Mr. Biller, nach dem Wissenschaftsgenie Albert Einstein, porträtieren Sie für National Geographic nun das Kunstgenie Pablo Picasso. Wie kam es zu dieser Wahl?

Weil wir den weltweiten Erfolg von Genius: Einstein möglichst lange fortsetzen wollen, dafür aber den Beweis erbringen müssen, dass es zumindest mal für den zweiten Teil trägt, mussten wir uns aus Wissenschaft und Forschung verabschieden, ohne sofort in Politik und Wirtschaft abzubiegen. Und als Geschichtenerzähler war ich da sofort von der Idee eines visuellen Künstlers angezogen.

Den man überall in der Welt kennt...

Und nicht nur das. Für einen Sender, der 171 Länder versorgt, brauchen wir auch Figuren, bei denen überall auf der Welt sofort Bilder im Kopf entstehen, wenn man den Namen nur nennt. Weil wir das Publikum allerdings nicht nur belehren, sondern gut unterhalten wollen, muss das Leben dieser Person zudem Stoff für zehn Stunden Entertainment bieten. Denn das ist ja die andere Seite von Picassos Genie: Er hat auch noch ein wirklich großes Leben geführt, 90 Jahre Drama, Leidenschaft, Turbulenzen – für ein Porträt dieser Größenordnung bietet Picasso einfach in jeder Hinsicht die passende Persönlichkeit.

Und was qualifiziert Antonio Banderas abseits vom selben Geburtsort, sie zu verkörpern?

Allen voran, dass er ein herausragender, überaus intelligenter, sehr instinktsicherer Schauspieler ist. Und unterschätzen Sie dieselbe Herkunft nicht: Seine Rolle und ihren Ursprung so genau zu kennen wie Antonio, bringt ungeheure Authentizität in die Darstellung. Picasso war mehr als andere ein Geschöpf seiner Zeit und Verhältnisse, aber auch seiner Umgebung. Um dieses Mysterium zu verinnerlichen, sind dieselben Wurzeln mehr als hilfreich.

War er deshalb die erste Wahl für die Rolle?

Die erste. Und die einzige. Von Beginn an. Ehrlich! Antonio spielt nicht nur Picasso, er ist Picasso. So wie übrigens Geoffrey Rush Albert Einstein war.

Lassen sich die beiden Staffeln darüber hinaus noch vergleichen?

Schwer. Es beginnt schon bei der Bildsprache. Mein Kameramann Mathias Herndl, mit dem ich schon Einstein gemacht und auch sonst oft zusammengearbeitet habe, meinte beim unserem ersten Setbesuch in Málaga, für Picasso bräuchten wir eine ganz andere Farbigkeit und vor allem: wärmeres, leidenschaftlicheres, mediterraneres Licht als beim coolen Einstein. Dafür hat unser Kamera-Hersteller in Prag sogar spezielle Linsen namens T1 gefertigt, die sonst nirgendwo im Einsatz waren. Aber seid euch sicher: nächstes Jahr laufen die überall.

Hatte die Malerei von Picasso Einfluss auf die Fotografie der Serie?

Ich glaube insofern, als ich tatsächlich stärker in Rahmen gedacht habe, als seien meine Bilder Gemälde, in denen jedes noch so kleine Detail im hintersten Eck von Bedeutung ist. Und so, wie ich das Publikum in den Kopf von Einstein reisen ließ, um seine Gedanken besser zu verstehen, unternehmen wir diese Reise auch bei Picasso. Ob das erfolgreich war, müssen Sie und die Zuschauer beurteilen, aber mir war wichtig, nicht nur zu begreifen, was auf der Leinwand sichtbar wird, sondern auch, wie es dazu gekommen ist.

Wussten Sie vor dem Film, was Kubismus ist?

Ich hatte eine Ahnung davon.

Orientiert sich die nonlineare Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Gegenwart in der Serie an Picassos Konzept von Malerei?

Das wäre zu viel der Ehre [lacht]. Aber nonlinear zu erzählen, ist in der Tat eine meiner Methoden, um etwas zum Ausdruck zu bringen. Das war schon bei Einstein der Fall und ist bei einer Figur wie Picasso, dessen Bilder zumindest oberflächlich weltbekannt sind, noch wichtiger. Sich von der strikten Chronologie zu lösen, hilft aber auch, eine Person verständlich zu machen. Dass Picasso als Kind, dessen Leidenschaft für die Kunst zu glühen beginnt, zu hören kriegt, er male falsch, klingelt gewiss auch Jahrzehnte später noch in seinen Ohren und hat sein Genie definitiv geprägt.

Was macht dieses Genie aus – die Nähe zum Wahnsinn?

Nur manchmal. Ein Genie ist jemand, der die Welt völlig neu denkt. Der Antworten auf Fragen sucht, die andere nicht mal stellen, und dabei Bilder, Worte, Zahlen, Töne findet, die bis dahin unbekannt waren. Deshalb bedarf es fürs echte Genie gar nicht unbedingt großer Intelligenz, sondern vor allem einen unglaublich offenen Geist, wie ihn Picasso hatte.