Zugegeben, es fällt nicht schwer, sich über Sport1 zu amüsieren. Frauen räkeln sich im Nachtprogramm, nachmittags machen die Jungs von "Storage Wars" ihre Geschäfte und als einer der letzten Sender hat Sport1 noch immer Call-in-Shows im Programm. Selbst die ganz großen Sportrechte kommen allmählich abhanden. Die 2. Liga hat man jüngst verloren und die Europa League wird mit ziemlicher Sicherheit ab der nächsten Saison bei Nitro beheimatet sein. Das alles klingt nicht eben nach einer Erfolgsgeschichte. Doch manchmal lohnt sich durchaus ein zweiter Blick, denn mit dieser oft kruden Programm-Mischung ist Sport1 durchaus erfolgreich unterwegs. Auf Marktanteile um einen Prozent bringt es Sport1 im Schnitt – und ist damit im Übrigen weit erfolgreicher als der Konkurrent Eurosport, der zwar mit Olympia und Bundesliga die Schlagzeilen beherrscht, aber dem Konkurrenten aus Ismaning hinsichtlich der Quoten weit hinterherhinkt.

Weil Sport1 noch dazu finanziell erfolgreich ist, überrascht es nicht, dass in den vergangenen Monaten ein Verkauf des Senders im Raum stand, der dem Mutterkonzern Constantin Medien dringend benötigtes Geld bescheren sollte. Das Unternehmen steckt aktuell angesichts eines im September auslaufenden Darlehens in Höhe von 36 Millionen Euro und einer auslaufenden Schuldverschreibung über 65 Millionen Euro im kommenden Jahr zusätzlich zu den Streitigkeiten zwischen Dieter Hahn und Bernhard Burgener über die Hoheit im Konzern in der Bredouille. Ob Sport1 tatsächlich verkauft wird, ist noch längst nicht ausgemachte Sache. Dass zumindest darüber spekuliert werden kann, hat man bei Constantin Medien vor allem Olaf Schröder zu verdanken.

Schröder, lang gewachsen und mit tiefer Stimme versehen, kennt den Laden seit mehr als 20 Jahren und hat schon so manchen Eigentümer kommen und gehen sehen – er war gewissermaßen stets mittendrin statt nur dabei. Als der Sender 1993 unter dem Namen DSF startete, hatte im Hintergrund noch Leo Kirch das Sagen, später zeitweise sogar der inzwischen längst untergegangene Handelskonzern KarstadtQuelle. Als Schröder vor knapp vier Jahren zum Geschäftsführer aufstieg, war die Not groß: Schlechtes Image, schlechte Quoten, schlechte Stimmung. Tatsächlich gab es anfangs nicht viele, die ihn um seinen Job beneideten, doch Schröder packte an, gab dem Programm eine dringend nötige Struktur und ließ nach außen nie einen Zweifel daran, wie ernst es ihm ist.

Olaf Schröder© Constantin Medien / Nadine Rupp
Das merkten Journalisten übrigens immer dann, wenn der Chef mal höchstpersönlich zum Hörer griff, weil ihm ein Aspekt in der Berichterstattung sauer aufstieß. "Wie eine Bärenmutter für seine Jungen" kämpfe er für Sport1, sagte Schröder (Foto) einmal am Rande eines Gesprächs. In solchen Momenten konnte man sich gut vorstellen, wie das wohl ablaufen muss, wenn er über neue Sportrechte verhandelt. 2015 landete Sport1 in einem solchen Poker einen echten Coup: Der Sender sicherte sich die Europa League und hatte anfangs auch noch das Glück, mit Dortmund und Schalke zwei Vereine im Wettbewerb zu haben, die eigentlich viel lieber in der Königsklasse gespielt hätten. Als Dortmund gegen Liverpool ausschied, konnte sich Sport1 über einen neuen Quoten-Rekord freuen.

Reichweiten von mehr als sechs Millionen Zuschauer werden auf absehbare Zeit jedoch der Vergangenheit angehören, weil Sport1 die Rechte an der Europa League wohl an RTL verliert, wo man viel Geld für Fußball ausgibt, um gegen sinkende Marktanteile anzukämpfen. Das ist bislang zwar nur ein Gerücht, doch angesichts deutlich gestiegener Preise wäre ein weiteres Engagement für den Sportsender kaum noch lukrativ. Gleiches gilt für das Montagsspiel der 2. Liga, das Sport1 mehr als 20 Jahre im Programm hatte. Während Bielefeld und Bochum in dieser Woche bei Sky aufeinandertrafen, übertrug Sport1 Wattenscheid 09 gegen Wuppertaler SV. Regionalliga, gewiss kein Leckerbissen, aber ähnlich viele Zuschauer wie die Profis zu einem Bruchteil des Zweitliga-Preises. Wer da wohl das bessere Geschäft gemacht hat?

Kompromisse schließen, Verbündete suchen

Die Sache mit der Regionalliga zeigt ganz gut, wie bei Sport1 inzwischen gehaushaltet wird. Es tue weh, die Spiele woanders zu sehen, räumte Sport1-Chef Olaf Schröder vor einem Jahr im DWDL.de-Interview ein. "Aber wenn man etwas richtig groß macht, weckt man Begehrlichkeiten und muss damit rechnen, dass irgendwann ein anderer Anbieter die Rechte erwirbt. Doch so groß solche Gefühle auch sind, entscheidend ist die objektive wirtschaftliche Betrachtung." Es ist gewiss keine einfache Situation für das kleine Sport1, weil die Preise für Sportrechte aktuell förmlich durch die Decke schießen. Den großen und damit kaum mehr refinanzierbaren Rechten zu widerstehen und im Zweifel Poker, Darts und Drohnenrennen zu übertragen, verdient zumindest Anerkennung – auch wenn sich in der öffentlichen Diskussion das Maul darüber oft genüsslich zerrissen wird, ob es dafür überhaupt einen Sportsender braucht.

Immer wieder gilt es, Kompromisse zu schließen und Verbündete zu suchen. Als die Perform Group im vorigen Jahr ihren Sportstreaming-Dienst DAZN auf den Markt wuchtete, schloss Sport1 eine Partnerschaft mit dem Konkurrenten. Und die Eishockey-Liga überträgt der Sender nur deshalb, weil eine Einigung mit der Telekom gelang. Nur zwei von mehreren Beispielen. Ein weiteres: Als man nach vier Jahren die Audio-Rechte an der Fußball-Bundesliga für seinen Radiosender Sport1.fm verlor, ging die Constantin-Tochter Plazamedia auf den neuen Rechte-Inhaber Amazon zu – und mischt nun zumindest als Produzent weiter mit. Kreativ zeigt man sich zudem seit Jahren bei der Champions League: Weil das nötige Kleingeld für die Übertragungen fehlt, wird im "Fantalk" einfach über die Spiele gesprochen. Die Quoten stimmen trotzdem. Wie zu hören ist, will man das schon bald auch samstags während der Bundesliga so handhaben.

Beim Bundesliga-Poker ist Sport1 im vorigen Jahr übrigens nur einmal als Sieger hervorgegangen. Es ging um die Spielausschnitte, die man im "Doppelpass" zeigen kann, dem bis heute wichtigsten Fußball-Talk des Landes. Ohne diese Rechte, mutmaßt man in Ismaning, hätte der Klassiker am Sonntagmorgen wohl kaum überlebt. "Angesichts der Lizenzsummen, die die letzte Bundesliga-Ausschreibung mit sich brachte, sei die Frage erlaubt, ob da am Ende alle mit einer schwarzen Zahl herausgehen werden", sagte Olaf Schröder vor einem Jahr und schob wohl nicht ganz ohne Stolz hinterher: "Ich kann von Sport1 behaupten, dass wir mit der Fußball-Bundesliga weiterhin wirtschaftlich gut dastehen." Ja, man kann sich über Sport1 amüsieren. Man kann allerdings genauso gut würdigen, wie sich der Sender in seinem schwierigen Umfeld behauptet. Gut möglich, dass er auf diese Weise die letzte Rettung für Constantin Medien ist.

Mehr zum Thema