Man kann - unter Einkalkulierung der typisch deutschen Skepsis - beinahe von einer dezenten Euphorie sprechen: Selten kamen die deutschen Screening-Besucher so positiv gelaunt von den LA Screenings zurück. Jene Woche im Mai, in der die großen Hollywood-Studios den Programm-Einkäufern aus aller Welt in und um Los Angeles ihre neue Serien-Ware präsentieren, war in den vergangenen Jahren ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle. Auf die sicheren Jahre des Broadcast-Fernsehens (jene „CSI“-Jahre) folgte zunächst kreative Ebbe und dann - angetrieben durch die Kabelsender und SVoD-Plattformen - das „New Golden Age of Television“. Doch diese Euphorie für das serielle Erzählen half den Einkäufern aus aller Welt nur bedingt: Gefeiert wurden spitze Produktionen, die für die werbefinanzierten Fernsehsendern aus aller Welt nur bedingt brauchbar waren.



Jörg Graf© RTL
So gingen bei den LA Screenings 2014 und 2015 die Meinungen zwischen dem, was gut und was brauchbar war, oftmals weit auseinander. Dass die großen US-Networks mit Mini-Serien versuchten, den Erfolg von Pay- und SVoD-Anbietern zu kopieren, überzeugte oftmals nicht. In diesem Jahr war das wieder anders. „Als klarer Bekenner zum Procedural freut es mich immer, wenn die Studios das Feld der episodisch erzählten Shows nicht aus dem Auge verlieren. Wir alle wissen, wie sich die Ausrichtung in Richtung Serialized in den letzten Jahren entwickelt hat und wie wenig erfolgreich selbst toll produzierte serialized erzählte Serien bei den deutschen Sendern gelaufen sind. Insofern ist es aus meiner Perspektive gut zu sehen, dass Procedurals weiter bedient werden“, erklärt Jörg Graf (Foto), verantwortlich für den Programmeinkauf der Mediengruppe RTL Deutschland.

Eine Beobachtung, die auch andere Einkäufer teilen. „Ich glaube, auch einen ganz leichten Trend zurück zum Procedural Drama erkannt zu haben, das in den vergangenen Jahren von horizontal erzählten Geschichten etwas überschattet wurde“, attestiert selbst Marcus Ammon, Senior Vice President Film bei Sky, der selbst eher nach horizontal erzählter Serienware Ausschau hält. Anders Rüdiger Böss, EVP Group Programming Acquisitions der ProSiebenSat.1 Media SE, der bei der Vielzahl der Procedurals besonders über die vielversprechende TV-Version von „Lethal Weapon“ von Warner Bros. Böss schwärmt: „Mein Favorit der Screenings ist mit Abstand ‚Lethal Weapon‘. Da hat Warner aus den Fehlern von ‚Rush Hour‘ gelernt und einen in jeder Hinsicht stimmigen Hit abgeliefert.“ Die Serie wird, dank eines langjährigen Deals des Studios mit ProSiebenSat.1, in Deutschland auf einem der Sender der Gruppe laufen wird.

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Top 5-Serien der deutschen Besucher: "Lethal Weapon" (Warner für Fox)

Hannes Heyelmann© Turner / Fabian Helmich
Auch Julian Krietsch, Leiter Programmplanung bei RTL II nennt die Action-Serie als Highlight der diesjährigen Screenings: „Bei ‚Lethal Weapon’ gibt es ein tolles Zusammenspiel aus Action, Emotion und Humor. Zudem wurde aus meiner Sicht ein super Cast gewählt.“ Hannes Heyelmann (Foto), Geschäftsführer von Turner Broadcasting System Deutschland, nennt die Warner-Produktion ebenfalls als den Hit der Screenings. Normalerweise müsste man an der Stelle darauf hinweisen, dass Warner und Turner nun aber auch zum gleichen Mutterkonzern gehören. Doch das Urteil zu „Lethal Weapon“ ist bei allen von DWDL.de befragten Besuchern der LA Screenings einhellig positiv. Ebenso wie das Lob für die neue HBO-Serie „The Night Of“ über die Folgen einer verhängnisvollen Nacht.

Da jubelt besonders Marcus Ammon, Senior Vice President Film, bei Sky: „Wir freuen uns, im Herbst die grandiose HBO-Miniserie 'The Night Of' mit John Turturro auf Sky Atlantic zeigen zu können, die bei den Screenings für großes Aufsehen gesorgt hat.“ Mehrere deutsche TV-Produzenten, die ebenfalls einen Platz bei den Screenings ergattert haben, waren voll des Lobes für die US-Neuverfilmung, die auf der britischen Serie „Criminal Justice“ aus dem Jahr 2008 basiert. Dass auch HBO auf ein Remake setzt, passt ins Bild der diesjährigen Screenings. Der Trend zur Vorsicht, den man schon im vergangenen Jahr beobachten konnte, setzt sich fort und das eben nicht mehr nur bei den großen Networks, die mit bekannten Programmmarken auf die nötige Aufmerksamkeit in der neuen TV-Vielfalt hoffen.

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Top 5-Serien der deutschen Besucher: "Timeless" (Sony für NBC)

Marcus Ammon© Sky Deutschland
„Auffallend war die hohe Anzahl an Reboots bzw. Fortsetzungen bekannter Marken, wie z.B. 'Lethal Weapon', 'Training Day', 'Prison Break', 'MacGyver', 'Taken' oder ’24’“, so Sky-Mann Marcus Ammon (Foto) gegenüber DWDL.de. Julian Krietsch (RTL II) pflichtet ihm bei und nennt mit „Star Trek“, „Twin Peaks“, „The Exorcist“ und „Rocky Horror Picture Show“ noch weitere Beispiele der vergangene Woche in Los Angeles gezeigten oder angekündigten Produktionen. Während die Vorsicht eine erwartbare Entwicklung war, überraschten die Studios inhaltlich mit einem zunächst nicht naheliegenden Schwerpunkt. „Time-Travel Serien waren offensichtlich hoch im Kurs“, analysiert RTL-Einkäufer Jörg Graf. Mal mit, mal ohne Zeitmaschine. „Fox hat in ‚Making History‘ eine gute Portion Humor gepackt und geht das Thema amerikanische Historienbereinigung mit Augenzwinkern an. Sony setzt mit toller Besetzung bei ‚Timeless‘ das Thema eher als Abenteuer um, Warner schickt in ‚Time after time’ auch den Urvater der Zeitmaschine H.G. Wells in Rennen.“

Die Sony-Serie „Timeless“ überzeugte neben der Mediengruppe RTL Deutschland - wo die Produktion zu sehen sein wird - auch andere Einkäufer und Screening-Besucher. Überzeugt hat hier die Tatsache, dass Zeitreise als Mittel zum Zweck benutzt wird, um Woche für Woche eine Geschichte in einer anderen Zeit zu erzählen. Während die neue Sony-Sitcom von Kevin James („Kevin can wait“) auf geteilte Meinungen stieß (wie übrigens auch Warners Superhelden-Comedy „Powerless“), überzeugte das Studio wiederum gleich deutsche Besucher mit „StartUp“. Die Serie mit Adam Brody und Martin Freeman über ein mit schmutzigem Geld finanziertes StartUp wird in den USA bei Sonys eigener Plattform Crackle zu sehen sein. Es ist die Vielfalt der Genres und bespielten Plattformen, die den deutschen Einkäufern beim diesjährigen Sony-Screening so gut gefallen hat. Das Sender-unabhängige Studio hatte zuletzt schwächere Jahre.

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Top 5-Serien der deutschen Besucher: "StartUp" (Sony für Crackle)

Rüdiger Böss© ProSiebenSat.1
Aber es gab auch noch ein weiteres Studio, das diesmal positiv auffiel. „Nach einigen schwächeren Jahren war das Screening von Fox in diesem Jahr eine positive Überraschung. Insbesondere ‚This is us’ und ‚The Mick‘ sind zwei Serien, die ich mir sehr gut bei uns vorstellen kann“, erklärte Rüdiger Böss (Foto) im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Zum Drama „This is us“ gratuliert auch Konkurrent Jörg Graf und Sky-Mann Marcus Ammon. Die Serie wäre - wenn sie sich im US-Fernsehen als erfolgreich bewährt - eine gute Ergänzung für den Mittwochabend von ProSieben. Die Comedy „The Mick“ ist für Böss auch eine sichere Bank.

„Bei den halbstündigen Comedies ist es aus meiner Sicht etwas ruhiger geworden und die Programme sind deutlicher stärker auf die gesamte Familie gerichtet“, analysiert RTL-Kollege Jörg Graf, der sich für die eigene Programmversorgung darüber hinaus auch über „Chicago Justice“ von Universal freut. Andere Einkäufer sahen bei Universal jedoch sonst nur viel Durchschnittsware. Insgesamt wenig beeindruckt von den diesjährigen Screenings zeigte sich Turner-Manager Hannes Heyelmann. Sein Urteil: Eher kein guter Jahrgang. „Viele durchschnittliche Serien, wenig Innovatives und wenig wirklich herausragende Serien.“ Alle anderen Einkäufer äußerten sich - in Abstufungen - jedoch positiver über das diesjährige Angebot.

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Top 5-Serien der deutschen Besucher: "This is us" (Fox für NBC)

Julian Krietsch© RTL II
„Es gab kein großes Studio, das besonders positiv herausgestochen ist“, meint RTL II-Mann Krietsch (Foto) und hat dennoch hier und da sehr starke Programme gesehen. „Charakterstark und kräftig, meist leicht im Abgang“, urteilt Sky-Kollege Marcus Ammon freudig über die LA Screenings 2016: „Im Großen und Ganzen gab es quer durch alle Studios ein breitgefächertes Angebot unterschiedlicher Genres und qualitativ hochwertiger Inhalte mit zum Teil beeindruckendem Storytelling und tollen Darstellern. Von der klassischen Action-Geschichte über das zum Teil abgedrehte Supernatural-Drama bis zur spannenden Crime-Story war alles dabei, also eine ausgewogene, gesunde und kraftvolle Mischung, gewürzt mit einigen neuen, mutigen Ansätze.“

Dass Warner Bros. trotz des Lieblings „Lethal Weapon“ bei der DWDL.de-Umfrage unter deutschen Besuchern der LA Screenings am Ende nicht zu den Gewinnern der LA Screenings gehört, lag an zahlreichen durchschnittlichen oder gar schlechten Produktionen („Training day“). Die gab es neben charmanten Produktionen wie „No Tomorrow“ und dem unglaublich lustigen „The great indoors“ auch bei CBS: Dort enttäuschten besonders die gezeigten Ausschnitte des Reboots von „MacGyver“ und auch Katherine Heigls neues Legal Drama „Doubt“ konnte nicht überzeugen. Bei „MacGyver“ bleibt ProSiebenSat.1-Einkäufer Böss aber optimistisch: „Ich habe Hoffnung, dass das neue ‚MacGyver‘ noch Hitpotential entwickeln kann. Der Pilot wird ja nochmal neu gedreht und wir sind sicher, dass an den richtigen Schrauben gedreht wird.“

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Top 5-Serien der deutschen Besucher: "The Mick" (Fox für Fox)

„Unter dem Strich denke ich, es ist ein Screening-Jahr in dem Sender, die breite Zielgruppen ansprechen, noch viel über die besten Sendeplätze diskutieren werden“, sagt RTL-Einkäufer Jörg Graf. „Wir haben vieles in guter Qualität gesehen, ob diese immer in seiner Erzählweise gleich den Geschmack der breiten Zuschauermasse trifft, werden wir auf Senderseite ausprobieren. In diesem Zusammenhang ist vielleicht der wichtigste Trend, was sich in LA jenseits der klassischen Major-Studio-Screenings abgespielt hat. Aus den Screenings ist in diesem Jahr deutlich spürbar ein Markt geworden, bei dem Themen wie Co-Produktion einen großen Platz eingenommen haben. Die Gesprächstermine zu Einzelprojekten jenseits der Majors, haben in diesem Jahr nochmals deutlich zugenommen.“

Geht es um die größte Enttäuschung der LA Screenings liefern sich zwei Studios ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Diplomatisch formuliert es Julian Krietsch, Leiter Programmplanung bei RTL II: „Disney ist mir aufgefallen, weil sie kaum etwas präsentiert haben. Bei Lionsgate gab es nur wenig, das sich für das deutsche Free-TV eignet.“ Dem pflichtet auch Rüdiger Böss (ProSiebenSat.1) bei: „Bei ABC gab es dieses Jahr ja nicht viel zu sehen und Lionsgate enttäuschte qualitativ.“ Dementsprechend ist das Urteil unter den deutschen Einkäufern und Screening-Besuchern klar: Sony und Fox überraschten positiv während Warner und CBS  insgesamt guten Durchschnitt boten und ABC sowie Lionsgate enttäuschten. HBO lief wieder einmal außer Konkurrenz - und überzeugte, wenn auch mit einer Adaption. Es war halt ein insgesamt gutes, aber eben kein mutiges Jahr bei den LA Screenings 2016.

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