Im Bewegtbild-Bereich hat Bild.de zuletzt mächtig aufgestockt: Neben den schon immer vorhandenen Videos in Nachrichtenartikeln produziert man inzwischen immer mehr eigene Inhalte. So geht man seit zwei Jahren mit "Bild Daily" täglich um 18:45 Uhr auf Sendung - also in direkter Konkurrenz zu "RTL Aktuell". Hinzu kommen Spezialausgaben zu besonderen Anlässen. Und seit rund acht Monaten zeigt Bild.de wöchentlich am Montagmorgen mit "Die richtigen Fragen" eine eigene Talkshow, die regelmäßig mit einer beachtlichen Gästeliste aufwarten kann.

Kai Weise© Axel Springer
"Die richtigen Fragen" wird bei Facebook, Youtube und natürlich auf der Webseite der "Bild" live gezeigt. Auf eine maximale Reichweite der Live-Sendungen ist man bei Axel Springer aber nicht aus - das kann man schon problemlos an der Sendezeit erkennen. Am Abend wären die Reichweiten vermutlich viel höher als montags in der Früh. Die Strategie ist eine andere: Bekannte Gäste, meist Politiker oder andere Experten auf ihrem Gebiet, sollen möglichst markige Zitate liefern. Daraus strickt die Redaktion im Anschluss an die Sendung dann einen Artikel und bindet den entsprechenden Teil der Sendung ein - das sorgt für Reichweite. "Wir leben nicht so sehr von der Reichweite im Live-Moment, sondern wir müssen Momente schaffen, über die wir im Anschluss weiter sprechen können", sagt Kai Weise (Foto), Leiter der Sendung, im Gespräch mit DWDL.de. "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt ergänzt: "Ein Video aus China einkaufen und mit Untertiteln belegen kann jeder."

Man wolle eigene Inhalte schaffen und mit den Viralvideos "relevante Reichweite" generieren, sagt Reichelt. "Das heißt, dass wir mit unseren Formaten einen ähnlichen Impact erzielen wollen, wie wir es bis heute beim Thema Politik mit der gedruckten Seite zwei schaffen." Um das zu schaffen, kommt "Die richtigen Fragen" im Vergleich zu klassischen Talkshows recht flexibel daher. Die Anzahl der Themen ist nicht fixiert: Mal wird nur über den Ausgang der US-Wahl gesprochen, ein anderes Mal diskutieren die Moderatoren Anna von Bayern und Ali Aslan über fünf verschiedene Themen. In der letzten Sendung am Montag ging es lange um Martin Schulz und den SPD-Parteitag, aber auch um den anstehenden G20 Gipfel in Hamburg und den Tod von Otto Warmbier und die möglichen Konsequenzen für Nordkorea. Wichtig ist Reichelt: "Die richtigen Fragen" soll nicht ein Format sein, das ein Thema oder eine Woche beendet. Die Sendung soll Themen setzen und die Zuschauer auf das vorbereiten, was da in den nächste Tagen kommen könnte. "Wir schaffen Relevanz und Agenturware, wir treiben Debatten voran."

Auffällig auch, wie sehr sich "Die richtigen Fragen" mit den Gäste-Gesprächen von den klassischen Talk-Formaten im deutschen Fernsehen unterscheidet. Die Moderatoren begrüßen diese nämlich nicht im Studio, sondern immer via Skype. Da das relativ unkompliziert ist, kann Bild.de regelmäßig mit prominenten Gästen aufwarten. Diese können die Interviews auch von unterwegs erledigen. Tonprobleme und Bildaussetzer gehören auch acht Monate nach dem Start noch immer dazu, hinzu kommen manchmal etwas hilflose Gäste. "Da haben wir einen Bildungsauftrag", sagt Julian Reichelt. "Wir versuchen die Politiker dahingehend zu bilden, dass sie zumindest ein gutes Mikro verwenden und das dann auch in der Nähe haben. Sie müssen nah am Computer sitzen, aber auch nicht zu nah."

Die richtigen Fragen© Screenshot Bild.de
Nicht immer erwischen die Talkshow-Gäste, hier Leni Breymaier von der SPD, den richtigen Bildausschnitt. 

Und so kommt es dann manchmal vor, dass man von einigen Gästen nur die Stirn sieht, weil sie ihr Handy zu hoch halten. Von anderen sieht man gar nichts, weil sie ihre Finger auf der Kamera haben. Aslan und von Bayern weisen dann nett und bestimmt darauf hin - manchmal ist das Problem danach gelöst, manchmal nicht. Das mache aber auch den Charme dieses Formats aus, sagen Weise und Reichelt. "Wir wollen weg von der Bücherwand", so Weise, der immer auf authentische Momente hofft. Tatsächlich bleiben Gespräche mit Politikern im Auto oder beim Zahnarzt in Erinnerung und wirken echt. Ein Zitat von Sigmar Gabriel, die Amerikaner sollten doch einfach bessere Autos bauen und dann würden sie auch mehr in Deutschland verkaufen, lief am Tag danach fast in allen großen Zeitungen sehr prominent platziert. Gabriel hatte sich im Januar kurz den Fragen von Aslan und von Bayern gestellt. Und schon war die nächste große Schlagzeile produziert.

Im Hintergrund arbeitet ein kleines Redaktionsteam an der Sendung, eine Handvoll Redakteure bereiten die Themen vor und sprechen mit möglichen Gästen. "Im Vergleich zu den großen Polit-Talkshows arbeiten wir mit einem relativ kleinen redaktionellen Team. Der Vorteil ist, dass dahinter das große Redaktionsteam von 'Bild' steht", sagt Kai Weise. Künftig will man die Marke der Talkshow bekannter machen. "Wir sind noch lange nicht am Ziel und wollen sowohl in der Reichweite, aber auch in der Wahrnehmung und der Relevanz wachsen. Es ist ja kein Geheimnis und auch überhaupt nicht schlimm, dass wir als Polit-Talk noch nicht so groß sind wie diejenigen, die das jahrelang machen", sagt Reichelt. "Jeder Polittalker im TV spürt, dass wir ihnen im Nacken sitzen." Man versuche das Format Sendung um Sendung salonfähig zu machen. Das vergleichsweise geringe Budget sieht man auch am Studio, das nur spärlich beleuchtet ist und wie ein größerer Schuhkarton daherkommt.

Der große Wunsch von Julian Reichelt: Ein TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz im Vorfeld der Bundestagswahl. Aber der "Bild"-Chefredakteur weiß natürlich ganz genau, dass das eher unrealistisch ist. Dennoch sagt er, dass die Politik in den kommenden Wochen nach Fläche suchen werde, um sich mitzuteilen und da sei man eine gute Adresse im Bereich des digitalen Bewegtbilds. An einer Diskussionsrunde mit den Oppositionsparteien wird schon gearbeitet. Da könnte man mit Sicherheit auch die ein oder anderen Aussagen noch einmal gut in Nachdrehs zweitverwerten.