Die "taz" teilt das Schicksal vieler Zeitungen: In den vergangenen Jahren ging die gedruckte Auflage stetig zurück. Hinsichtlich dieser Entwicklung wollen sich die Blattmacher derzeit auf eine Zukunft ohne gedruckte Ausgabe vorbereiten. Das geht aus einem mit der Überschrift "Szenario 2022" versehenen Schreiben des Geschäftsführers Karl-Heinz Ruch an die genossenschaftlichen Eigentümer hervor. Ängstlich klingt Ruch darin nicht, sondern entschlossen und optimistisch.

"Wir sind sicher, dass wir die Existenz der 'taz' sichern, wenn wir uns bereits jetzt gut darauf vorbereiten, dass der tägliche Druck und Vertrieb der Papier-'taz' bald nicht mehr möglich sein könnte", so Ruch, der sich die Zukunft wiefolgt vorstellt: Es gebe keinen Redaktionsschluss um 16 Uhr und keine Reklamationen wegen fehlender "taz" im Briefkasten. "Sie kommen morgens zur Arbeit und haben auf Ihrem Smartphone oder Tablet schon alles erfahren, was Ihnen wichtig ist. Sie haben dieses digitale Angebot vielleicht kombiniert mit der 'taz am Wochenende' auf Papier, die sich noch mehr von der Werktags-taz unterscheiden wird als jetzt schon."

Auch sonst sieht er Vorteile: "Wir sparen gemeinsam Papier und können alle die Zusteller der Wochenendausgabe anständig bezahlen. Wir haben den digitalen Wandel zur Veränderung genutzt. Und dabei mehr gewonnen: Eine Perspektive für die Zukunft." Wer sich früher verändere, habe auch früher wieder liebgewonnene Gewohnheiten, schreibt der Geschäftsführer. "Deshalb sagen wir: Es ist Zeit für Veränderung." Und auch Chefredakteur Georg Löwisch und seine Vertreterinnen Katrin Gottschalk und Barbara Junge wollen sich auf eine Zukunft ohne gedruckte Ausgabe vorbereiten. "Die 'taz' bleibt auf dem Handy Tageszeitung. Aber sie muss sich von ihrem Vorbild auf Papier lösen", schreiben sie laut "Tagesspiegel".

Doch wie realistisch ist ein Aus der gedruckten "taz" wirklich? DWDL.de hat bei Andreas Bull, dem zweiten Geschäftsführer, nachgefragt, was es mit dem Schreiben auf sich hat. "Die 'taz' beobachtet den Markt der auf Papier gedruckten sehr genau und diskutiert das Geschehen bereits seit 2011 unter der damals aufgestellten These 'In 10 Jahren gibt es keine gedruckten Tageszeitungen mehr'", sagt Bull. "Nach nunmehr sieben seither vergangenen Jahren sehen wir, dass wir dieser Prognose leider genau wie befürchtet näher gekommen sind."

"Solange es irgend geht, werden wir selbstverständlich auch die gedruckte werktägliche Ausgabe mit großer Sorgfalt und Liebe pflegen und vertreiben."
"taz"-Geschäftsführer Andreas Bull

Man müsse sich immer ernsthafter mit den Auswirkungen dieses Transformationsprozesses befassen. "Wir erwägen dabei keineswegs die Strategie, von uns aus das Drucken sein zu lassen. Sondern wir wollen gut vorbereitet sein, wenn eines Tages Speditionen den überregionalen Vertrieb von Tageszeitungen nicht mehr bedienen, weil sich die geringen Stückzahlen nicht mehr zu vertretbaren Kosten transportieren lassen. Daher bearbeiten wir ein Szenario 2022, dessen Eintritt wir nicht befördern, bei dessen Eintritt wir aber auch nicht unvorbereitet dastehen wollen."

Gegenwärtig sehe man die "taz" sehr gut aufgestellt und vorbereitet, schließlich habe man die Produkte diversifiziert und dem Nachfrage- und Leseverhalten angepasst, betont Andreas Bull und nennt als Beispiele die "taz am Wochenende", die als gedruckte Wochenzeitung verstanden werden soll. Daneben hätten sich an dem Bezahlmodell "taz zahl ich" bereits über 13.000 Lesende freiwillig beteiligt, "weil sie verstanden haben, dass professioneller Journalismus hohe Kosten verursacht, auch wenn seine Ergebnisse kostenlos zugänglich bleiben", sagt der "taz"-Geschäftsführer.

Noch steht das Ende der klassischen "taz" aber nicht bevor. "Solange es irgend geht, werden wir selbstverständlich auch die gedruckte werktägliche Ausgabe mit großer Sorgfalt und Liebe pflegen und vertreiben", betont Bull. "Schließlich haben wir erst im Herbst vergangenen Jahres einen gelungenen Relaunch der gedruckten taz auf den Markt gebracht, der viele Lesende angesprochen hat. Aber gegen den zeitgenössischen Trend sind solche Erfolge möglicherweise nicht nachhaltig genug."