Herr Hirschberg, wer ist aus Ihrer Sicht der Comedy-Shootingstar der vergangenen 12 Monate?

Georg Hirschberg: Luke Mockridge hat in den letzten Jahren eine tolle TV- und Bühnenkarriere hingelegt. Er hat mit seinen Showformaten bei Sat.1 großen Erfolg im Mainstream und hat auch gezeigt, wie man live begeistern kann. Für seine 29 Jahre ist das sehr beachtlich. Er hat seine Zeit bei "Night Wash" genutzt und Erfahrung mitgenommen, um im direkten Kontakt mit dem Publikum zu bestehen.

Was muss ich machen, um als Komiker bzw. Comedy-Autor im Fernsehen zu arbeiten? Kann man es lernen, witzig zu sein?

Um als Autor mitmischen zu können, brauchen Sie eine große Portion Wortwitz. Wenn man fürs Fernsehen arbeiten möchte, gehört auch Bildwitz dazu. Man sollte eine Vorstellung von visuellen Umsetzungen haben. Man braucht eine große Neugier für vielfältige Themen und dann auch im Alltag einen Blick für witzige Situationen. Insbesondere in der Sketch Comedy, braucht es eine gute Beobachtungsgabe und ein klares Gespür für Pointen.

Nun machen Sie wieder in Kooperation mit der Grimme Akademie die Comedy Master Class und suchen Comedy-Nachwuchs. Warum diese gezielte Ansprache?

Wir freuen uns, dass wir zusammen mit der Grimme Akademie im August bereits die fünfte Comedy Master Class machen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, junge Autoren aus Nord, Süd, West und Ost nach Köln zu locken, um ihnen professionelle Arbeitsbedingungen im Comedy-Bereich näher zu bringen. Das ist immer wieder ein spannendes Experiment. Und es ist meiner Meinung nach auch gelungen, dem ein oder anderen Kollegen gute Einblicke zu bieten.

Wie kann ich mir die Comedy Master Class genau vorstellen?

Die Teilnehmer lernen dort erfahrene Autoren und Producer kennen, die bereits an renommierten Comedy-Formaten gearbeitet und diese stark geprägt haben. Das ist eine gute Gelegenheit, um hinter die Kulissen von Comedy-Formaten zu schauen. Wir suchen Teilnehmer, die Comedy für sich als Profession erachten. Deswegen haben wir auch ein Bewerbungsverfahren, in dem kleine Aufgaben gelöst werden müssen.

Die etablierten Köpfe erzählen den jungen Nachwuchskräften also ein wenig vom Business und die hören nur zu?

Nein kein Frontalunterricht, kein Proseminar. Die Teilnehmer werden gecoacht im One-liner schreiben, darüber hinaus gibt es auch kleine Stand-Ups, Sketche und Dialogsituationen. Die Teilnehmer müssen also auch selbst etwas leisten. Zur Klarstellung: Die Master Class ist kein Sitcom-Workshop, das ist ein komplett anderes Genre. Es geht darum, bei Weekly-Formaten perspektivisch Teil eines Writing Teams zu werden.

"Es kann nie zu viel Comedy geben."

Sie suchen bei der Master Class also auch ganz konkret nach eigenem Nachwuchs?

Die Grundidee geht schon weiter. Es gibt aber auch die Möglichkeit, nach dem Workshop in der ein oder anderen Produktion, die wir betreuen, mitzumachen.

Sie haben bereits die Arbeitsbedingungen angesprochen. Wie sehen diese denn derzeit aus? Ist es attraktiv, in der Comedy zu arbeiten?

Ja klar. Aber Comedy kann durchaus auch harte Arbeit sein, das möchte ich nicht verhehlen. Man muss manchmal zu einem ernsten bzw. komplexen Thema einen Gag, eine Pointe finden, das ist nicht immer leicht.

Und wie sieht es mit der Auslastung aus? In der Fiction werden teilweise die guten Leute hinter den Kulissen knapp, weil sie für so viele Projekte arbeiten müssen. Die Nachfrage nach neuen Inhalten ist einfach so groß. Ist das im Bereich Comedy ähnlich oder könnten Sie auch mehr machen und wünschen sich weitere Sendeplätze für Comedy-Inhalte?

Egal ob öffentlich-rechtlich oder privat: Es kann nie zu viel Comedy geben. Mit den unterschiedlichsten Slots und den verschiedenen Formaten steigt ja wiederum auch die Möglichkeit, junge Talente auszuprobieren, die den jeweiligen Sendungen ihren ganz eigenen Stempel aufdrücken.

Wie wichtig sind Youtuber als Nachwuchs für den Comedy-Bereich?

Wir beobachten die Szene natürlich. Da man im linearen Fernsehen aber eine gewisse Reichweite erzielen muss, sind die Youtuber hier noch nicht sonderlich relevant. Für TV-Shows konzentriert man sich mehr auf junge Leute, die ihre Talente auf einer Bühne zeigen und schon live vor Publikum ein Gefühl für Sprache und Witz gefunden haben. Youtube ist da ein idealer Distributionsweg, um auf sich aufmerksam zu machen.

Sie sind mit Prime Productions nun seit 20 Jahren im Markt aktiv. Wie hat sich Comedy in dieser Zeit verändert?

Ich glaube, dass sich der Comedy-Bereich seit den 90er Jahre hochgradig ausdifferenziert hat. Er ist vielfältiger geworden und auch satirischer. Er ist wegen der Dritten Sender regionaler geworden. Und er ist natürlich auch digitaler geworden. Im klassischen linearen TV gibt es die klare Tendenz, dass die Öffentlich-Rechtlichen mehr Comedy und Kabarett bieten als die Privaten. Bei denen ist momentan aber auch ein Trend zu spüren, wie etwa bei Sat.1. Dort versucht man das ein oder andere Format neu aufzulegen, um an die großen Erfolge der 90er und Nullerjahre anzuknüpfen.

Vermissen Sie eine tägliche Late-Night-Show? Diese Art der Unterhaltung gibt es inzwischen ja nur noch, wenn man sich an jedem Abend auf ein anderes Format einlässt.

Für Zuschauer und uns Macher wäre das eine hochgradig spannende Aufgabe. Die Frage ist, welcher Sender mutig genug ist, das zu einer festen Uhrzeit mindestens vier Mal die Woche zu machen. Als Produzent und Macher schaue ich immer sehr neidisch in die USA, wo ja mehrere Formate on air sind und teilweise sogar parallel laufen.

"Als Produzent und Macher schaue ich immer sehr neidisch in die USA, wo ja mehrere Late-Night-Formate on air sind und teilweise sogar parallel laufen."

Glauben Sie, dass sich ein Sender in naher Zukunft trauen wird?

Eigentlich ist das schon längst überfällig. Ich hoffe, dass ein Sender oder ein Streamingdienst den Mut finden wird. Als nächsten Schritt wird man sich aber wohl erst einmal darauf konzentrieren, ein weiteres Weekly-Format zu etablieren. Es hat sich gezeigt, das man mit Weekly anfängt und dann auf Daily umsteigt.

Die "heute show" wäre ja so eine Weekly, die man sich auch durchaus öfters vorstellen könnte. Gerüchte gibt es ja immer wieder, Sie haben bislang aber immer dementiert.

Für die "heute show" kann ich das definitiv ausschließen und das hat viele Gründe. Eine tägliche Ausgabe wäre vor allem in der Qualität und Dichte nicht machbar. Wir lassen die Woche in knapp 35 Minuten Revue passieren und legen immer einen klaren Fokus auf das politische Zeitgeschehen, damit haben wir in mittlerweile neun Jahren ein echtes Lagerfeuer geschaffen. Auch im ersten Halbjahr 2018 erreichen wir jeden Freitagabend nahezu vier Millionen Zuschauer. Wenn man auf die Quoten im Detail blickt sieht man, dass wir um 22:30 Uhr viele Zuschauer von anderen Sendern neu hinzugewinnen. Das ist im linearen Fernsehen mittlerweile eine sehr große Ausnahme. Wir wollen es dabei belassen, es ist perfekt so wie es jetzt ist.

Zuletzt haben Sie den Online-Bereich der "heute show" stark ausgebaut. Aber was ist linear noch möglich? Es wäre doch, abseits der Frage nach einer grundsätzlich höheren Schlagzahl, zum Beispiel auch schön gewesen, die ZDF-Berichterstattung zur Bundestagswahl mit einer "heute show" abzuschließen.

Seitdem wir unseren Freitagabendslot haben, machen wir konsequent 33 Ausgaben pro Jahr. Wir starten Ende Januar und verabschieden uns in der ersten Juni-Woche, ehe wir Ende August erneut starten. Das ist ein Rhythmus, der auch ein bisschen der ZDF-Programmplanung geschuldet ist: Im Sommer beginnen Mitte Juni die großen Sportevents, wie dieses Jahr die Fußball-WM. Ich bin mir aber sicher, dass mit der Vielzahl an Künstlern, die wir in unserem Ensemble haben, weitere tolle Projekte möglich wären. Das zeigt sich etwa mit "Sketch-History", das nach der "heute show" respektable Quoten einfährt.

Zuletzt gab es einige Angriffe von außen. Bei der AfD ist die "heute show" ein beliebtes Ziel und der gekreuzigte Hase hat auch nicht jedem gefallen. Haben sich diese Angriffe in den vergangenen Jahren verstärkt?

Da kann ich kein System entdecken. Bei der AfD haben wir uns mit dem Stotter-Beitrag einen redaktionellen Lapsus geleistet. Und daraufhin haben wir unsere internen Abläufe und Checks nochmals optimiert. Wir machen unser Programm konsequent weiter und greifen die Themen auf, die wir als wichtig erachten.

Was steht bei Prime Productions neben der "heute show" noch an?

Wir setzen die Reihe für den WDR mit Torsten Sträter fort, "Sträters Männerhaushalt". Dann machen wir für den WDR auch die Retro-Spielshow "Für Immer Kult" mit Guido Cantz. Weitere andere Projekte sind in der Pipeline, aber noch nicht spruchreif.

Und abschließend eine Frage zum Fiction-Bereich: Da haben Sie für Sat.1 die Sketch-Comedy "Knallerfrauen" gemacht, für das ZDF die Sitcom "Ellerbeck". Sonst kommt da derzeit wenig nach. Wieso?

In der Fiction ist die Wettbewerbssituation sehr groß, es wird unfassbar viel entwickelt und produziert. Wir haben uns trotzdem strategisch aus diesem Segment zurückgezogen. Es könnte aber natürlich sein, dass es einmal besondere Projekte und Stoffe gibt, die wir uns näher ansehen. Es gibt aber keine konkrete Comedy-Fiction-Abteilung, die nachhaltig Projekte forciert. Da liegt momentan nicht unser Schwerpunkt.

Herr Hirschberg, vielen Dank für das Gespräch!