Wenn man die Dritten Programme häufiger einschaltet, dann kann man schon den Eindruck gewinnen, dass zwischen Quizshows, Ratgebern und "Tatort"-Wiederholungen mitunter der Fokus ein Stück weit abhanden kommt. Also die Berichterstattung über das, was vor der eigenen Haustür passiert. Umso schöner, dass sich das WDR Fernsehen von diesem Freitag an zur besten Sendezeit mit Nordrhein-Westfalen in all seinen Facetten befassen wird. "Unser Land" nennt sich die Doku-Reihe, die in sechs Folgen die Geschichte dieses in vielerlei Hinsicht beeindruckenden Bundeslandes erzählt.

Der Anlass dafür könnte passender kaum sein, schließlich feiert das bevölkerungsreichste Bundesland in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag. Und auch wenn sich der Sender zum Jubiläum alles in allem rund viereinhalb Stunden Zeit nimmt, so kratzt der Film meistens doch nur an der Oberfläche. Das aber gelingt den Autoren Jobst Knigge, Lukas Hoffmann, Manfred Oldenburg, Anke Rebbert, Henrike Sandner und Eva Schötteldreier ausgesprochen gut. Entstanden ist auf diese Weise nämlich ein ziemlich kurzweiliger Ritt durch ein Land, das mehr zu bieten hat als Dom, Zechen und große Fußball-Arenen.

Die 45 Minuten, die jedem Jahrzehnt gewidmet werden, sind letztlich also nicht gerade üppig. Vom Anspruch auf Vollständigkeit kann daher gewiss keine Rede sein, wenn es um Aufstieg und so manche Krise, die NRW seit seiner Gründung zu meistern hatte, geht. "Wir wollten Menschen, Orte und Ereignisse aus allen Jahrzehnten so nah und emotional wie möglich darstellen", sagt Produzent Leopold Hoesch von Broadview TV. "Da reicht es nicht, sich auf die üblichen historischen Quellen zu verlassen, sondern wir haben die mit Abstand größte Archivrecherche unserer Firmengeschichte geleistet."

Tatsächlich ist genau das die wahrscheinlich größte Leistung der Macher von "Unser Land": Mehr als 2.500 Stunden Material wurden für den Film gesichtet. Dabei sind es gerade die vielen Privataufnahmen, die einen wunderbaren Eindruck von der jeweiligen Zeit vermitteln, in der sie entstanden sind. Dass hier - anders als bei so vielen zeithistorischen Dokumentationen üblich - auf die obligatorischen Zeitzeugen vor spärlich beleuchtetem Hintergrund verzichtet wurde, macht diese NRW-Geschichtsstunde, für die der WDR die wunderbare Annette Frier als Erzählerin gewinnen konnte, so besonders, schließlich verhindert dieser relativ einfache Kniff, dass die Vergangenheit nicht allzu stark verklärt wird.

Unser Land© WDR/Thomas Kost

Und mal ehrlich: Wer könnte authentischer sein als der Ministerpräsident früherer Tage im Bademantel oder der junge Mann, der irgendwann in den 50ern auf die Frage, warum er Bergmann werden möchte, in schönstem Pott-Dialekt antwortet: "Da hab' ich Spaß dran." So macht dann auch das Zuschauen Spaß. Es sind viele große und kleine Geschichten, die das Bild eines Landes zeichnen, das vielfältig, ja häufig sogar widersprüchlich daherkommt. So gesehen passt es auch gut ins Bild, wenn es in einem Moment um die Kohlekrise und wenig später schon wieder um König Fußball geht. Hier das Drama, dort der Jubel.

Schwarz und weiß liegen in dieser modern in Szene gesetzten Dokumentation also stets eng beisammen - das gilt für die Themen ebenso wie für die Wahl der Bilder. Schön auch, dass quasi nebenbei immer wieder überraschende Fakten vermittelt werden. Oder hätten Sie etwa gewusst, dass NRW um ein Haar Rheinfalen oder gar Sachsofrankonien geheißen hätte? Vielleicht wäre es daher nicht die schlechteste Idee, jeden Nordrhein-Westfalen dazu zu verpflichten, sich zumindest ein paar Minuten dieser Dokumentationsreihe anzusehen.

Das WDR Fernsehen zeigt "Unser Land" jeweils freitags um 20:15 Uhr.