In der Vergangenheit ist Talpa Germany nicht zwangsläufig durch die Produktion von Serien aufgefallen und nachdem die Adaption der niederländischen Serie "Divorce" für RTL vor drei Jahren nach nur einer Staffel eingestellt worden ist, wurde es zunächst still um neue Projekte. Hinter den Kulissen der Berliner Produktionsfirma, die für Quoten-Hits wie "The Voice" und "Sing meinen Song" verantwortlich zeichnet, ist seither jedoch viel geschehen. In diesem Jahr realisierte die Mannschaft um Fiction-Chef Carsten Kelber mit "Jerks" die erste deutsche Serie für einen Streamingdienst und kam damit noch Amazon und Netflix zuvor, und gerade ist die erste von zwei neuen Talpa-Serien für RTL an den Start gegangen.

"Bad Cop - kriminell gut" nennt sich der jüngste Neustart, der von einem Kleinkriminellen handelt, der nach dem Tod seines Zwillingsbruders nicht nur in dessen Rolle als Kommissar, sondern auch in die des Ehemanns und Vaters schlüpft. Mit "Jenny - echt gerecht" folgt bald noch eine Serie über eine alleinerziehende Anwaltsgehilfin die es schafft, ihrem Chef die Fälle und den Kopf zu verdrehen. Das alles klingt eher nach Hausmannskost und Bodenständigkeit als nach Hochglanz-Produktion, von der heute so viele schwärmen, passt jedoch erklärtermaßen zur Strategie von RTL, wo man sich nach leicht konsumierbaren fiktionalen Stoffen sehnt.

Carsten Kelber© Talpa Germany
"Wenn man 'Bodenständigkeit' mit glaubwürdigen Charakteren übersetzt, wäre das für mich ganz klar eine Grundvoraussetzung", sagt Produzent Carsten Kelber (Foto) im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de über seine beiden RTL-Projekte. "Aber es geht viel mehr um die Frage: Finde ich mich in dieser Figur wieder? Erkenne ich etwas von mir in ihr? Das ist aus meiner Sicht essentiell und auch bei beiden Serien eingelöst. Dabei ist die Prämisse bei 'Bad Cop' - ein Zwilling schlüpft in das Leben des anderen Zwillings - ja durchaus steil, was für mich aber gar keinen Widerspruch bedeutet." Jenny sieht er dagegen als "moderne Heldin", weil sie Hoffnung verbreitet, obwohl sie im Leben kämpfen muss.

Dass zwei starke Persönlichkeiten im Mittelpunkt der Serien stehen, ist freilich kein Zufall - und auch eine der Lehren aus dem Misserfolg von "Männer". "Zur Zeit würde ich bei RTL deutlich auf Protagonistenstücke setzen, weniger auf Ensemblestücke", betont Kelber. Daneben sei auch eine starke Fall-Bezogenheit wichtig, also der klassische "Fall der Woche", wie man ihn aus typischen Procedurals kennt. "Beide Aspekte haben wir in unseren neuen RTL-Serien umgesetzt. Die spannenden und emotionalen Horizontalen, die ja zusätzlich in den Serien liegen, bilden eher ein Versprechen, sei es wie bei 'Bad Cop' die Spannungsfrage 'Fliegt Jan Starck auf, oder nicht?', oder bei 'Jenny' die Romantic-Comedy-Setzung mit der Frage 'Werden Jenny und Max langfristig ein Paar, oder nicht?'"

Bad Cop - Kriminell gut© RTL/Georges Pauly

Doch woran erkennt man nun die Talpa-Handschrift? Carsten Kelber spricht etwa von einem "klaren Bekenntnis zu guter Unterhaltung" und verweist auf eine gute Besetzung. Tatsächlich hat man mit David Rott und Christian Ulmen zwei hochkarätige Schauspieler für die jüngsten Projekte gewinnen können. Doch Kelber geht es eben auch um "gesellschaftlich relevante Aspekte" wie Gerechtigkeit oder die Frage, nach welchen Regeln und welchem gesellschaftlichen Konsens das Zusammenleben gestalten kann - Letzteres spielt vor allem bei "Jerks" eine Rolle. Die Zusammenarbeit mit Ulmen sei in diesem Fall die erste Idee gewesen, betont der Fiction-Chef von Talpa und lobt den Hauptdarsteller in höchsten Tönen.

Man müsse Ulmen nicht erklären, "wie Humor funktioniert und so kam der Gedanke auf, Christian auch die Regie anzubieten", so Kelber zu DWDL.de. "Er hat dann auch den Castingprozess begleitet, und so kam unser einmaliges Ensemble mit Emily Cox, Fahri Yardim, Pheline Roggan und anderen zusammen. Ich rechne den Vieren hoch an, mit welchem Mut sie in diese Produktion gegangen sind. Denn mutig muss man sein, wenn man unsere 'Jerks'-Geschichten erzählen will." Die Mischung kam so gut an, dass die unkonventionelle Maxdome-Serie mit einer Romy ausgezeichnet und jüngst auch für den Comedypreis nominiert worden ist. Eine zweite Staffel soll 2018 ausgestrahlt werden.

Spannend wird das Jahr für die Fiction-Abteilung von Talpa aber nicht zuletzt mit Blick auf "Milk & Honey", also jene Serie, die bei Vox in die Fußstapfen des Überraschungs-Hits "Club der roten Bänder" treten soll. "Wir lassen uns nicht von dem großen Erfolg dieser grandiosen Serie einschüchtern", erklärt Carsten Kelber selbstbewusst. "Um unsere Arbeit gut zu machen, müssen wir uns davon frei machen, sonst können wir nicht kreativ denken und sein." Die "Familienserie der anderen Art", wie er sie nennt, handelt von vier Freunden, die auf dem Land leben und dort einen Escortservice für Frauen betreiben, und soll "eine ganz eigene Tonatlität und Temperatur" haben als der "Club", verspricht Kelber.

Aktuell unternehme man bereits erste Casting-Schritte, doch bis zur Produktion und Ausstrahlung der deutschen Adaption der israelischen Serie wird noch reichlich Zeit verstreichen. Bis dahin wird man auch wissen, wie es um die Zukunft von "Bad Cop" bestellt ist, das in der vorigen Woche mit einigermaßen ernüchternden Quoten bei RTL gestartet ist. Bleibt noch die Frage, wie es für Talpa um mögliche Fiction-Aufträge bei den Öffentlich-Rechtlichen bestellt ist. Darauf angesprochen, gibt sich Carsten Kelber kämpferisch: "Wir sind dran!"

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