Bei kabel eins haben sie ihre ganz große Schwachstelle erkannt: Die Eigenproduktionen am Vorabend laufen seit einiger Zeit eher schlecht als recht. Senderchef Marc Rasmus wollte daher im März gegensteuern. "Mein Lokal, Dein Lokal" und "Achtung Kontrolle" mussten weichen, stattdessen sollten es "Schätze unterm Hammer" und "Sicher ist sicher" richten. Rasmus bezeichnete das als "revolutionären Schritt". Das Ende vom Lied ist längst bekannt: Die beiden Formate haben die Krise am Vorabend eher noch vergrößert und flogen nach knapp einem Monat wieder aus dem Programm. Man muss kabel eins zugute halten, es immerhin mit neuen Eigenproduktionen versucht zu haben, statt einfach die Krimischiene am Nachmittag auszudehnen. Nun kommt es darauf an, weitere neue Formate auszutesten. Denn der Status Quo kann in Unterföhring niemanden befriedigen.

Recht gut fährt der Sender meist am Dienstagabend, den über weite Strecken der TV-Saison Frank Rosin mit "Rosins Restaurants" fest in der Hand hat. Im Vergleich dazu ging "Rosin weltweit" im Herbst mit durchschnittlich weniger als vier Prozent Marktanteil unter. Künftig werden wohl alle Rosin-Formate unter dem Label "Rosins Restaurants" zu sehen sein. Das kennen die Zuschauer und das funktioniert für den Sender am besten.


Sehr gut funktioniert hat früher auch immer die Tamme-Hanken-Dokusoap. Doch dann ist der Knochenbrecher im Oktober vergangenen Jahres bekanntlich plötzlich verstorben. Statt neue Folgen mit dem sympathischen Ostfriesen konnte kabel eins nur noch eine Art Tribute-Staffel auf Sendung schicken, in der es um seine Frau ging, die den Hof nach Hankens Tod am Laufen hielt. Ein gleichwertiger Ersatz war das keinesfalls. Und andere neue Eigenproduktionen wie "Raus aus dem Zwang" konnten ebensowenig punkten. Hier muss der Sender also dringend nachlegen.

Das ist insofern recht drängend, weil kabel eins zuletzt sogar den Donnerstag als zweiten Abend für Eigenproduktionen in Aussicht gestellt hatte. Das darf durchaus als mutig bezeichnet werden, kann man doch schon den Dienstag nicht durchgängig erfolgreich bespielen. Auch die Frage nach möglichen, neuen Formaten stellt sich unweigerlich. So hat der Sender zwar das neue Format "Unser neuer Chef", in der die Beschäftigten von mittleren Unternehmen bestimmen, wer einen Job in der Firma bekommt, angekündigt, das wird aber nicht ausreichen, um eine ganze TV-Saison lang einen Abend erfolgreich zu bespielen. Zudem hat man den Start von "Unser neuer Chef" auf Ende Juli vorgezogen (DWDL.de berichtete)

Auch für den Sonntag muss sich kabel eins etwas überlegen. Nach dem Totalausfall "Restaurants am Limit" probierte man sich zwischenzeitlich an Serien, doch das hat auch nicht geholfen. Recht ordentlich präsentierten sich nach Startschwierigkeiten immerhin die "Größten Trends 2017" zu Jahresbeginn. Das taugt nun nicht gerade zum Überflieger, aber ein Format, das solide Quoten liefert, ist ja auch nicht zu verachten. Nun muss sich zeigen, ob sich das bei neuen Folgen im Sommer wiederholen lässt. Die Doku-Reihe "Die spektakulärsten Kriminalfälle" kann hin und wieder punkten, hatte dann aber auch immer wieder mit großen Problemen zu kämpfen. Mehr Stabilität wäre als auch an diesem Abend nötig.

Recht stabil präsentiert sich kabel eins aber am Nachmittag, wo die US-Serien konstant gute Quoten holen. Dass dort nur alte Serien laufen, ist wenig verwunderlich - längst sind neue Serien aber auch im Abendprogramm Mangelware. In der Primetime nimmt man kabel eins eher als Abspielstation für alte Serien wahr, die bei anderen Sendern der Gruppe schon zu sehen waren. Dabei laufen diverse Serien bei den großen Sendern inzwischen so mau, dass sie für diese Sender eigentlich zu schwach sind, bei kabel eins aber zum Erfolg taugen würden. Überlassen werden sie kabel eins trotzdem nicht - und nischigere Serien tauchen dann gleich bei ProSieben Maxx oder Sixx auf, für kabel eins bleibt in der Sandwich-Position wenig übrig. Immerhin: Dank der ProSiebenSat.1-Deals kann kabel eins aus einem großen Pool an nicht mehr ganz taufrischen Filmen schöpfen und fährt damit häufig ziemlich gut.

Im großen DWDL.de-Interview erklärte kabel-eins-Chef Marc Rasmus zuletzt, dass er kabel ein bei mindestens 5,x Prozent Marktanteil sehen will. Um das zu erreichen, muss der Sender das Ruder erstmal wieder herumreißen. Zwischen September 2016 und Mai 2017 gelang nur fünf Mal der Sprung über fünf Prozent, im Verlauf der Saison fiel der Sender eher ab. Im März verzeichnete man mit 4,6 Prozent sogar ein 10-Jahrestief. Um die Fünf-Prozent-Hürde wieder zu überspringen, muss kabel eins vor allem seinen Vorabend sanieren - und wieder mehr Akzente mit Eigenproduktionen setzen. Frank Rosin allein wird den Sender nicht aus dem Quotental ziehen können.