Eine der wichtigsten Kriterien für den Erfolg von Serien ist wohl, wie schnell sie einen abholen kann. Nicht nur gefühlt werden jede Woche drei neue Serien gestartet - deshalb werden Projekte, die einfach nicht klar machen, wohin der Hase läuft, häufig schnell ausgesiebt. Dabei könnte man allerdings schnell eine Serie übersehen, die keinen Wert darauf legt, so zu sein, wie es der Massengeschmack gerade vorschreibt. Solch eine Serie ist "Lodge 49", die neueste Amazon-Serie.

"Lodge 49" ist eine komische Serie. Nicht komisch im Sinne von lustig, sondern komisch im Sinne von seltsam. Selbst die Suche nach einem passenden Genre fällt schwer. Sie ist keine Comedy und sie ist kein typisches Drama, sie hat keine großen Explosionen, keinen wilden Sex und auch keine animierten Drachen. Die von Jim Gavin erdachte Geschichte beginnt lediglich mit einem liebenswürdigen Trottel, der mit seiner Whiskey-Flasche von unbewohntem Haus zu unbewohntem Haus tingelt, um wenigstens ab und an ein Dach über dem Kopf zu haben. Dieser charmante Taugenichts dürfte vor allem "Black-Mirror"-Fans bekannt sein, wo er eine ähnlich traurige Figur spielte. Wyatt Russell, der Sohnemann von Hollywood-Legene Kurt Russell, spielte in der dritten Staffel einen von der Familie wegrennenden Backpacker, der für eine Menge Kohle ein neues Horrorspiel testen soll.

Dass die Folge "Playtest" eine der besten der Serie ist, liegt neben den genialen Twists auch an ihm. Russell hat dort schon gezeigt, wie er mit seinen Emotionen spielen kann. Er tut es auf eine ungewohnte Weise, die dafür sorgt, dass sich sein Schauspiel seltsam anfühlt. In "Lodge 49" ist alles seltsam, weshalb er das Puzzlestück zu einer Erfahrung ist, die dieses Jahr noch keine Serie liefern konnte.

Russells Rolle hört auf den Namen Sean "Dud" Dudley und ist, wie gesagt, nicht der beneidenswerteste Typ. Doch trotz seiner traurigen Ausgangslage, weiß der kleine Lebowski seinen Optimismus für sich einzusetzen. Anstatt komplett dem Alkohol zu verfallen, hält er sich mit Gelegenheitsjobs gerade so über Wasser. Einer davon sieht so aus, dass er mit dem Metalldetektor den Strand entlang streunt. Der Goldring, den er schließlich findet, der letzten Endes aber leider kein Gold enthält, führt ihn in seiner dunkelsten Zeit zur sogenannten "Loge 49" - einem geheimen, altruistischen Club von Menschen, die, wie er später herausfinden soll, genauso große Loser sind. 

Doch wohin zur Hölle das Ganze überhaupt führen soll, wird lange nicht deutlich. Wer keine zwei bis drei Stunden investieren will, um überhaupt das Konzept dieser Serie zu verstehen, sollten sich schnell wieder wegdrehen. Sollten Sie "Lodge 49" jedoch die Möglichkeit geben, Sie ganz gemütlich in eine Geschichte zu entführen, die eine ungewohnte Entspanntheit ausstrahlt, werden Sie vieles zu spüren bekommen. Bereuen wird nicht darunter sein.

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Das von Paul Giamatti mitproduzierte "Lodge 49" ist nämlich ein Haufen von Verlierern, die einem schnell ans Herz wachsen. Es ist bei weitem nicht nur Dud und sein trauriges Schicksal, dass den Zuschauer emotional packt. Denn während er damit zu kämpfen hat, über den plötzlichen Tod seines Vaters hinwegzukommen, geht es seinem vermeintlichen Retter nicht viel besser. Ernie (Brent Jennings, "Shameless") ist über 60 und hat das Gefühl, nichts im Leben erreicht zu haben. Obendrein liebt er eine Frau, die mit einem anderen Mann verheiratet ist. Und so hat jedes Mitglied der Loge sein eigenes Päckchen zu tragen. Doch dieser Club versteht es, Päckchen gemeinsam zu tragen.

Verstehen Sie mich nicht falsch: "Lodge 49" ist kein Drama. Das Debütwerk von Gavin dreht sich nicht darum, dass jede gezeigte Person einmal über seine oder ihre Probleme heulen darf. Ja, es passiert viel Mist und mit keinem der Protagonisten möchte man wirklich tauschen. Doch jeder versprüht gleichzeitig so viel Charme und 'Irgendwie-kriegen-wir-das-hin"-Attitüde, dass "Lodge 49" vor allem einen Boost für das eigene Seelenheil darstellt.

Doch neben der Eigentherapie verfolgt die Amazon-Serie natürlich auch einen roten Faden. Ich habe ihn zwar kaum erkennen können, doch er ist da. Und selbst wenn er es nicht wäre: "Lodge 49" ist so paradox, dass es keine Rolle spielen würde. Die Serie ist auf ihre schrullige Art die absurdeste Party, auf die man nie wollte, die sich im Nachhinein aber als beste Entscheidung herausstellt. Dank der Leute, dank der Drinks und dank der Magie.

Die erste zehnteilige Staffel von "Lodge 49" ist ab sofort auf Amazon abrufbar.