Obwohl die Marijuana-Legalisierung in Amerika immer weiter voranschreitet – so ist die "weiche Droge" bereits in acht Bundesstaaten legal erhältlich und in weiteren als Arzneimittel zugelassen – sträuben sich die europäischen Staaten nach wie vor, die gleichen Wege zu ebnen. Man könnte stundenlang darüber diskutieren, welche Orientierung die richtige ist. Auf der einen Seite kann THC, der rauschbewirkende Bestandteil der Hanfpflanze, Leiden lindern und in der Medizin wahre Wunder bewirken. Andererseits kann Gras bei manchen Personen auch zu Horror-Trips führen. Das Gefühl, das man dabei entwickelt, ist alles andere als schön und tragischerweise genau das Gleiche, das "Disjointed" vermittelt, die neue Netflix-Comedy von "The Big Bang Theory"-Schöpfer Chuck Lorre.

Richtig gelesen, Chuck Lorre hat eine neue Show. Das Sitcom-Mastermind, dass für "Two and a Half Men", "Mike & Molly" und "Dharma & Greg" verantwortlich war, sowie für die immer noch laufenden Dauerbrenner "Mom" und "The Big Bang Theory", kann die Finger einfach nicht still halten und saß neben "Young Sheldon", dem "TBBT"-Spin-Off, dass diesen September erscheint, auch noch an der ersten Staffel von "Disjointed". Der Mann hat also Ahnung von seinem Fach und müsste im Prinzip wissen, welche Knöpfe er drücken muss, um seine Audienz zum Lachen zu bringen. Auf den ersten Blick und mit versteinerter Mine, stellt man sich nach den ersten Episoden jedoch die Frage, ob er dieses Mal nicht zu viele davon gedrückt hat.

Auf Biegen und Brechen wird nämlich mit aller Gewalt versucht, wirklich jeden gängigen Marijuana-Gag mitzunehmen. Von Null-Checker-Szenen, die Dialoge zeigen, die nach Minuten einfach im Sande verlaufen, so wie bei jeder Stoner-Unterhaltung, bis hin zu CGI-Rauchwolken, die auf billigste Weise zeigen sollen, dass wirklich überall geraucht wird, hat man absolut jede Mühe gescheut, das Thema auf keine plumpe Art zu zeigen. Und um ja nicht zu vergessen, wie viele dieser Witze es gibt, läuft im Hintergrund durchgehend ein Lach-Tape, das vor Ohren führen soll, wie lustig das Ganze doch eigentlich ist. 

"Stoners love a good shit joke", wird an einer Stelle verkündet. Und genau damit könnte auch "Disjointed" zum nächsten Lorre-Erfolg werden, der bisher noch keine einzige Sitcom nach der ersten Staffel aufgeben musste. Zuversicht ist jedenfalls bereits bei der Produktion vorhanden gewesen, hat man direkt 20 Folgen der Sitcom abgedreht, die in einer Cannabis-Apotheke in Los Angeles spielt. Gemeinsame mit ihrem Sohn Carter (Aaron Moten), sowie einer Handvoll Mitarbeiter, möchte Kathy Bates ("Misery") in der Rolle von Ruth (oder bei genauerem Hinschauen: Charlie Harper 2.0), ihr Geschäft am Leben erhalten – ist dabei jedoch beinahe durchgängig, wer hätte es gedacht, high.

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Mit der Oscar-Preisträgerin hat man ein derartiges Niveau in die Show geholt, das an keiner anderen Stelle gleichwertig zu spüren ist. Bates sieht man an, dass sie ihre Szenen locker weggespielt hat und deutlich Spaß daran hatte, an so etwas unverfänglichem teilzuhaben. Blöderweise hat sie, um bei "Disjointed" mitzumachen, jedoch ihren Auftritt in der siebten Staffel von "American Horror Story" platzen lassen, wo sie eigentlich seit 2013 fester Bestandteil ist. Ob es sich lohnt, eine plumpe Kiffer-Komödie gegen eine Emmy-Serie einzutauschen? Fraglich.

Wenn man es bis zur zweiten Episode von "Disjointed" schafft, dürfte es bei einigen Zuschauern zudem zu einem Déjà-vu kommen. Vor über einem Jahr stellte Netflix nämlich "The Ranch" online, eine Country-Komödie mit Ashton Kutcher. Sie wurde zwar von Don Reo ("Blossom") ins Leben gerufen, und nicht von Chuck Lorre, schlägt jedoch in die gleichen Kerben wie Netflix neuester Streich. Man nehme ein austauschbares Setting, dass im Vordergrund Diversität heuchelt und Gags, die in der breiten Masse funktionieren. "The Ranch" bekam durchschnittliche bis schlechte Kritiken, wurde jedoch bereits um eine dritte Staffel verlängert, die 2018 on air gehen soll. Ein weiterer Grund, warum Netflix optimistisch ist, dass auch "Disjointed" seine Quote erfüllen wird. 

Am traurigsten stimmt die Erkenntnis, dass das Kiffer-Setting nur zum Zuschauer-Fang genutzt wurde. Es scheint nämlich so, dass keiner der Beteiligten jemals selbst mit Marijuana in Berührung gekommen ist. Das ist natürlich nichts, was es zu bereuen gilt, hier wurde dadurch jedoch lediglich eine Kiffer-Komödie auf die Beine gestellt, die höchstens Nicht-Kiffer wirklich lustig finden können, die sowieso schon auf der Con-Seite der Legalisierung stehen. Ein Pluspunkt kann Chuck Lorre und Netflix also gegönnt werden: Sie haben mit "Disjointed" eine dermaßen cringe-würdige Sitcom geschaffen, die schlagartig realisieren lässt, dass Gras konsumieren gar nicht mal so cool ist. 

Der erste Teil von "Disjointed", der aus zehn Episoden besteht, steht ab sofort auf Netflix als Stream zur Verfügung.