst einmal damit zurechtkommen, dass er nicht mehr sein eigener Chef sein kann. Das ist nun Penny (Hayley McElhinney) für ihn, die leitende Ärztin im örtlichen Krankenhaus. Knights Charme mag ihn in Sydney so manches Frauenherz geöffnet haben, bei ihr hat er jedoch keine Chance. Was vor allem daran liegen dürfte, dass sie homosexuell ist. Der Meisterchirurg muss dennoch die Hose vor ihr fallen lassen – um wöchentlich mit einem Drogentest zu beweisen, dass er ab sofort clean ist. Zu dieser Demütigung kommt auch noch die Tatsache, dass er nun als Allgemeinmediziner arbeiten soll.

Bisher hat er jedoch nur Menschen aufgeschnitten, weshalb er in regelmäßigen Abständen zu Dr. Google werden muss, um in Sprechstunden überhaupt zu verstehen, was sein Gegenüber bloß haben könnte. Besonders amüsant wird es, als ein Bauarbeiter sich über seine Hämorrhoiden beschwert. "Schauen Sie sich das doch mal an", bitte er den Doc. Dieser möchte aber gerne über der Gürtellinie bleiben: "Wenn Sie glauben, Hämorrhoiden zu haben, ist das bestimmt auch so." Die passende Behandlung findet dann die hereinplatzende Mutter von Knight: "Gurken sorgen für Abhilfe." - "In Scheiben oder eine Ganze?"

Das heute auf One startende "The Heart Guy" bietet mit solchen Szenen eine entspannte Feel-Good-Atmosphäre mit malerischen Outback-Kulissen, die einst schon eine andere australische Serie ins deutsche Fernsehen gebracht hat. Seinerzeit waren es "McLeods Töchter", die Vox lange Zeit ansehnliche Quoten bescherten - Protagonist Rodger Corser wurde hier als Peter Johnson bekannt. Der Fokus lag jedoch auf dem Schwesternteam Claire und Tess, die sich acht Staffeln lang um die Farm ihres verstorbenen Vaters kümmerten und dies mit einer Herzlichkeit taten, die man den Australiern einfach nicht absprechen kann. Dementsprechend verkörpert alleine der Titel "The Heart Guy" genau das, was der Zuschauer auch hier erwarten kann.

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Da fällt es auch kaum ins Gewicht, dass "Doctor Doctor" - so wird die Serie in der Heimat genannt - das Arzt-Genre nicht neu erfindet. Dr. Hugh Knight hat zwar Ansätze eines Dr. House in sich, aber bei weitem nicht die Komplexität, die Hugh Laurie brillant verkörperte und mit der er sechs Emmy-Nominierungen einfahren konnte. Nein, für große Preise ins Rennen geschickt zu werden, wäre für "The Heart Guy" zu viel des Guten.

Dafür sorgt alleine schon die ermüdende Geschichte, die immer wieder hochgefahren wird, um das notwendige Drama miteinzubringen. Die Rückkehr in seinen Familienkreis geschieht nämlich nicht so gemütlich, wie erhofft: Seine Ex-Freundin Charlie (Nicole da Silva) ist nun überraschenderweise mit seinem jüngeren Bruder Matt (Ryan Johnson) verheiratet. Doch obwohl spätestens hier der in "How I Met Your Mother" berühmt gewordene Bro Code einsetzen sollte, kann er sich das Flirten mit seiner Schwägerin nicht verkneifen.

Neben den Anspannungen, die er deswegen mit seinem Bruder pflegt, kommt auch noch ein klassischer Vater-Sohn-Konflikt hinzu. Papa Jim (Steve Bisley) ignoriert ihn und kümmert sich lieber um seinen pubertierenden Adoptivsohn Ajax (Matt Castley). Und so kommt eine Erzählung ins Rollen, die der Mutter aller Konzepte folgt: Dr. Hugh Knight fällt tief, um aus seinen Fehlern lernen zu können und um zu verstehen, dass er sich auch mal unterordnen muss. Nach und nach wird aus dem arroganten Stadtschnösel der sympathische Doktor vom Land.

Wichtig zu wissen ist also, dass es bei "The Heart Guy" nur vordergründig darum geht, spannende Krankenhausereignisse zu verfolgen. Sie bilden lediglich das notwendige Fundament für allerhand Familienfehden und Romanzen, die geübte Genre-Fans aus Klassikern wie "Emergency Room" bereits kennen. Zu kitschig wird’s aber tatsächlich nie. Die australische Serie hält auf dem Drahtseilakt zwischen Drama und Soap stets die Balance, und sorgt mit ordentlich Selbstironie dafür, dass "The Heart Guy" unverschämt viel Anziehungskraft versprüht.

One strahlt die erste Staffel von "The Heart Guy" ab heute immer wöchentlich montags um 20:15 Uhr in Doppelfolgen aus. Die zweite Staffel ist auf Sky bereits zu sehen, eine dritte wurde bestätigt.