Können Sie sich noch an die landauf, landab gehörte Forderung nach einem "deutschen Hulu" erinnern? Nicht nur die Fernsehzuschauer gierten danach, auch die Sender schienen dazu bereit, scheiterten letztlich mit ähnlichen Plänen am Veto des Kartellamts. Das war in den Jahren 2008 und 2009. Hulu war ein Joint Venture von Disney-ABC, Fox, NBC Universal und Time Warner und bot gebündelt in einem Angebot Fernseh-Inhalte von deren Sendern zum Abruf, kostenfrei und werbefinanziert. Die Zukunft des Fernsehens sahen nicht wenige darin.

Das ist acht Jahre her - und vom Shootingstar-Dasein ist Hulu inzwischen weit entfernt. Zwischenzeitlich wollten die Eigentümer sich von Hulu trennen, immer wieder stand zu befürchten, dass sie ihre Inhalte lieber exklusiv auf eigenen Plattformen verwerten oder sie anderen Anbietern wie Amazon oder Netflix verkaufen, die mehr Geld dafür bieten. Die neuen Cool-Kids-in-Town waren in Sachen VoD im Internet längst andere wie Netflix oder Amazon Prime Video.

Doch Hulu hat überlebt, trotz all der neuen Konkurrenz - und erlebt derzeit so etwas wie einen zweiten Frühling. Die Macher haben längst erkannt, dass es nicht reicht, einfach nur die Serien der Networks nochmal im Internet bereitzustellen, wenn man mit Angeboten wie Netflix & Co. dauerhaft konkurrieren will - nötig sind Eigenproduktionen, die man nur mit einem Abonnement von Hulu sehen kann. Solche eigenen Formate gibt es schon länger, eigene Drama-Serien hat man aber erst im vergangenen Jahr ins Angebot aufgenommen.

Dazu gehörte etwa die Miniserie "11.22.63" über einen Zeitreisenden, der versucht den Anschlag auf John F. Kennedy zu verhindern. Mit J.J. Abrams hatte man da schon auf einen großen Namen als Regisseur gesetzt. Die Kritiken waren gut, allzu viel Anerkennung in Form von Preisen gab es trotzdem nicht. Im vergangenen Jahr sprang eine Emmy-Nominierung für Spezialeffekte heraus, das war's dann auch. Auch die zweite große Serienproduktion "The Path" fand nur überschaubaren Anklang.

Um als ernstzunehmender Anbieter in Sachen hochwertiger Serien wahrgenommen zu werden, braucht es einen Eisbrecher, so wie es einst "House of Cards" bei Netflix war. Für Hulu ist das "The Handmaid's Tale". Die düstere Serie spielt in einem aus den USA erwachsenen totalitären Regime, in dem Frauen zum Eigentum des Staates erklärt wurden, nachdem die Geburtenrate als Folge zahlreicher Umweltkatastrophen dramatisch gefallen war. Die Hauptfigur, gespielt von Elisabeth Moss, ist eine der wenigen noch gebärfähigen Frauen und im Haushalt eines ranghohen Kommandantenstationiert. Als Magd ist sie eine Leibeigene, gezwungen zu sexuellen Diensten und dem Gebären von Kindern. Das Regime rechtfertigt dies mit dem Ziel, die zerstörte Welt wieder bevölkern zu wollen. Kaum eine Serie in diesem Jahr erzählt eine so düstere, bedrückende Geschichte.

Die Kritiker überschlagen sich mit Lob, bei den diesjährigen Emmys gab es gleich 13 Nominierungen, unter anderem als Beste Dramaserie und für Elisabeth Moss als Beste Hauptdarstellerin in einer Dramaserie. Für Hulu kommt ein solcher Erfolg gerade zur rechten Zeit - nämlich in einem Moment, in dem der Trend dahin zu gehen scheint, dass jeder Medienkonzern, der etwas auf sich hält, sein eigenes kostenpflichtiges VoD-Angebot starten will. In dieser immer unübersichtlicher werdenden Streaming-Landschaft werden Leuchttürme immer wichtiger. Egal ob "Handmaid's Tale" am kommenden Sonntag noch weitere Preise abräumen wird (neben Elisabeth Moss und der Serie selbst sind auch noch Ann Dowd und Samira Wiley als Nebendarstellerinnen  und Reed Morano und Kate Dennis für die Regie nominiert): Schon jetzt ist die Serie ohne Frage ein solcher, wie die zahlreichen Nominierungen belegen.