Es ist ein undankbarer Job. Wer immer sich ein Motto für einen Medienkongress ausdenken muss, soll Monate im Voraus antizipieren, was die Branche bewegen wird - und dabei möglichst offen sein ohne beliebig zu wirken. Das geht oft schief. Heraus kommen schwammige Veranstaltungstitel, die mehr Notwendigkeit als Wegweiser sind. „Change becomes culture“ klingt genauso. Doch das Programm des Media Tasting, einem 2016 aus der früheren TV Komm in Karlsruhe hervorgegangenen Medienkongress, schaffte es am Montag erfreulicherweise, die vermeintliche Worthülse auch mit Inhalten zu füllen - und das zusätzlich noch in einer erfrischenden Form: Kein Vortrag dauert länger als 20 Minuten, fällt meist sogar kürzer aus. Und auch die Talks sind mit 30 Minuten kurz gehalten. Es geht letztlich schließlich um Impulse.



Die kamen aus überraschenden Ecken: Lars Wagner, ehemals Chef des deutschen Disney Channels, ist inzwischen Vorstand Marken- und Produktmanagement bei Playmobil und überraschte die Besucher im Stuttgarter Kloster Hospitalhof mit dem Wandel des Spielzeugherstellers zur Medienmarke, die nicht mehr nur Kinder erreichen. Erste TV-Serien mit Playmobil-Figuren gibt es schon. „Wir haben aber noch sechs weitere Serien in Entwicklung“, erklärt Wagner. „Das ist mehr als ich je beim Disney Channel produzieren durfte.“ Ein Spielzeugwaren-Hersteller auf einem Medienkongress - mit dieser Geschichte zur Veränderung des Unternehmens passt das.

Ebenso wie bei Michael Mack. Seine Familie gehört zu den führenden Achterbahn-Produzenten der Welt. Aus einem einst als Showcase für neue Achterbahnen gedachten Ausstellungsgelände ist mit dem Europa Park längst ein führender Freizeitpark geworden. Auch hier bricht die kleine aber feine Veranstaltung in Stuttgart die Erwartungen an Gäste eines Medienkongresses auf. Doch wenn sich Medien damit beschäftigen, ob und wie Virtual Reality oder Augmented Reality neue Formen des Storytelling ermöglicht, kennt Mack sich gut aus. VR Coaster, eine weitere Unternehmung der Familie, spezialisiert sich auf die Neuerfindung bestehender Fahrgeschäfte durch VR - im eigenen Park aber auch weit darüber hinaus. Das führt zu überraschenden Erkenntnissen. Mack in Stuttgart: „Mit uns haben weltweit mehr Menschen Virtual Reality erlebt als mit Playstation VR.“

Media Tasting© DWDL.de

Cornelia Holsten, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Medienanstalten in Deutschland

Manchmal sind es auch die kleinen Details, die hängen bleiben. Matthias Hahn, Senior Vice President Commercial Distribution bei Sky Deutschland, präsentierte das OTT-Angebot von Sky in der Schweiz. Glücklicherweise wurde auch hier das Motto der Veranstaltung aufgegriffen. Wenn Veränderung Kern von Unternehmenskultur wird, was könnte Sky Deutschland von Sky in der Schweiz lernen? Hahn berichtet vom innovativen Kundenservice. Besonders treue und überzeugte Kunden werden in der Schweiz zu „Guurus“ gemacht und von Sky geschult. Sie beantworten dann Fragen anderer Kunden - und wenn diese zufrieden sind mit dem Service, gibt es vier Schweizer Franken für den „Guuru“. Es habe sich als kosteneffizient und schnell bewährt. „Darüber könnte man auch mal bei Sky in Deutschland nachdenken.“

Wie organisieren Unternehmen intern Innovation und Bereitschaft zum Wandel? Auch das gehörte dazu zum Programm, ebenso wie Einblicke in die Transformation von Radio und Print - dank der zackigen Präsentationsform stets auf das Wesentliche reduziert. ARD, Discovery, RTL II, Unitymedia, Funke Mediengruppe, Viacom und SWR - weitere große Namen waren auch mit an Bord. Das Media Tasting ist eine wohltuende Alternative zu vielen Medienkongressen. Und selbst komplexen Sachverhalte lassen sich kürzen, wie Cornelia Holsten, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Medienanstalten in Deutschland, beweisen konnte:  Notwendigkeit der Medienregulierung in einer Welt abseits des klassischen Rundfunkbegriffs, wurde selten so auf den Punkt präsentiert. Muss man die Sichtweise teilen? Nein, und man kann darüber auch streiten, sogar im offiziellen Kongressprogramm.

Media Tasting© DWDL.de

Die Vorträge ziehen offenbar: Während des Programms ist der Klosterhof fast verwaist.

In sogenannten Fishbowl-Runden, in einem Raum nebenan, ließen sich die Redner der vorherigen Präsentationen in die Mangel nehmen - eine effektivere Form des Dialogs als die bei vielen Kongressen sonst am Ende obligatorisch gestellte aber stets gefürchtete Frage nach Fragen aus dem Publikum. Allerdings zeigte sich gerade in den Fishbowl-Runden auch: Das Media Tasting in Stuttgart könnte noch mehr Besucher vertragen. Die Veranstaltung hätte es verdient. Doch gerade aufgrund der für die Medienbranche etwas ungewöhnlichen Heimat in Stuttgart wäre es vielleicht eine Überlegung wert, das Programm nicht erst um 12.45 Uhr sondern vielleicht schon früher starten zu lassen, um für den Ticketpreis einfach mehr bieten zu können. Das Media Tasting hat schließlich den Vorteil: Dank der kurzen Präsentationen und Talks ist die Bereitschaft für noch mehr Impulse größer und die Ermüdung geringer.