Wenn Reden Silber ist und Schweigen Gold, dann hat Sat.1 mit seinem neuen Format einiges richtig gemacht. Es hört auf den Namen "Der Augenblick – Verzeihen ohne Worte" und und kommt tatsächlich erstaunlich lange ohne Gequassel auf. Aus gutem Grund: Im Mittelpunkt der Sendung stehen nämlich zwei Personen, die sich einmal nahestanden und – mal schnell, mal schleichend – voneinander entfernt haben. In Sat.1 sitzen sie sich nun auf zwei Holzstühlen gegenüber und müssen sich zehn Minuten lang möglichst schweigend in die Augen blicken. 

Der Titel der Sendung ist daher also wörtlich zu nehmen und gewisserweise hat der Sender recht, wenn er diese als "einzigartiges TV-Experiment" anpreist. Zumindest ungewöhnlich ist der Ansatz, zwei Menschen dabei zu beobachten, wie sie nichts weiter tun, als sich anzusehen. Wer nun denkt, dass das ziemlich schnell ziemlich öde wird, der muss sich eines Besseren belehren lassen. Wenn sich zwei Personen derart lange anblicken, dann gibt die Mimik viel mehr preis als das bei bloßen Gesprächen der Fall wäre.

Die etwas strenge Psychoanalytikerin Dr. Sandra Köhldorfer, die Sat.1 als moderierende Expertin verpflichtet hat, erklärt dieses Phänomen in ihrem österreichischem Akzent damit, dass sich in dem Moment, in dem sich die Augen treffen, die Gefühle beider Menschen "synchronisieren". Und das klappt in der ersten Folge dann auch erstaunlich gut: In allen drei Fällen liegen sich die Streithähne am Ende in den Armen – dass das eine tränenreiche Angelegenheit ist, versteht sich von selbst. Manchmal wird sogar bereits geweint, bevor das eigentliche Experiment überhaupt begonnen hat.

Zu Beginn der Sendung ist es der 28-jährige Sven, der seine Mutter nach zwei Jahren wiedersehen möchte. Weil sie ihn damals vor seinem Sohn beleidigte, brach er den Kontakt ab. Heute sagt er, er wolle einfach "mit Mama reden, mehr nicht". Durch einen spärlich beleuchteten Gang betritt Sven schließlich jenen Raum, in dessen Mitte die besagte Holzstühle stehen. Kurz darauf sitzt ihm seine Mutter gegenüber. "Du bist irre", sagt sie ungläubig und er haucht in ihre Richtung: "Du hast dich verändert." 

Obwohl die beiden von Kameras umgeben sind, entsteht ein unglaublich intimer Moment, der sich auch auf den Fernsehzuschauer überträgt, und es lässt sich an ihren Gesichtern förmlich ablesen, was in ihnen vor sich geht. Irgendwann lassen die Tränen nach und machen den Weg frei für ein Lächeln und strahlende Augen. Dann, nach zehn Minuten, wird das Licht gedämmt und Mutter und Sohn verlassen den Raum. "Es ist wie, wenn man mir ein neues Kind geschenkt hätte", schwärmt Mama, bevor sich dann auch die Psychoanalytikerin wieder zu Wort melden darf.

Der Augenblick - Verzeihen ohne Worte© Sat.1 / Christoph Assmann

Ein "mutiger Schritt in Richtung Versöhnung" sei das gewesen, erklärt Frau Doktor – doch das hat in diesem Moment wohl auch der Letzte längst verstanden. Etwas später, als sich die beiden wieder gegenübersitzen, sprechen sie miteinander – und erstmals wird der Mutter bewusst, was sie damals überhaupt falsch gemacht hat. Natürlich wollen es die beiden noch einmal miteinander versuchen, so wie auch das junge Pärchen, das nach ihnen an der Reihe ist. 

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"Wann guckt man seinem Partner mal zehn Minuten in die Augen?", fragt der 29-jährige Guiseppe, der anfangs noch fest entschlossen war, die Beziehung nicht mehr flicken zu können. "Der Augenblick" zeigt, dass alles ganz anders kommen kann, wenn man sich bloß gegenübersitzt. Die Produktion von Redseven Entertainment ist im besten Sinne Fernsehen fürs Herz und auch wegen der erfrischend ehrlichen Protagonisten so gelungen. Hier wirkt nichts gestellt oder geschönt. Man kann nur hoffen, dass möglichst viele Zuschauer dieser Sendung mehr als nur einen Augenblick schenken.

"Der Augenblick - Verzeihen ohne Worte" läuft sonntags um 18:55 Uhr in Sat.1.