Reality-Dating-Shows aller Art haben eins gemein: Drama in Hülle und Fülle mit Charakteren, die alle ihre kleine Rolle in scheinbar vorgefertigten Geschichten spielen. Mit genau diesem Konzept schaffen es Sendungen wie "Der Bachelor" oder auch "Bauer sucht Frau" regelmäßig zu Top-Quoten. Wie es hinter den Kulissen ablaufen kann, zeigte zuletzt der Satiriker Jan Böhmermann in seiner ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale", als er zwei Schauspieler in den Dreh zur neuen "Schwiegertochter gesucht"-Staffel einschleuste. Weil in den Vereinigten Staaten der größte Hype um derartige Formate herrscht, verwundert es nicht, dass man sich der Thematik dort auch schon in serieller Form angenommen hat. Mit "UnREAL" wurde eine komplette Serie ins Leben gerufen, die einen Blick hinter die Kulissen einer Reality-Dating-Show, die offensichtlich dem "Bachelor" nachempfunden ist, zu schauen. 

Der Blick, der gewährt wird, fällt düster aus. Was Shiri Appleby ("Roswell") als Produzentin Rachel Goldberg in ihrer fiktiven Show "Everlasting" treibt, ist nämlich höchst fragwürdig – und wohl nicht völlig aus der Luft gegriffen, hat die Produzentin der Serie doch einst selbst "The Bachelor" produziert. Um Top-Quoten zu erreichen, sorgt sie mittels Manipulationen dafür, dass ihre Kandidaten das ultimative Drama auf den Bildschirm zaubern. Das ist ein Verhalten, dass sie für die Lifetime-Produktion aus nächster Hand von echten Reality-Dating-Show-Machern erlernt hat. "In meiner Vorbereitung für die Rolle wurde mir vor allem das Stilmittel der Isolation ans Herz gelegt. Keiner der Kandidaten darf Kontakt in die Außenwelt haben, geschweige denn Fernsehen schauen oder Magazine lesen, um sich über sie zu informieren. Sie sollen vollkommen in dieser von den Produzenten geschaffenen Welt leben und sich zu 100 Prozent auf die anderen Kandidaten konzentrieren", verrät Appleby im Gespräch. Eines betont sie jedoch sofort: "Wichtig ist zu wissen ist, dass 'UnREAL' keine Dokumentation, sondern eine eigenständige Serie ist."

"In dieser Hinsicht manipuliert 'UnREAL' also das komplette Genre und nutzt es für sein eigenes Ziel: Eine eigenständige, unterhaltsame Show zu sein." Manipulation müsse jedoch nicht immer mit unmoralischem Verhalten einhergehen: "Durch meinen Charakter Rachel habe ich gemerkt, dass auch solche Menschen ein gewisses Level bzw. eine andere Auffassung von Moral besitzen. Sie tut Dinge, die sie für vertretbar hält." Außerdem stellen sich die Kandidaten selbst zur Verfügung und wissen in gewissem Maße, was sie in solch einer Show zu erwarten haben. "Je nachdem, wie sehr du das System verstehst, kannst du solch eine Show natürlich auch dafür benutzen, dich im Land beliebt zu machen", erzählt sie. "Sollten die Macher jedoch andere Ziele mit deiner Person verfolgen, kann das schwer werden." Dann komme wieder das Verständnis von Moral ins Spiel. 

Shiri Appleby in © Lifetime

Zum Schluss unserer Unterhaltung wollte ich von Shiri Appleby noch wissen, ob man mit der Serie überhaupt die richtige Zielgruppe treffen könne. Denn so gerne ich ab und zu bei McDonalds esse, möchte ich dennoch nicht mit anschauen, wie die Burger im Detail hergestellt werden. Von der Hand zu weisen sei das nicht, die Schauspielerin stellte jedoch klar, dass "UnREAL" nicht nur darauf ausgelegt sei, anzuekeln. Im Gegensatz zu Dokumentationen über Essensherstellungen soll die Serie ein besseres Genre-Verständnis und Skepsis schaffen, aber auch faszinierend sein. "Bei uns gibt es so viele interessante Dinge zu entdecken, die man in den richtigen Reality-Shows wiederfinden möchte. Außerdem geht unser Serie weit über ein Behind-the-Scenes hinaus, beleuchten wir vor allem die Charaktere und erzählen eine Geschichte."

Blieb noch die Frage, ob solch ein Format ohne jegliche Manipulation überhaupt funktionieren könnte. "Das Witzige ist, dass das bisher noch niemand wirklich probiert hat. Ich kann mir das auch nur schwer vorstellen, da wir einfach auf Dramatik und Eskapaden stehen. Solange das Altbekannte funktioniert, ist es aber auch unwahrscheinlich, dass sich jemand an einer anderen Version versucht." Anstatt sich also nur über Skandale, wie beispielsweise den "Verafake", verbal aufzuregen, hätten die Zuschauer ja die Macht, gegen solche Produktionen vorzugehen: Einfach mal nicht einschalten und mit einer schwachen Quote zum Umdenken anstoßen.