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Manchmal habe ich zu viel Zeit. Eindeutig. Man merkt das an dem Umstand, dass ich mich, wenn mir nichts einfällt, immer wieder beim sinnlosen Herumdaddeln im Netz erwische und urplötzlich festhänge an etwas komplett Sinnlosem. Heute am Morgen habe ich beispielsweise einen Fischotter beobachtet, wie er immer wieder eine Kugel oben in eine von Glas umgebene Spirale bugsierte, um dann ganz aufgeregt herumzuwuseln, bis die Kugel unten wieder zum Vorschein kam und er sie dann wieder oben einfüllen konnte. Ein Otter! Im Video!

Ich frage mich bei solchen Gelegenheiten, ob ich sie noch alle habe, dass ich mir derart die Zeit stehlen lasse. Von einem Otter. Oder etwas später von irgendwelchen sehr wichtigen Menschen, die auf irgendeinem abgelegenen Mediengipfel tagen mit anderen wichtigen Menschen, die sie nicht mögen, die sie aber zu brauchen vorgeben, um irgendwelche Einschätzungen austauschen, die sie ohnehin schon kennen, um das vermeintliche Ergebnis umgehend mit dem Zusatz „very wichtig“ in meine Timeline zu spülen. Manchmal kommen sie noch nicht einmal zu einem Ergebnis. Dann posten sie nur, dass sie vor Ort sind. Mit einem dümmlichem Gruppen-Selfie. Auf dem Gipfel. Da ist mir der Otter in seiner kindlichen Verspieltheit fast schon lieber.

Dann stieß ich noch auf die Newsroom-Eröffnung bei DuMont in Köln, wo offenbar Verlagsobere mit erigierten Pürzeln durch die neue Einrichtung stolziert sind und angesichts der überall präsenten Monitore die handelsüblichen Loblieder auf den Newsroom gesungen haben. Ein Ort der Bewegung und ein Ort der Begegnung sei der Newsroom, schwafelte ein Festredner. Aus dem Fehlen trennender Wände erwachse „diese besondere neue agile Kultur crossmedialer Zusammenarbeit, die es nur in der Offenheit solch moderner Großräume geben kann.“ Nur dort. Ja, nee, is klar.

Um es mal ganz deutlich zu sagen und ein paar lobenswerte Ausnahmen bewusst außer Acht zu lassen: Es gibt kaum trostlosere Orte als den Newsroom einer durchschnittlichen deutschen Zeitung, der in 70 Prozent aller Fälle nichts weiter ist als eine raumminimierende Sparmaßnahme des einfallslosen Verlegers. Römische Galeeren waren gegen die meisten Newsrooms kuschelige Orte für Hobbyruderer, und wenn man mal länger in solch einem Newsroom verharrt, sieht man das mit der Käfighaltung für Legehennen nicht mehr als ganz so tragisch an. Warum soll es den Hühnern besser gehen als Journalisten? Gar nicht zu reden von Ottern, die abgerichtet wurden, Kugeln in Spiralen zu stopfen.

Einen Vorteil haben solche Newsrooms natürlich aus Verlegersicht. Niemand kann dort unbeobachtet Otter-Videos schauen. Das würde auffallen und die Ausrede, man bereite das Video gerade mit dem Zusatz „Du glaubst nicht, was passiert, wenn der Otter die Kugel zu fassen kriegt“ fürs hauseigene Klickbordell vor, zöge nur einmal.
Da lobe ich mir doch mein Dasein als Freiberufler, der es sich leisten kann bei Anfällen von Langeweile zusätzlich nach Otternasen zu googeln. Hatte ich doch irgendwo mal gehört. Ich wurde fündig - in „Das Leben des Brian“.

Von dieser Erkenntnis war es nur ein kurzer Weg zur Frage, ob der Otter nach dem Kugelspiel zum Mediengipfel gereist ist. Mit oder ohne Nase. Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass sein Tun in Sachen Sinnhaftigkeit dem dortigen Tun sehr nahe kommt. Aber wahrscheinlich schaffen es Otter nicht auf Berge, weshalb mein spezieller Otter künftig im Newsroom anschaffen muss, wo er auf Politiker wie die Kölner Oberbürgermeisterin stößt, die lauthals das Lied der Verleger singt und behauptet, der Newsroom werde zur „Geburtsstation für eine neue Art, journalistisch zu denken und zu handeln.“

Ganz ehrlich, das ist der Mediengipfel. Da schaue ich doch lieber dem Otter beim Rotieren zu. Du glaubst nicht, was beim 34. Durchlauf passiert.