Keine typische Autobiografie, sondern eher ein politisches Buch habe Nico Hofmann vorgelegt, sagt Johannes Jacob, Verlagsleiter der Random-House-Tochter C. Bertelsmann, zur Begrüßung der Gäste in der Berliner Konzernrepräsentanz. Bei der Buchvorstellung dauert es keine zehn Minuten – und im Buch selbst keine 20 Seiten –, ehe der UFA-Chef auf Björn Höcke und Alexander Gauland zu sprechen kommt. Es besorge und alarmiere ihn, so Hofmann, wenn solche Leute eine "erinnerungspolitische Wende" oder einen Schlussstrich unter Deutschlands Nazivergangenheit propagierten.

Der erfolgreiche Produzent, der sowohl im Umgang mit seiner persönlichen Familiengeschichte als auch mit seinem Film- und TV-Schaffen für genau den gegenteiligen Ansatz steht, will sich in die öffentliche Debatte einmischen. Als Motiv nennt er nicht nur den wachsenden Rechtspopulismus, sondern auch die Verflachung der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung. "Ich bin mir bewusst, dass ich aufgrund meines Berufs und meiner Position eine besondere Verantwortung trage", so Hofmann.

Hofmann hat das Buch zusammen mit UFA-Chefdramaturg Thomas Laue geschrieben. Eine erste Fassung mit einem anderen Autor habe man voriges Jahr weggeworfen, sie sei "zu eitel" geraten, erzählt der UFA-CEO am Montagabend in Berlin. Dass das Projekt im Hause Bertelsmann eine gewisse Priorität genießt, lässt sich am Rahmen ablesen: Schauspieler Clemens Schick liest Auszüge aus "Mehr Haltung, bitte!", Moderator Daniel Bröckerhoff führt einen ernsthaften Talk mit dem Autor, befragt aber auch dessen Mutter Ulla Hofmann, ob die Kindheitserinnerungen korrekt seien. "Als ich damals merkte, dass unser Sohn zum Film will und unsere Tochter zum Theater, habe ich mich zunächst gefragt: Was haben wir falsch gemacht?", so die frühere "FAZ"-Wirtschaftsjournalistin, die einst gar ihr Haus verpfändete, damit ihr Sohn einen Film finanzieren konnte.

"Ein Schnapprollo vor dem Schlafzimmerfenster wurde zu meiner ersten Leinwand", schreibt Hofmann über seine Kindheit in Mannheim. "Mit einer Nachttischlampe, die ich davor platzierte, versuchte ich, Bilder darauf zu projizieren, was natürlich nicht gelang. Damit überhaupt etwas auf meiner improvisierten Leinwand zu sehen war, habe ich schließlich in kindlicher Naivität im Schein der Nachttischlampe das Schnapprollo mit den Stiften meiner Mutter mit Cinderellabildern vollgemalt. [...] Doch alles änderte sich schlagartig, als ich meinen Eltern zu meinem elften Geburtstag eine Super-8-Kamera abtrotzte. Ein für damalige Zeiten ungeheuer kostbares Geschenk. [...]

Nico Hofmann: Mehr Haltung, bitte!© C.Bertelsmann
Zum ersten Einsatz kam meine neue Kamera beim Ludwigshafener Fastnachtszug im Februar 1971. Mit der Kamera im Anschlag rannte ich halsbrecherisch zwischen den Wagen herum, kaum geübt im Umgang mit dem neuen Gerät, aber enthusiastisch auf der Suche nach dem besten Motiv und der richtigen Perspektive. Das muss so lebensgefährlich ausgesehen haben, dass irgendwann ein Karnevalist ein Einsehen hatte und mich beherzt mitsamt meiner Kamera auf die Ehrentribüne hob. Dort saß ich nun – nicht zuletzt dank meiner Filmleidenschaft – zwischen den Oberbürgermeistern von Ludwigshafen und Mannheim und dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl, und habe den Rest des Zuges aus dieser Perspektive weitergefilmt."

Bettina Reitz – heute Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film München, Mitte der 90er Hofmanns Geschäftspartnerin beim UFA-Joint-Venture teamWorx – würdigt bei der Buchvorstellung dessen "enormes Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen". Schon vor Nico Hofmann habe es wichtige Köpfe gegeben, die deutsche Geschichte zu TV-Fiction verarbeiteten, doch von Eugen Monk, Edgar Reitz oder Heinrich Breloer habe Hofmann sich mit der "massenwirksamen emotionalen Wahrhaftigkeit" seiner Stoffe abgesetzt.

"Am Anfang der teamWorx-Zeit wollte ich den Erfolg beim Publikum partout erzwingen", räumt Hofmann ein, als Daniel Bröckerhoff ihn auf die Kritik an der melodromatischen Gestaltung von "Dresden", "Die Luftbrücke" oder "Die Flucht" anspricht. Zwei Beweggründe habe er für seinen Weg rückblickend ausgemacht: einerseits die Erfahrung mit Flops aus seiner Arthouse-Zeit als Regisseur, andererseits der unbedingte Wille, zeitgeschichtliche Ereignisse nicht nur intellektuell, sondern auch menschlich-emotional begreifbar zu machen.

Sein Buch nutzt Hofmann, um entlang der von ihm produzierten Filme und Serien aufzuzeigen, wie seine persönliche Suche nach Haltung verlaufen ist und wie er seine gesellschaftliche Verantwortung gefunden hat. Dabei wird mehr als deutlich, dass er Verfechter einer offenen, diversen Gesellschaft ist und ohne breit angelegte Vergangenheitsdebatte keine ernsthafte Zukunftsgestaltung sieht.

"Doch obwohl sich Politiker der AfD und anderer rechter Gruppierungen in ihrer Rhetorik bisweilen am Rande der Volksverhetzung bewegen, wirken die öffentlichen und politischen Reaktionen auf die Ideologie der neuen Rechten bisweilen seltsam hilflos", schreibt Hofmann. "Unsere demokratische Gesellschaft hat anscheinend noch kein Rezept im Ungang mit dem Rechtspopulismus gefunden. Sie wirkt angesichts der Unverfrorenheit und der provozierenden Regelbrüche der Populisten nicht kämpferisch, sondern wie gelähmt. Es scheint, als wäre uns die Fähigekit verloren gegangen, kontrovers zu diskutieren. Dabei brauchen wir die Fähigkeit zur Debatte dringender denn je. Und wir brauchen den Mut zur Kontroverse."

Dass es ihm ernst damit ist, bekommen bei der Buchpräsentation auch die Bertelsmänner zu hören. Unter Bezug auf den Echo-Skandal und die antisemitischen Songtexte der Rapper Kollegah und Farid Bang, mit denen die Bertelsmann-Musiktochter BMG inzwischen nicht mehr zusammenarbeitet, sagt Hofmann: "Solchen Hassbotschaften darf man einfach keine Plattform bieten. Das hat auch nichts mit Kunstfreiheit zu tun. Zwar würde ich das nicht mit AfD-Parolen in einen Topf werfen, aber klar ist doch: Das eine macht das andere salonfähig."

Nico Hofmann mit Thomas Laue: Mehr Haltung, bitte! Wozu uns unsere Geschichte verpflichtet. 224 Seiten. Erschienen im C. Bertelsmann Verlag.