Authentizität ist eine Vokabel, die Fernsehmacher gerne verwenden, wenn es darum geht, ihre Sendungen zu beschreiben. Echt sollen sie wirken und nicht gekünstelt. Die Zuschauer sollen mitfiebern und die wahren Emotionen spüren. Leider kommt es inzwischen viel zu häufig vor, dass beim Bestreben nach Authentizität genau diese auf der Strecke bleibt, weil das, was das Publikum im Fernsehen zu sehen bekommt, alles ist - nur nicht authentisch.

Vielleicht treibt sie ein Stück weit die Sorge, die Zuschauer könnten nicht verstehen, wann eine Szene urkomisch, bierernst oder todtraurig ist. Dabei besitzt das Publikum in aller Regel ein feines Gespür dafür - und doch ist es mittlerweile leider an der Tagesordnung, dass insbesondere bei Show-Produktionen gerne mal nachgeholfen wird. Da werden vor Aufzeichnungsbeginn munter verschiedene Applaus-Stufen eingefangen, um sie später an jene Stellen zu schneiden, die die Produzenten für passend erachten. "Wir bräuchten noch drei Appläuse" ist so ein Satz, den Zuschauer bei Studio-Aufzeichnungen in diesem Zusammenhang gerne mal zu hören bekommen.

Ganz ähnlich verhält es oft auch bei Lachern. Für den Fall, dass das Studiopublikum die Darbietungen auf der Bühne zum Gähnen findet, werden ihm im Vorfeld nicht selten vermeintlich lustige Pannen-Clips vorgespielt. Auf diese Weise entsteht das Kichern oder Brüllen, das später bei lahmen Witzchen zum Einsatz kommen kann. Ein zu häufiger Einsatz dürfte vor dem Fernseher allerdings vermutlich eher Verwirrung stiften: Warum zum Teufel wird so laut gelacht, obwohl es nichts zu lachen gibt? Ein Witz ist bislang wohl ohnehin nur selten dadurch lustiger geworden, weil nachträglich unverhältnismäßig laute Lacher in die Show geschnitten wurden.

Dennoch ist das Vorgehen weit verbreitet. Im Falle der Sky-Comedy "Eine Liga für sich" haben die Produzenten im Vorfeld kürzlich solche Lacher aufgenommen, beim RTL-"Supertalent" wird einigen Künstlern seit Jahren schon gerne mal Standing Ovations untergejubelt, wenn es dramaturgisch sinnvoll erscheint - und gerade erst wollten viele Publikums-Reaktionen in der neuen Sat.1-Show "Little Big Stars" mit Thomas Gottschalk nicht so recht zu dem passen, was sich gerade auf der Bühne abspielte. Da ließ das eingebaute Lachen viele Szenen wirken, als stammten sie aus einer schlechten Sitcom.

"Wir nehmen das Feedback aus der ersten Sendung mit"

Darauf angesprochen, gibt man sich bei der Produktionsfirma Warner Bros. International Television Production Deutschland wortkarg - und verweist stattdessen auf den Auftraggeber, also auf den Sender. Doch auch in Unterföhring ist kurz nach der Premiere von "Little Big Stars" nichts Konkretes zu den Beweggründen erfahren. Offensichtlich will man in der Branche nur ungern offen über dieses Thema sprechen. Warum derart harte Schnitte notwendig sind, wollten wir wissen, und weshalb den Zuschauern Emotionen vorgetäuscht werden, die es in Wirklichkeit gar nicht gab. Antworten darauf erhielten wir nicht.

"Wir nehmen das Feedback und die Erfahrungen aus der ersten Sendung mit und freuen uns auf eine tolle zweite Show am Sonntag mit einem großartigen Thomas Gottschalk und noch mehr aufgeweckten 'kleinen Stars'", ließ Sat.1 stattdessen vielsagend auf Nachfrage ausrichten. Ob man den Schnitt noch einmal verändern wird, geht aus dem Statement nicht hervor. Stattdessen heißt es, die Begegnungen und Talks von Thomas Gottschalk und den Kids seien bei den Zuschauern sehr gut angekommen. "Natürlich hätten wir uns zum Auftakt eine bessere Quote gewünscht, aber uns war auch bewusst, dass wir in einem schwierigen Konkurrenzumfeld starten."

Das Gegenprogramm alleine ist freilich nur bedingt eine Erklärung, immerhin war es Sat.1 wenige Wochen zuvor mit "The Biggest Loser" noch gelungen, selbst gegen den Rekord-"Tatort" aus Münster einen doppelt so hohen Marktanteil einzufahren. Vielleicht wird man am Ende schlicht festhalten müssen, dass "Little Big Stars" den Geschmack des Publikums am Sonntagabend nicht getroffen hat. Trotz oder vielleicht gerade wegen künstlicher Lacher und Applaus aus der Konserve. Gottschalk selbst nahm die Kritik übrigens mit Humor. Am Tag nach der Show schrieb er auf Twitter: "Früher waren meine Anzüge schlecht geschnitten, jetzt sind meine Show schlecht geschnitten."

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