100 Tage ist er jetzt im Amt und Stefan Raue macht nicht eben den Anschein, als stecke ihm seine komplizierte und bis zum letzten Moment unsichere Wahl zum Intendanten des Deutschlandradios noch in den Knochen. Obwohl er am Ende der einzige verbliebene Kandidat war, erhielt er im Juni vom Hörfunkrat exakt so viele Stimmen wie er für eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigte. Seither eilt der Nachfolger des umtriebigen Willi Steul von Termin zu Termin und pendelt jede Woche zwischen Köln und Berlin, wo der Deutschlandfunk seine beiden Standorte hat. 

Für den gebürtigen Wuppertaler ist der neue Job auch deshalb ungewohnt, weil er bis zu seiner Wahl noch journalistisch tätig gewesen ist und in seiner Funktion als trimedialer Chefredakteur beim MDR immer wieder auch selbst vor der Kamera stand. Beim Deutschlandradio überlässt Raue die Berichterstattung nun anderen, während er sich selbst um das große Ganze kümmern muss, so wie an diesem Freitag, wenn er nach München zum Antrittsbesuch bei Heinz Fischer-Heidlberger, dem Vorsitzenden der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten fliegt.

Konkrete Geldwünsche wird Stefan Raue nicht mitbringen, wie er bei einem Abendessen im Berliner Funkhaus vorsorglich sagt. Dass er sich für sein Haus perspektivisch ein höheres Budget erhofft, ist allerdings kein Geheimnis und dürfte längst auch bis zum KEF-Chef vorgedrungen sein. "Es wäre ein gutes Ergebnis, wenn sich der Rundfunkbeitrag etwa an der Kostensteigerung orientiert", betont der Intendant, der zugleich darauf verweist, dass in seinem Haus mittelfristige Sparmaßnahmen im Umfang von etwa zwei Prozent des Jahresetats eingeleitet worden sind.

Gutes Haushalten ist aber alleine schon deshalb angesagt, weil das Deutschlandradio sein Angebot in den vergangenen Jahren deutlich erweitert hat. Deutschlandfunk Nova, in diesem Jahr aus dem DRadio Wissen hervorgegangen, feiert in wenigen Wochen bereits seit seinen achten Geburtstag und bietet mit seiner jungen Ansprache eine klare Alternative zu Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur. Daneben wurden diverse Podcasts an den Start gebracht, von deren Erfolg die Verantwortlichen selbst ein wenig überrascht zu sein scheinen.

Auch die neue Dlf-Audiothek mit bislang knapp 150.000 Downloads von Stefan Raue und seinem Programmdirektor Andreas Weber als gelungen erachtet. Beispiele wie diese zeigen, dass das alteingesessene Deutschlandradio neue Wege gehen will – und gewissermaßen auch muss, um neue Generationen an das Angebot zu führen, das trotz gemeinsamer Projekte unabhängig von ARD und ZDF gestemmt wird. Selbst Spotify ist kein Fremdwort mehr. Radio alleine reicht aus Sicht der Radiomacher eben längst nicht mehr. Im Zuge der Bundestagswahl experiemtierte das Deutschlandradio sogar mit Video-Formaten, was im Übrigen auch im eigenen Haus längst nicht jedem gefielt.

Immerhin: Auf allzu lange Texte im Internet möchte man bewusst verzichten. "Wir werden keine Zeitung im Netz machen", versichert Raue, ergänzt aber, dass es ganz ohne Textbegleitung auch nicht gehen wird. Er ist damit derselben Meinung wie WDR-Intendant Tom Buhrow, der am Donnerstag angekündigt hatte, sich beim Online-Angebot seines Hauses vor allem auf Audio- und Video-Inhalte fokussieren zu wollen – wohl in der Hoffnung, den seit Jahren anhaltenden Streit mit den Verlegern in nicht allzu ferner Zukunft endlich zu den Akten legen zu können. Stefan Raue hat dazu ohnehin eine ganz eigene Meinung: "Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind völlig ungeeignet für Textmasse."