Wer Fernsehen macht, weiß nur allzu gut, dass der Erfolg bestimmter Genres in Wellenbewegungen erfolgt. Das gilt nicht zuletzt für den Nachmittag: Waren es einst die Talkshows, die das Bild bestimmten, löste später Barbara Salesch den Boom der Gerichtsshows aus – bis 2009 Formate wie "Verdachtsfälle" kamen, die mit teils hanebüchenen Geschichten das Publikum scharenweise vor dem Fernseher versammelten. In ihrer Hoch-Phase verzeichneten die Scripted Realitys Marktanteile von teils mehr als 30 Prozent in der Zielgruppe, doch davon ist RTL inzwischen weit entfernt. Auch Sendungen wie "Auf Streife", in denen echte Polizisten bei nachgestellten Einsätzen begleitet werden, scheinen ihre besten Zeiten hinter sich zu haben.

Doch wie genau sieht er nun eigentlich aus, der derzeitige Trend am Nachmittag? Sicher: Nimmt man die Gesamtzahlen zur Hand, dann ist die ZDF-Trödelshow "Bares für Rares" der Konkurrenz mit weit über als zwei Millionen Zuschauern weit enteilt. Ganz nebenbei zeigt sie, dass es auch in einem fragmentierten Markt möglich ist, regelmäßig Marktanteile von 20 Prozent und mehr zu erzielen. Beim jungen Publikum ist die Situation dagegen längst nicht so eindeutig: Was die vermeintliche Zielgruppe sehen möchte, lässt sich aktuell nicht mit letzter Gewissheit sagen, wie der Blick auf den 15-Uhr-Sendeplatz zeigt, der aus Quotensicht zu den derzeit spannendsten im deutschen Fernsehen zählt.

Spannend ist er vor allem deshalb, weil momentan gleich fünf Sender auf ähnlichem Quoten-Niveau unterwegs sind und um die Marktführerschaft bei den 14- bis 49-Jährigen buhlen. "Verdachtsfälle", einer der größten Daytime-Hits der vergangenen Dekade, bringt es seit Jahresbeginn bei RTL im Schnitt nicht mal mehr als elf Prozent. Auch diverse Versuche, frischen Wind in das Genre zu bringen, schlugen fehl. Erst am vorigen Donnerstag hagelte es für die Spezial-Folge "Hinter verschlossenen Türen" mit nur 5,3 Prozent Marktanteil einen katastrophalen Tiefpunkt für den Marktführer – ein Wert, mit dem sich RTL zu diesem Zeitpunkt sogar kabel eins geschlagen geben musste.

Nimmt man nur die Juli-Quoten zur Hand, dann ergibt sich übrigens ein erstaunliches Bild: Marktführer um 15 Uhr ist nämlich Vox. Dort schwimmt "Shopping Queen" – immerhin auch schon seit mehr als fünf Jahren im Programm – derzeit auf einer echten Erfolgswelle. In der zurückliegenden Woche stellte die Dokusoap mit Guido Maria Kretschmer mehrfach mit fast 16 Prozent Marktanteil neue Rekorde auf. Im Monatsschnitt kam "Shopping Queen" auf immerhin 10,7 Prozent, was bereits reichte, um die ProSieben-Sitcom "The Middle" mit knapp über zehn Prozent auf den zweiten Rang zu verweisen.

Langzeittrend: Shopping Queen
Shopping Queen

Dahinter folgte dann auch schon das ZDF: "Bares für Rares" bewegte sich auch beim jungen Publikum mit einem durchschnittlichen Juli-Marktanteil von 9,1 Prozent weit über den Normalwerten des Mainzer Senders. Einen Monat zuvor hatte der Monatsschnitt sogar bei mehr als zwölf Prozent gelegen – Spitzenwerte von bis zu 16,1 Prozent zeigen, welches Potenzial in der beliebten Show mit Horst Lichter schlummert. So viel Potenzial, dass man der Versuchung erliegt, einen weiteren Sendeplatz damit zu füllen? Auf DWDL.de-Nachfrage betont das ZDF, dass trotz diverser schon getesteter Trödelshow-Ableger derzeit keine Änderungen für den Folge-Sendeplatz um 16:00 Uhr geplant sind.

Und auch wenn die Quoten von "Bares für Rares" in den vergangenen vier Wochen wieder ein Stück zurückgegangen sind: Im Juli konnte sich das ZDF um 15:00 Uhr erneut gegen die langjährigen Nachmittags-Platzhirsche RTL und Sat.1 durchsetzen. Sowohl die "Verdachtsfälle" als auch "Auf Streife – Berlin" enttäuschten mit durchschnittlichen Marktanteilen um neun Prozent in der Zielgruppe. Kein Wunder also, dass man sowohl in Köln als auch in Unterföhring bereits Ausschau hält nach neuen Programmfarben. Sicher ist wohl, dass das Publikum wieder verstärkt zu echten Geschichten neigt.

Einzig darauf will man sich bei RTL jedoch nicht verlassen. "Wir fahren weiterhin bei unseren Entwicklungen am Nachmittag zweigleisig", sagt eine Sendersprecherin zu DWDL.de mit Blick in die Zukunft. "Einerseits setzen wir gemeinsam mit unseren Partnern die Entwicklung im Genre 'Scripted' fort, andererseits produzieren wir, wie bereits kommuniziert, neue Factual-Piloten, die wir zum Season-Start on und off air testen werden." Gesucht wird nichts weniger als der nächste Daytime-Boom.