Produzent Stefan Arndt überraschte das Publikum gleich zu Beginn seines Panels auf der Media Convention Berlin mit einer unerwarteten Aussage: "Das mit 'Babylon Berlin' machen wir ja nicht freiwillig." Wollte der X-Filme-Chef etwa andeuten, jemand habe ihn dazu gezwungen, gegen seinen Willen für rund 40 Millionen Euro die Megaserie für ARD und Sky zu drehen? Das zwar nicht – jedoch machte er keinen Hehl daraus, dass das Werk in seiner idealen Welt für ein anderes Medium entstanden wäre. Arndt sprach von einem "weinenden Auge", weil so etwas fürs Kino heutzutage nicht mehr möglich sei. "Also machen wir jetzt 16 Stunden Kinofilm fürs Fernsehen."

Von dieser sentimentalen Note abgesehen, präsentierte sich die deutsche Film- und Fernsehbranche eher lebhaft bis selbstbewusst auf der Digitalkonferenz. Mit 25 Milliarden Euro Jahresumsatz habe sie auch allen Grund dazu, feuerte Stefan Schnorr, Abteilungsleiter Digital- und Innovationspolitik im Bundeswirtschaftsministerium, an. Der Regierungsvertreter, der seit vorigem Jahr manche Großproduktionen mit dem 10 Millionen Euro starken German Motion Picture Fund fördert, wusste zu berichten, dass pro investiertem Euro die Gesamtwirtschaft mit 1,60 Euro profitiere. "Ein wahnsinniger Wirtschaftsfaktor also", so Schnorr.

 

Zum Auftakt hatte das Wirtschaftsministerium 2016 sechs Serien und zwei Spielfilme unterstützt, darunter "Babylon Berlin", die Amazon-Serie "You Are Wanted" oder die Netflix-Serie "Dark". Im laufenden Jahr gibt es schon jetzt mehr Anträge als Mittel. "Wir sind inzwischen ungefähr so stark wie die Autoindustrie – nur wir betrügen nicht bei den Abgaswerten und wir zerstören für unsere Wertschöpfung keine Ressourcen", kommentierte X-Filmer Arndt. Und erntete die volle Unterstützung von Endemol-Shine-Boss Marcus Wolter, der darauf hinwies, dass jegliche Wertschöpfung mit der Idee und mit dem Produzenten beginne.

Ist deshalb alles in bester Ordnung? Natürlich nicht. Vom neuen Förderinstrument der Regierung abgesehen, droht die deutsche Produktionsbranche im internationalen Vergleich ins Hintertreffen zu geraten, weil fast überall sonst mittlerweile staatliche Anreizmodelle wie etwa Steuervergünstigungen greifen. Dass die Bundesrepublik darauf sowie auf mehr Serien- statt Kinoförderung bislang verzichtet, kritisieren Produzenten immer wieder – auch diesmal in Berlin – und weisen auf die zunehmenden Abwanderungstendenzen in Richtung Osteuropa hin (DWDL.de berichtete). Ein weiteres Strukturproblem im Produzentenalltag sprach Wolter an: "Wir haben Arbeitsbedingungen, als ob wir am Fließband Tüten kleben würden – mit durchregulierten 8-Stunden-Tagen und Arbeitsverbot am Sonntag." Arndts Fazit: "Die Menschen haben sich im Kopf schneller digitalisiert als wir die Rahmenbedingungen."

Zur nicht mehr ganz so neuen Konkurrenz, die deutschen TV-Machern im Nacken sitzt, gehören aber auch US-Digital-Riesen wie Google und Facebook. Wege, sich von ihnen abzugrenzen, zogen sich wie ein roter Faden durch die Media Convention. So verwies Michael Jaschke, Geschäftsführer von ProSiebenSat.1 Digital, darauf, dass knapp die Hälfte aller vermarktbaren Videoviews in Deutschland aufs Konto von YouTube und Facebook gehe. "Der Online-Video-Werbemarkt wächst dynamisch, aber fast nur die beiden profitieren davon", so Jaschke. Mit den bekannten Folgen: für Content-Produzenten keine echte Kontrolle über die Verbreitung der eigenen Videos oder über die Werbepreise, für Werbetreibende wiederum keine Umfeld-Kontrolle und für Nutzer die vielfach diskutierten Filterblasen-Effekte. 

"Netzwerk statt Duopol" heißt der Ausweg, den Jaschke in Berlin propagierte – mit Hilfe des 2016 von ProSiebenSat.1 gegründeten Online-Video-Marktplatzes Glomex (DWDL.de berichtete). 40 Content-Provider habe man dort inzwischen als Partner an Bord, die ihre Videoinhalte zur Syndizierung bereitstellen, sowie 180 Publisher, die ihre Seiten damit aufhübschen. Finanziert wird das Tauschgeschäft durch die eingebaute Werbung. 55 Millionen deutsche Unique User im Monat zähle das Glomex-Netzwerk derzeit, so Jaschke – versus 31 Millionen bei YouTube und 23 Millionen bei Facebook. Durch die zahlreichen Mid- und Longtail-Publisher mit ihren oftmals scharfen Zielgruppen, so die große Hoffnung, könnte die bisher unvermarktete Hälfte des Online-Videomarkts sich quasi selbst kapitalisieren und so ein Gegengewicht bilden.

Frank Pasquale, MCB17© MCB/Uwe Völkner

Plädoyer für "algorithmic accountability": Frank Pasquale auf der Media Convention Berlin

Auch die ordnungspolitische Frage der Regulierung von Facebook & Co. kam zur Sprache. Zwar hat Mark Zuckerberg unlängst bekanntlich mehr Einsatz gegen "Fake News", gefälschte Accounts und simulierte Diskussionen versprochen. Doch: Selbstregulierung sei nur die halbe Miete, so Frank Pasquale, Jurist und Algorithmen-Experte der University of Maryland. In seiner Keynote plädierte er für "algorithmic accountability" – eine Rechenschaftspflicht über die Verwendung und Auswirkungen von Algorithmen. Für ein ausgewogenes Internet, so Pasquale, müsse dem Mythos vom undurchschaubaren Algorithmus ein Ende gesetzt und stattdessen Verbraucher- und Datenschutzbehörden, Kartellamt und Medienaufsicht gemeinsam aktiv werden. "Anstatt nur Lebensmittel und Medikamente mit Warnhinweisen zu kennzeichnen, sollten wir künftig vor allem Informationen kennzeichnen", so der Professor aus Washington.