Im Krankenhaus, zur Untätigkeit verbannt: Links das Handy, rechts der Infusionsbeutel, eingezwängt also zwischen beruflicher und privater Pflichterfüllung – Senta Berger ist hier definitiv im richtigen Film, aber Eva Prohacek? Anders als ihre Darstellerin scheint die kontrollierte Kriminalrätin 15 Jahre nach dem Debüt zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Und das, wo draußen der Terror tobt. Denn "Unter Verdacht" beginnt diesmal mit einem islamistischen Sprengstoffanschlag aufs Oktoberfest. Und damit nicht genug ist der Hauptverdächtige nicht nur Polizist, sondern Prohaceks früherer Ziehsohn, den sie mit aller Kraft entlasten will und dabei in ein Wespennetz staatlicher, geheimdienstlicher, wirtschaftlicher Interessen tritt.

So brisant, aktuell, komplex ist Andreas Herzogs "Verlorene Sicherheit" nach einem Buch von Stefan Hotz, dass das ZDF daraus erstmals in der Reihe einen Zweiteiler gemacht hat. Und ausgerechnet jetzt schlägt bei der involvierten Ermittlerin das Alter zu? Nicht mit Eva Prohacek! "Nein nein, nichts Ernstes", kriegt ihr Chef zu hören, als sie bei der Arbeit zusammengeklappt ist, "ich hab wahrscheinlich zu wenig getrunken". Erst als der Arzt einen Schlaganfall feststellt, nimmt Eva Prohacek den Kampf an – gegen die Realität, nicht das Leiden. Und so hat ihr 26. Fall am Ende weniger mit der Figur zu tun als dem Menschen dahinter.

"Dass ich zehn Jahre älter bin als die Prohacek im Staatsdienst sein darf, weiß jeder, und langsam sieht man es auch", sagt Senta Berger erstaunlich offen für dieses jugendwahnsinnige Metier. Schon vor zwei Jahren habe sie daher empfohlen, die Beamtin mit festgelegter Pensionsgrenze nach diesem Einsatz am Rande des physisch wie psychisch Möglichen "in Rente gehen zu lassen". Da der Ausstrahlung des Abschieds indes noch eine paar erfolgreiche Wiederholungen alter Folgen, vor allem aber ein paar ganz reale Terrorattacken in unmittelbarer Nachbarschaft dazwischen gekommen sind, wird die Pensionierung abermals verschoben. Nach der Einigung auf Episode 27 "freuen wir uns auf die Dreharbeiten im Herbst".

Dann aber ist besiegelt: Mit Eva Prohacek verlässt eine der interessantesten Krimicharaktere die Fernsehbühne. Und damit neigt sich auch eine der längsten, größten, schillerndsten Filmkarrieren, die dieses Land je erlebt hat, dem Ende zu. Denn vor 60 Jahren erblickte der Teenager aus Wien im Schulklamauk "Die unentschuldigte Stunde" das Licht der Kamera und wirkte fortan in mehr als 200 Filmen oder Episoden mit. Darunter grauweiße wie "Der brave Soldat Schwejk" neben Heinz Rühmann oder glitzernde wie "Der Schatten des Giganten" voller Hollywoodstars, banale wie "Als die Frauen noch Schwänze hatten" mit viel nackter Haut und bedeutsame wie "Die weiße Rose" aus eigener Produktion.

Es war nicht alles Gold, was die Frau mit dem naturroten Haar am Set glänzen ließ, aber in der Breite sorgte es dafür, "dass ich in keine Schublade gesteckt worden bin", wie sie mit 76 Jahren nicht ohne Stolz betont. Dabei steckte Senta Berger zumindest kurz mal in einer sehr deutschen: für relevante Unterhaltung zu amerikanisch zu sein. Aufgewachsen im Zeitalter der "verlogenen Heimatfilme", wie sie mehr ausspuckt als sagt, war das aufstrebende Nachwuchstalent 1962 in die USA geflohen, wo es bis zur Rückkehr nach Deutschland sieben Jahre später zur gut gebuchten Hollywoodschönheit avancierte – was dem bedeutungsschweren Autorenkino in Deutschland bei ihrer Rückkehr Ende der Sechziger deutlich zu oberflächlich war, um ihr ausreichend Arbeit zu geben.

Nach etwas Theater und ersten Gehversuchen als Produzentin gelang ihr erst 1985 die Rückkehr ins Rampenlicht: Als glamouröse Mona in Helmut Dietls TV-Legende "Kir Royal", dicht gefolgt von der robusten Taxifahrerin "Die schnelle Gerdi" von ihrem Mann Michael Verhoeven. Der Topregisseur, mit dem sie im September Goldene Hochzeit feierte, hatte damit nicht nur abermals das Repertoire seiner Frau erweitert; er festigte auch Bergers Ruf als unumstößlicher Monolith des deutschen Films, der besonders mit seinem weiblichen Personal normalerweise wenig taktvoll umgeht, wenn es altert. Nur: Senta Berger alterte ja nicht.

Selbst mit annähernd 70 Jahren strahlte die Mutter zweier Söhne als spröde Sekretärin im vielfach prämierten New-Economy-Drama "Frau Böhm sagt Nein" eine Art subtiler Erotik aus, die das Gewerbe ansonsten nur ihrer kaum halb so alten (aber ebenso rothaarigen) Filmpartnerin Lavinia Wilson zubilligt. Und als Senta Bergers Seniorin beim Speed-Dating fürs Improvisationsstück "Altersglühen" 2015 ebenfalls Preis um Preis abräumte, war klar: Diese Frau trotzt allen Spielregeln von Natur und Branche. Umso mehr erstaunt es, dass sie nun kürzer tritt. "Ich habe ja auch noch ein anderes Leben", entgegnet sie all den Fragen zur Vergangenheit und lacht. "Nach zuletzt vier, fünf Filmen im Jahr genieße ich es, ein bisschen zuhause zu sein und mich mit meinem Mann wieder mehr aufeinander besinnen zu können." Außerdem gäbe es ja noch den Garten. Der macht auch viel Arbeit. Alles besser als Untätigkeit.