Wäre die Fernsehwelt so wie noch vor einigen Jahren, dann wäre ProSiebenSat.1 in einer sehr komfortablen Situation: Inzwischen hat man Erstzugriffsrechte auf die Serien fast aller großen Hollywoodstudios, nur Universal und Sony sind noch beim Konkurrenten, der Mediengruppe RTL Deutschland, unter Vertrag. Doch inzwischen musste man sich auch bei ProSiebenSat.1 eingestehen, dass es US-Serien im deutschen Free-TV schwer haben. Sat.1 entschied sich daher im Herbst, statt bis dahin drei nur noch zwei Abende pro Woche mit Lizenz-Serien - und das heißt im Falle von Sat.1 quasi fast ausschließlich US-Krimis - zu bespielen. Fast genau zehn Jahre, nachdem einst Roger Schawinski den Sonntagabend mit "Navy CIS" aufgemöbelt hatte, wurde er zum Show-Abend umgewandelt, zusätzlich zum Freitagabend.

Nun hatte Sat.1 in der Vergangenheit schon nicht genügend Show-Formate, um den Freitagabend durchgehend zu bespielen, es stand also Schlimmes zu befürchten. Aber Sat.1 hat im Show-Bereich im zurückliegenden Jahr ordentlich draufgesattelt. Die Bilanz fällt trotzdem gemischt aus. Die gute Nachricht: "The Voice" ist als Marke so stark, dass die Zuschauer ihr nicht nur über Sendergrenzen hinweg folgen, sondern dass ihr auch die "Tatort"-Konkurrenz am Sonntag nichts anhaben kann. Die schlechte Nachricht: Außer "The Voice" und mit Abstrichen "The Voice Kids" funktionierte am Show-Sonntag bislang nichts. Von "It's Showtime" über "Duell der Stars" bis "Little Big Stars" - immerhin ein erfolgreiches Show-Format aus den USA und mit Thomas Gottschalk auch noch hochkarätig besetzt - ging alles sang- und klanglos unter.

Vom Freitagabend gibt's drei erfreuliche Erkenntnisse. Zum Einen: Luke Mockridge, den Sat.1 mit dem anfangs mau laufenden und inzwischen erfolgreichen "Luke! Die Woche und ich" zum Sendergesicht aufgebaut hat, ist inzwischen Primetime-tauglich und hat Sat.1 mit dem zu ihm passenden "Luke! Die Schule und ich" einen schönen Show-Erfolg beschert. Zum Zweiten: Das wiederbelebte "Genial daneben" hat immer noch die Kraft, für ordentliche Quoten zu sorgen. Auch das überwätigend positive Feedback in den sozialen Netzwerk dürfte Balsam auf die Seelen gewesen sein. Und drittens: Sketch-Comedys kommen immer noch an - siehe "Knallerkerle" oder "Rabenmütter". Stellt sich nur die Frage, wieso Sat.1 sich hier im Vergleich zu früheren Zeiten in den letzten Jahren so zurückgehalten hat. Die Erfolge können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch freitags noch sehr viel fehlt, um ein ganzjähriges Line-Up zu bauen. Paul Panzers "Spieleabend" war ebenso eine Enttäuschung wie "So tickt der Mensch" oder "Ran an den Mann". Sat.1 kann nun zwar mehr Folgen der erfolgreichen Formate bestellen, muss aber kräftig weiterexperimentieren, denn ausreichend ist das noch nicht.

Mit der Umwandlung des Sonntags in den Show-Tag wollte Sat.1 zudem die übrigen beiden Serienabende stärken. Auch hier fällt die Bilanz aber ziemlich durchwachsen aus. Das einstige Aushängeschild "Navy CIS" lief anders als erhofft auch gegen schwächere Konkurrenz am Montagabend nicht besser. An Neustarts kann man sich auf der Habenseite "Lethal Weapon" gutschreiben. Mit im Schnitt knapp 10 Prozent Marktanteil liegt die Serie zwar klar über Sat.1-Schnitt, aber bringt Sat.1 trotzdem nicht wirklich nach vorn. "Blindspot" war donnerstags ebensowenig der erhoffte Erfolg wie der "Criminal-Minds"-Ableger "Beyond Borders". Und die Idee, es mit dem französischen "Crime Scene Riviera" in der Primetime zu probieren, geriet gar zum Desaster, das nach kurzer Zeit wieder beendet wurde.

Um so wichtiger wäre jetzt die einstige Sat.1-Stärke: Eigenproduzierte Serien und Reihen. Immerhin: Nach einer kompletten Saison ohne eine einzige deutsche Serie, gab's in diesem Jahr zumindest wieder "Einstein". Die Serie hielt aus Quotensicht nicht ganz, was der erfolgreiche Pilotfilm versprach, im Schnitt zweistellige Marktanteile sind aber mehr als fast alle anderen Serien bei Sat.1 mit Ausnahme von "Criminal Minds" erreichten. Und auch mehr als Sat.1 mit den meisten seiner Filme erzielt, in die ein großer Teil des Fiction-Etats fließt. Mit dem "Jack-the-Ripper"-Film gelang im Herbst ein schöner Erfolg, schon die "Ketzerbraut" war aber eine herbe Enttäuschung, die nicht im Ansatz an "Wanderhure"-Erfolge anknüpfen konnte - und an die meisten anderen erinnert man sich gar nicht mehr richtig, weder aus Quotensicht noch inhaltlich. Das macht es auch der runderneuerten "Akte" nicht leicht, wo Claus Strunz trotz zwischenzeitlicher Achtungserfolge noch keine Wunder vollbringen konnte.

Noch nicht im Griff ist auch der Mittwochabend, an dem sich Sat.1 schon seit dem Verlust der Champions-League-Rechte schwer tut. Mit Formaten wie "21 Schlagzeilen" oder "15 Dinge" schleppt man sich meist eher mau über die Runden. Am ehesten war es wieder "The Taste", das überzeugen konnte - auch wenn wie in den letzten Jahren erst im Endspurt zweistellige Marktanteile erzielt wurden. Während "Das große Backen" sich in diesem Jahr am Vorabend zum großen Erfolg entwickelte, blieben die Promi-Specials in der Primetime einstellig - liefen aber immerhin auch noch solide, was man von der "Karawane der Köche" nicht behaupten konnte. Das Format mit Tim Mälzer und Roland Trettl war im Herbst mit im Schnitt 6,5 Prozent Marktanteil ein bitterer Flop. Zur gleichen Zeit verschmähte das Publikum leider auch den sehenswerten "Kampf der Köche" am Vorabend. Das Format wurde nach nur drei Wochen wieder eingestellt.

Stattdessen dehnte Sat.1 die Blaulicht-Monokultur tagsüber bis 20 Uhr aus - und das obwohl "Auf Streife", das inklusive seiner Ableger den größten Teil der Sendefläche einnimmt, nie ein wirklicher Quotenüberflieger war, der eine derartige Ausbreitung gerechtfertigt hätte. Vom Versuch, zumindest am Vorabend noch eine andere Farbe im Programm zu haben, ist Sat.1 jedenfalls wieder abgekommen. Dabei gab es ja neben "Kampf der Köche" noch einen weiteren Ansatz. Trotz zumindest leicht ansteigender Quoten hat man das tägliche Magazin "Fahndung Deutschland" aber im September beerdigt. Zuletzt hatte es im Schnitt 8 Prozent Marktanteil. "Die Ruhrpott-Wache" hat das in den letzten drei Monaten nicht mehr erreicht. Immerhin: Mit "Klinik am Südring" und neuerdings auch den "Schulexperten" versucht man inzwischen wieder, ein klein wenig mehr Abwechslung ins Programm zu bringen. Die beste Nachricht für die Sat.1-Daytime war aber in diesem Jahr trotzdem vor allem die Ankündigung von RTL, den "Blaulichtreport" nicht fortzusetzen. Das dürfte für die Sat.1-Formate lebensverlängernd wirken.

Was blieb sonst noch aus der vergangenen Saison, in der Sat.1 in sieben von neun Monaten unter dem Vorjahreswert lag und damit weiterhin trotz einiger positiver Entwicklungen keine Trendwende einleiten konnte? Das als Highlight erwartete "Promi Big Brother" fiel in der vierten Staffel in die Probleme aus Staffel 1 zurück und blieb deutlich hinter den letzten beiden Staffeln. Verlässliche Quotengaranten sind inzwischen eben rar gesät bei Sat.1. Wie gut, dass es wenigstens das "Frühstücksfernsehen" gibt - das zieht am Morgen weiterhin als Zielgruppen-Marktführer seine Runden. Am Rest des Tages ist Sat.1 davon aber in der Regel weit entfernt.