Erinnern Sie sich noch an die "Sportschule" von und mit Reinhold Beckmann? Mit dieser Sendung wollte Das Erste seine Zuschauer während der EM 2016 in die Nacht schicken. Die "Sportschule" war aber derart verkopft und gewollt anders, dass sie völlig zurecht in Grund und Boden kritisiert wurde. Zu dieser WM wollte Das Erste daher wieder ein etwas klassischeres Format, um die Spieltage abzuschließen. Mit "WM Kwartira" hat man auch ein unterhaltsames Format entwickelt, das locker-flockig daherkommt und dabei nicht allzu ernst auf die Spiele des Tages zurückblickt.

"Wir sind Teil der großen ARD-Seriositätsoffensive", sagt Micky Beisenherz ganz am Anfang der Auftaktfolge und meint das natürlich alles andere als ernst. Aus dem Mojo Club von der Reeperbahn meldet er sich gemeinsam mit Jörg Thadeusz. Als offen homosexuelles Paar sei es eben nicht so leicht gewesen, einen geeigneten Ort in Russland zu finden, sagt Beisenherz. Schon da ist klar, wo die Reise hingehen wird. Beisenherz und Thadeusz fassen die Lage zur WM in Russland manchmal in wenigen Sätzen besser zusammen als die WM-Moderatoren selbst, die während der Übertragungen manchmal so gestelzt über Doping sprechen, dass man beinahe das Gefühl bekommt, ihnen sei das unangenehm.

Zum Auftakt des "WM Kwartira" zeigen sich die beiden Moderatoren schon sehr gut eingespielt und schieben sich die Bälle gekonnt zu. Wenn Jörg Thadeusz hinter seinem Schreibtisch sitzt und Micky Beisenherz auf dem Sofa Platz nimmt, denkt man zudem unweigerlich an Joko und Klaas, die sich in der Vergangenheit in ihren zahlreichen Late-Night-Shows auch immer genau so präsentiert haben. Überhaupt könnte man sich auch andere Elemente des "WM Kwartira" bei "Circus Halligalli" (oder heute eben "Late Night Berlin") vorstellen. Wenn Olli Dittrich und Olli Schulz etwa das Spiel zwischen Portugal und Spanien schauen und kommentieren, ist das sehr unterhaltsam. Auch der Besuch bei einem Friseur, der gerne von einigen Bundesliga-Profis besucht wird, ist sehr kurzweilig.

Kurz stockt einem der Atem, als die Moderatoren ankündigen, dass natürlich auch "Waldi" in der Sendung nicht fehlen darf. Aber keine Angst: Waldi ist in diesem Fall nur ein kleiner Hund, der während der Sendung in seinem Körbchen liegt. Aber apropos Waldi: Thadeusz und Beisenherz sprechen auch über Fußball, nehmen sich dabei aber dankenswerterweise nicht so wichtig wie der echte Waldi. Mit Rene Adler sprechen sie über Cristiano Ronaldo und Torwartpatzer. Besonders Beisenherz beweist in dem Gespräch mit dem Torwart immer wieder, warum er ein gefragter Autor und Moderator ist. Als Adler auf eine Frage von ihm entgegnet, dass das ja nur die halbe Wahrheit sei, fällt er ihm spontan ins Wort: "Es klingt aber besser!". Am Ende des Gesprächs macht er Adler in süffisantem Unterton darauf aufmerksam, dass man ihm extra die Sex-Frage erspart habe. "Aber nur weil wir es vergessen haben." Ja, man muss schon viel "Bild" lesen, um da mitzukommen.

Das einzige was zum Start noch nicht funktioniert hat - wie sollte es auch anders sein - war die Schalte zu den "Tagesthemen". Caren Miosga lächelte zwar professionell in die Kamera und stellte die Themen der Sendung vor. Nur konnte man sie dabei nicht hören. Während andere hier ins Schwimmen geraten wären, rettete Beisenherz auch diese Situation mit seiner Spontaneität: "Das war doch sicher Oliver Bierhoff, der schon den Saft abgedreht hat und sagt: Diese Sendung hat nun sofort aufzuhören!". Gündogan und Özil lassen grüßen.

Auch der Abschluss der ersten Folge "WM Kwartira" war schön, weil ungewohnt. Hockey-Olympiasieger Jan Philipp Rabente schmetterte mit seinem Männerchor ("Goldkehlchen") den Savage-Garden-Hit "Truly Madly Deeply", dazu liefen die besten Szenen des Spieltags. Damit war "WM Kwartira" alles andere als eine normale Männerrunde, die es sich wie in früheren Zeiten in Ledersesseln gemütlich machte und bei einem Weißbier die WM-Spiele rekapitulierte. "WM Kwartira" und seine Moderatoren sind locker, lustig, unterhaltsam und nehmen sich dabei nie zu ernst. Damit beweisen sie, dass man anders sein kann - wie Beckmanns "Sportschule". Nur eben in gut. Gut möglich, dass Das Erste sich für künftige Fußball-Turniere keine neuen Late-Night-Konzepte mehr überlegen muss. Dieses hier funktioniert nämlich schon ganz gut.